OGH 4Ob2329/96w

OGH4Ob2329/96w12.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Robert S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 349.200,-- sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. September 1996, GZ 3 R 142/96s-40, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob die Vertragsbestimmung, daß dann, wenn dem Empfänger ein vom Vermittler angebotenes Objekt bereits als verkäuflich oder vermietbar bekannt ist, er dies unverzüglich dem Vermittler mitzuteilen hat, widrigenfalls "die Anbotstellung als anerkannt gilt", immer gegen die guten Sitten verstößt (in diesem Sinn ZBl 1930/180 unter Berufung auf Reichl, Die Maklerprovision) oder unter Vollkaufleuten zulässig ist, bedarf keiner Prüfung:

Nach § 9 Abs 1 IMV darf der Immobilienmakler für den Fall, daß die Vermittlung trotz seiner zweckentsprechenden, auf eine Vermittlung gerichteten Tätigkeit nicht als erfolgreich iS des § 8 Abs 2 IMV anzusehen ist, nur dann eine Provision oder Vergütung vorsehen, wenn einer der dort - taxativ aufgezählten - Fälle (SZ 55/11; MietSlg 37.710, 46.582 ua) vorliegt. Die von der Klägerin herangezogene Vertragsklausel fällt jedoch unter keinen der Tatbestände des § 9 IMV. Sie ist daher gesetzwidrig iS des § 879 Abs 1 ABGB, da auch eine Verordnung Gesetz im materiellen Sinn ist (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 19 zu § 879). Nach dem offenkundigen Normzweck des § 9 IMV - nämlich dem Kundenschutz (SZ 55/111; MietSlg 35.717, 42.479 uva; Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht 579) - bewirkt ein Verstoß dagegen Nichtigkeit, zumindest relative Nichtigkeit zugunsten des geschützten Kunden (Jabornegg aaO 580 und 589; MietSlg 35.717, 37.708).

Auf einen Handelsbrauch kann sich die Klägerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er nicht mit dem in der Revision (S. 233) wiedergebenen Inhalt festgestellt wurde. Das Erstgericht hat im Einklang mit dem Gutachten (S. 67) nur festgestellt, daß es brachenüblich sei, daß Vollkaufleute nach Erhalt eines Anbotes über eine ihnen schon bekannte Immobilie diese Kenntnis und bestimmte damit in Verbindung stehende Umstände dem Vermittler sofort schriftlich mitteilen; daß aber bei Nichteinhaltung dieser Vorgangsweise eine Provisionspflicht entstünde, wurde nicht festgestellt. Es braucht daher nicht auf die Frage eingegangen zu werden, ob ein solcher Handelsbrauch, der gegen § 9 IMV verstieße, überhaupt beachtlich wäre.

Die IMV enthält nicht nur Standesrecht der Immobilienmakler, sondern auch Konsumentenschutz- bestimmungen, auf die sich wegen ihrer allgemeinen Geltung alle Kunden - also auch Unternehmer - berufen können (Jabornegg aaO 579). Der Oberste Gerichtshof sprach daher schon in MietSlg 37.708 zutreffend vom "Kundenschutzcharakter" einer Norm der IMV. Da § 9 IMV nicht unterscheidet, gilt die Beschränkung auf die dort aufgezählten Vereinbarungen nicht nur dann, wenn der Vertragspartner des Vermittlers Konsument ist (vgl auch MietSlg 35.717).

Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe den Vertragsabschluß wider Treu und Glauben vereitelt, weil sie ihr nicht mitgeteilt hat, daß sie das angebotene Objekt schon kenne und darüber bereits Verhandlungen führe, verkennt sie den Tatbestand des § 9 Abs 1 Z 2 IMV völlig. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ja gerade "das im Vermittlungsauftrag bezeichnete Rechtsgeschäft" geschlossen, also nicht vereitelt; der Klägerin steht aber deshalb keine Provision zu, weil ihre Tätigkeit für den Abschluß nicht kausal und verdienstlich war.

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