Spruch:
Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 25.September 1996, GZ 5 P 2282/95k-9, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Pflegschaftssache des mj. Christoph P***** an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird gemäß § 111 Abs 2 JN nicht genehmigt.
Text
Begründung
Der (damals) in L***** wohnhafte mj. Christoph P***** war Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung, die sein am 15.September 1994 verstorbener Vater für ihn abgeschlossen hatte. Als die Versicherungssumme mit Zeitablauf fällig wurde, teilte dies das Versicherungsunternehmen dem Bezirksgericht Bludenz mit. Das Bezirksgericht Bludenz wies als Pflegschaftsgericht das Versicherungsunternehmen an, die fällig gewordenen Beträge auf ein Sparbuch zu überweisen und verfügte die Sperre des Sparbuches.
Im Sommer 1996 teilte die Mutter des Minderjährigen dem Pflegschaftsgericht mit, daß sie mit ihren Kindern von L***** nach Wien umgezogen sei. Sie gab bekannt, daß drei ihrer Kinder Schulen in Wien besuchen, der mj. Christoph aber in V***** zur Schule geht.
Mit Beschluß vom 25.September 1996, 5 P 2282/95k-9, übertrug das Bezirksgericht Bludenz die Zuständigkeit für die Pflegschaftssache des mj. Christoph P***** dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Das Kind halte sich jetzt ständig in Wien 5 auf; es sei daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Innere Stadt Wien diese Pflegschaftssache führe.
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien lehnte es ab, die Zuständigkeit zu übernehmen. Der mj. Christoph P***** gehe weiterhin in V***** zur Schule und halte sich daher nicht ständig in Wien auf.
Das Bezirksgericht Bludenz legte den Akt gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Bezirksgericht Bludenz verfügte Übertragung ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch der dem Pflegebefohlenen zugedachte Schutz voraussichtlich besser verwirklicht werden kann. Diese Voraussetzung liegt in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EFSlg 46.620; 57.691; 60.722; 66.880; 69.749; 72.819 uva; Mayr in Rechberger, ZPO § 111 JN Rz 2 mwN). Maßgebend ist immer das Kindeswohl (EFSlg 60.723; 72.818; 4 Nd 505/96 ua).
Der mj. Christoph P***** geht weiterhin in V***** zur Schule. Er kann sich zwangsläufig nur fallweise bei seiner Mutter und seinen Geschwistern in Wien aufhalten. Der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt daher nicht in Wien. Im übrigen waren, abgesehen von der Sperre des Sparbuches, bisher keine Maßnahmen zu treffen. Es ist auch nicht anzunehmen, daß bis zum Erreichen der Volljährigkeit des mj. Christoph P***** im Jänner 1997 irgendwelche Verfügungen zu treffen sein werden.
Die Übertragung war daher nicht zu genehmigen.
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