OGH 13Os151/96 (13Os152/96)

OGH13Os151/96 (13Os152/96)6.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer

als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef B***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Stockerau vom 28. September 1995, GZ U 142/91-31, sowie gegen den Vorgang, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 8a E Vr 3306/95 von seinem Beschluß gemäß § 494a Abs 6 StPO das Bezirksgericht Stockerau nicht unverzüglich verständigte, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1.) der Vorgang, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 20. Juni 1995, GZ 8 a E Vr 3306/95-12, (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der Probezeit zu der dem Josef B***** mit Urteil des Bezirksgerichtes Stockerau vom 13. April 1992, GZ U 142/91-24, gemäß § 43 Abs 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich das genannte Bezirksgericht verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 7 StPO;

2.) der Beschluß des Bezirksgerichtes Stockerau vom 28. September 1995, GZ U 142/91-31, mit dem die im Urteil vom 13. April 1992 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu 1.) genannten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Stockerau vom 13. April 1992, GZ U 142/91-24, wurde Josef B***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit - gemäß §§ 488 Z 7, 458 Abs 2 und Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. Juni 1995, GZ 8 a E Vr 3306/95-12, wurde Josef B***** der am 23. Jänner 1995 (sohin in der Probezeit) begangenen Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB sowie der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zugleich faßte das Gericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß auf Absehen vom Widerruf der mit dem erstbezeichneten Urteil gewährten bedingten Strafnachsicht und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.

Die in § 494 a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Bezirksgerichtes Stockerau von der Verlängerung der Probezeit ist unterblieben. Der Einzelrichter verfügte vielmehr am 12. Juli 1995 die Verständigung des Bezirksgerichtes Stockerau, welche erst am 9. Oktober 1995 von der Geschäftsabteilung abgefertigt wurde und sodann am 11. Oktober 1995 beim Bezirksgericht Stockerau einlangte.

Inzwischen hatte das Bezirksgericht Stockerau - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - mit rechtskräftigem Beschluß vom 28. September 1995, GZ U 142/91-31, in Unkenntnis der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit und damit noch vor deren Ablauf festgestellt, daß die über Josef B***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen ist.

Dieser Beschluß steht, wie der Generalprokurator mit der deshalb gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Denn die Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht setzt voraus, daß die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber zum Zeitpunkt der Beschlußfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) noch nicht gegeben.

Diese Gesetzesverletzung war durch die ihrerseits gesetzwidrige Säumnis des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bedingt, das entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs 7 StPO dem hievon betroffenen Bezirksgericht Stockerau nicht sogleich seine Entscheidung auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bekanntgegeben hat. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Verständigungspflicht soll nämlich sicherstellen, daß das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine vorzeitige Entscheidungskompetenz in Anspruch nimmt. Dieser Zweck kann aber nur erreicht werden, wenn die Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung (ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft) vorgenommen wird (12 Os 190,191/94 ua). Die Dringlichkeit der Weitergabe der Information war im vorliegenden Fall überdies dadurch besonders indiziert, daß die Probezeit bereits abgelaufen und daher eine baldige Entscheidung des Bezirksgerichtes Stockerau über die endgültige Strafnachsicht zu gewärtigen war. Um eine Verzögerung bei der Ausfertigung der Verständigung hintanzuhalten, wäre der Einzelrichter überdies verpflichtet gewesen, der Geschäftsabteilung eine besondere Weisung für die vordringliche Behandlung seiner Verständigungsanordnung etwa in Form eines Dringlichkeitsvermerks zu geben (§ 128 Abs 1 Geo).

Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien und die dadurch bewirkte (gesetzwidrige) endgültige Strafnachsicht durch das Bezirksgericht Stockerau noch vor Ablauf der - verlängerten - Probezeit zum Vorteil des Verurteilten ausgewirkt haben, muß es insoweit - anders als bei Vorliegen von begrifflich miteinander völlig unvereinbaren Entscheidungen - mit der Feststellung der Gesetzesverletzungen sein Bewenden haben (12 Os 190,191/94 uva).

Somit bleibt der Beschluß des Bezirksgerichtes Stockerau vom 28. September 1995, mit dem die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe festgestellt wurde, rechtswirksam. Dem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auf Verlängerung der Probezeit ist damit allerdings (nachträglich) der Boden entzogen worden. Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird es obliegen, das Strafregisteramt davon in Kenntnis zu setzen, daß die Verlängerung der Probezeit zufolge der zwischenzeitig (wenn auch irrtümlich) ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gegenstandslos ist.

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