OGH 2Ob35/94

OGH2Ob35/9431.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin M*, vertreten durch Dr.Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagten Parteien 1. Firma M* und S*, 2. Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, * beide vertreten durch Dr.Helmut Schmidt ua Rechtsanwälte in Wr.Neustadt, wegen S 273.068,‑- sA und Feststellung, infolge I. der Revisionen beider Parteien gegen das Teilurteil und II. des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß je des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.Jänner 1994, GZ 15 R 248/93‑15, womit das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 1.September 1993, GZ 23 Cg 113/93p‑10, teils abgeändert, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:E43566

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

II. den

Beschluß

gefaßt:

Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 16.8.1990 ereignete sich um 17,50 Uhr auf der Bundesstraße 210 in M* ein Verkehrsunfall, an welchem der Kläger als Lenker seines von ihm gehaltenen Motorfahrrades Puch M 50, Kennzeichen *, und Senol Y* als Lenker des von der erstbeklagten Partei gehaltenen und in deren Eigentum stehenden LKW‑Zuges (Zugfahrzeug DAF Fa 2300, behördliches Kennzeichen *; Anhänger Fara Taw 16, Kennzeichen *) beteiligt waren. Die zweitbeklagte Partei nimmt die haftpflichtversicherungsrechtlichen Belange für den genannten LKW‑Zug in Österreich wahr.

Senol Y* lenkte den LKW‑Zug von A* in Richtung M*. Bei der Abfahrt von der Autobahn hatte er ein für die Bundesstraße 210 geltendes Fahrverbot für LKW über 7,5 t übersehen und wollte deshalb umkehren. Er führte dann auf der Höhe des Gasthauses in M* ein Umkehrmanöver durch. Die Straße war dort 7 m breit und verlief in (der ursprünglichen) Fahrtrichtung des LKW‑Zuges in einer übersichtlichen Rechtskurve. Rechts ‑ in derselben Fahrtrichtung gesehen ‑ schloß an den Fahrbahnrand ein 3 m breiter und 35 m langer Bushaltestellenbereich an. Diesem gegenüber ‑ jenseits des linken Fahrbahnrandes ‑ befand sich ein Gasthausparkplatz mit einer Tiefe von 15 m und einer Länge von 35 m. Um das beabsichtigte Umkehrmanöver gefahrlos gestalten und herannahende Fahrzeuglenker entsprechend warnen zu können, stieg der Beifahrer des LKW‑Zuges aus dem Führerhaus aus und wies den Lenker ein. Dabei machte er auch herannahende PKW‑Lenker auf das Umkehrmanöver aufmerksam. Wegen der Länge des LKW‑Zuges konnte Senol Y* nicht in einem Zug umkehren. Er mußte vielmehr unter Benützung des beschriebenen Parkplatzes und der Bundesstraße 210 mehrmals reversieren. Als er dadurch das Zugfahrzeug in eine Position gebracht hatte, welche ihm eine Weiterfahrt zurück nach A* erlaubte, bildeten das Zugfahrzeug und der Anhänger ungefähr einen rechten Winkel. Dabei stand der Anhänger nicht nur quer über die Fahrbahnhälfte (in Richtung A*), sondern seine linke hintere Ecke überragte die Fahrbahnmitte noch um rund 40 cm. Im Zeitpunkt des von Senol Y* vorgenommenen Umkehrmanövers herrschte Tageslicht. Durch die tiefstehende Sonne entstand eine starke Lichtschattenbildung für den Verkehr in Richtung A* (für den Kläger). Der Kläger lenkte sein Motorfahrrad in Richtung A*. Er hatte zwar aus einer Entfernung von 60 m ungehinderte Sicht auf die Mitte des Parkplatztrichters, also auf jene Position, in der sich das linke hintere Eck des Anhängers des LKW‑Zugs im Unfallszeitpunkt befand. Am rechten Fahrbahnrand zu Beginn des Parkplatzes angehaltene Fahrzeuge konnten diese Sicht infolge des Kurvenverlaufs (Linkskurve in Fahrtrichtung des Klägers) nicht beeinträchtigen. Durch den Sonnenstand war allerdings eine Blendwirkung gegeben, die aber nicht so stark war, daß ein allfälliges Hindernis auf der Fahrbahn nicht hätte erkannt werden können. Infolge der starken Lichtschattenbildung nahm der Kläger jedoch den quer über seine Fahrbahnhälfte stehenden LKW‑Anhänger erst so spät wahr, daß er nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte und gegen die linke hintere Anhängerecke stieß. Dabei erlitt er einen offenen Bruch des rechten Ellbogens sowie Wunden im Bereich des rechten Unterarms und des Fersenbeins. Er befand sich vom 16.8. bis zum 27.8.1990 wegen der beim Unfall erlittenen Verletzungen in stationärer Behandlung des UKH Meidling. Im Gesundheitszustand des Klägers verblieben unfallskausale Dauerfolgen. Wegen des beim Unfall unbrauchbar gewordenen neuwertigen Sturzhelms erlitt der Kläger einen Schaden von S 1.000,‑‑; für insgesamt 35 Fahrten zur Nachbehandlung im UKH‑Meidling wurde ein Betrag von S 10.920,‑- aufgewendet.

Der Kläger begehrt den Zuspruch von S 273.068,‑- sA (S 250.000,‑- Schmerzengeld; S 11.148,‑- Fahrzeugschaden, sowie S 1.000,‑- für den beschädigten Sturzhelm und S 10.920,‑- für Behandlungsfahrten) sowie die Feststellung, "daß die beklagten Parteien das Alleinverschulden an dem Unfall vom 16.8.1990 in M*" treffe. In der Klage brachte er zum "Feststellungsbegehren" vor, durch das verletzungsbedingte Streckdefizit des rechten Armes bestehe bei ihm eine bleibende Invalidität im Ausmaß von 20 %, außerdem sei das Gelenk wetterfühlig geblieben, das unten gestellte Feststellungsbegehren sei infolge der noch immer bestehenden Unfallsfolgen notwendig. Das Alleinverschulden treffe den Lenker des LKW‑Zuges, den ursprünglich Erstbeklagten, gegen den die Klage mit Zustimmung der beklagten Parteien ohne Anspruchsverzicht zurückgezogen wurde.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil den Kläger das Alleinverschulden am vorliegenden Verkehrsunfall treffe. Das vom Lenker des LKW‑Zuges unter Verwendung des Mitfahrers als Einweiser durchgeführte Umkehrmanöver sei im Zeitpunkt des Anstoßes des Klägers an den LKW‑Anhänger bereits beendet gewesen. Der Kläger habe den LKW‑Zug aus eigener Unaufmerksamkeit übersehen. Das Schmerzengeld‑ und das Reparaturkostenbegehren seien überhöht, der für den Sturzhelm begehrte Betrag von S 1.000,‑- und die Fahrtkosten von S 10.920,‑- würden der Höhe nach ebenso außer Streit gestellt wie die Berechtigung des Feststellungsbegehrens für den Fall einer Haftung der beklagten Parteien.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren aufgrund folgender weiterer Feststellungen und rechtlicher Erwägungen ab:

Der Kläger habe sich vorerst den beiden, in die rechte Fahrbahnhälfte hineinragenden Bussen, die vor dem Umkehrmanöver des LKW‑Zuges angehalten hatten, mit etwa 40 km/h genähert. Dabei lenkte er sein Moped bis nahe an die Fahrbahnmitte, um an diesen Bussen vorbeifahren zu können. Im selben Zeitpunkt sei der LKW‑Zug bereits in Bewegung gesetzt und etwa 1 m nach vorne gefahren, als sich die Kollision ereignet habe. Im Kontaktzeitpunkt habe sich das linke hintere Eck des Anhängers des LKW‑Zuges nahezu in Fahrbahnmitte befunden bzw diese noch geringfügig überragt. Der Kläger habe bei der Vorbeifahrt an den Autobussen diesen seine Aufmerksamkeit zugewandt, was offenkundig der Grund gewesen sein dürfte, weshalb er den auf der Fahrbahn stehenden LKW‑Anhänger zu spät wahrgenommen habe.

Das vom Lenker des LKW‑Zuges übertretene Fahrverbot für LKW über 7,5 t stehe aufgrund seines Schutzzweckes, nämlich den Schwerverkehr aus dem Fremdenverkehrsgebiet im Bereich von Baden (Helenental) fernzuhalten, nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem vorliegenden Unfall. Ebensowenig aber treffe dies auf die Übertretung des Umkehrverbotes des § 14 As 2 lit d StVO zu, weil das Umkehrmanöver im Zeitpunkt des vorliegenden Unfalls bereits abgeschlossen gewesen sei. Vielmehr hätte der Kläger auf das im konkreten Fall vorhandene Hindernis (LKW‑Zug) wie auf jedes andere auf der Fahrbahn befindliche sichtbare Hindernis rechtzeitig reagieren können und müssen, zumal er bei entsprechender Aufmerksamkeit sein Fahrzeug durch eine leichte Betriebsbremsung kollisionsfrei zum Stillstand hätte bringen können.

Das Gericht zweiter Instanz entschied infolge Berufung des Klägers dahin, daß es unter Annahme einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 mit Teilurteil dem Kläger die Hälfte der der Höhe nach außer Streit stehenden Ansprüche zuerkannte, seinem ‑ einer klareren und deutlicheren Fassung unterzogenen ‑ Feststellungsbegehren zur Hälfte stattgab und das jeweilige Mehrbegehren abwies und im übrigen die erstinstanzliche Entscheidung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über die weiteren bestrittenen Klagsansprüche aufhob. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, zum Aufhebungsbeschluß faßte es keinen Zulassungsausspruch. Es übernahm im wesentlichen die erstinstanzlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und ging von folgenden rechtlichen Erwägungen aus:

Gemäß § 14 Abs 1 StVO dürfe der Lenker eines Fahrzeuges mit diesem nur umkehren, wenn dadurch andere Straßenbenützer weder gefährdet noch behindert werden. Das Umkehren sei stets ein gefährliches Manöver und erfordere äußerste Sorgfalt. Dabei sei es schon dann verboten, wenn auch nur die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer gegeben sei. Könne der Lenker eines Fahrzeuges seine Umkehrabsicht ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer nicht verwirklichen, so habe er diese aufzugeben. Eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 14 Abs 1 StVO liege aber schon dann vor, wenn diese zum Bremsen oder Auslenken veranlaßt werden. Gehe man von den konkreten Verhältnissen der Unfallsstelle und dem verhältnismäßig langen Zeitraum aus, der für das im vorliegenden Fall zu beurteilende Umkehrmanöver benötigt worden sei, so habe der Lenker des LKW‑Zuges auf der von ihm befahrenen Bundesstraße 210 nicht damit rechnen dürfen, er werde seine Umkehrabsicht ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer verwirklichen können. In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß die Verkehrsunfallsanzeige vom 30.10.1990 "regen Reiseverkehr auf der B 210" festgestellt habe. Der Lenker des LKW‑Zuges hätte also seine Umkehrabsicht aufgeben müssen, da diese an der nachmaligen Unfallsstelle jedenfalls nicht ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer ausführbar gewesen sei. Dabei sei es das geringere Übel gewesen, angesichts des Verstoßes gegen ein Fahrverbot für LKW über 7,5 t noch bis zu einer Straßenstelle weiterzufahren, die ein für andere Verkehrsteilnehmer ungefährliches Umkehrmanöver erlaubt hätte. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei allerdings das Umkehrmanöver im Unfallszeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Umkehrmanöver und dem vorliegenden Verkehrsunfall könne nicht verneint werden. Immerhin sei im Zeitpunkt der Kollision der LKW‑Anhänger in der letzten Phase des Umkehrmanövers noch immer ungefähr im rechten Winkel zur Fahrbahnlängsachse (gemeint und den Feststellungen entsprechend wohl: zum Zugfahrzeug) bei Blockierung der gesamten vom Kläger in Annäherung an die Unfallsstelle einzuhaltenden Fahrbahnhälfte gestanden. Die Verletzung des § 14 Abs 1 StVO sei daher nicht nur kausal für den Unfall gewesen, sondern stehe auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem eingetretenen Schaden. Der Schutzzweck der verletzten Norm habe nämlich gerade auch die Vermeidung von Verkehrsunfällen der vorliegenden Art zum Gegenstand. Dem Kläger hingegen sei eine Verletzung des § 20 Abs 1 StVO anzulasten, weil er seine Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung seines eigenen Aufmerksamkeitsgrades angepaßt habe. Eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 erscheine angemessen, wenn man berücksichtige, daß der Kläger eine Kollision bereits durch eine leichte Betriebsbremsung vermeiden hätte können. Nach der Rechtsprechung sei ein Feststellungsbegehren wie das vom Kläger gestellte (bloße Feststellung des Alleinverschuldens des Unfallsgegners) nicht durchsetzbar. Bei dem Feststellungsbegehren laut vorliegender Klage handle es sich aber in Wahrheit um ein bloßes Vergreifen in der Formulierung. In einem solchen Fall sei es Aufgabe des Gerichtes, dem Klagebegehren eine klarere und deutlichere Fassung zu geben, sofern sich diese mit dem Wesen des Begehrens decke, was auch für das Feststellungsbegehren anerkannt sei. Daher sei die Ersatzpflicht der Beklagten zur ungeteilten Hand für künftige Schäden des Klägers zu 50 %, hinsichtlich der zweitbeklagten Partei begrenzt durch die sich aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis ergebende Deckungssumme, auszusprechen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

I. Die gegen die urteilsmäßige Erledigung der Vorinstanz gerichteten Revisionen beider Parteien sind nicht berechtigt:

Soweit die beklagten Parteien die Abweisung des gesamten "Feststellungsbegehrens" ‑ unabhängig von der Beurteilung des Verschuldens der beteiligten Fahrzeuglenker ‑ anstreben, ist ihnen mit dem Berufungsgericht zu erwidern, daß dem Kläger im vorliegenden Verfahren nach dem Inhalt der Klage, in welcher unter ausführlicher Darstellung der beim Kläger aufgrund des Unfalls verbliebenen Dauerfolgen auf die Notwendigkeit eines Feststellungsbegehrens hingewiesen wird, bei der Formulierung desselben ("es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien (ursprünglich war auch der LKW‑Zug‑Lenker mitbeklagt) das Alleinverschulden an dem Unfall der klagenden Partei am 16.8.1990 in M* trifft") ein Versehen unterlief, weil er in Wahrheit die Feststellung der vollen ("Alleinverschulden") Haftung der beklagten Parteien für die Unfallsfolgen anstrebte. Ist aber aus der Klage einwandfrei und bestimmt erkennbar, wie das Klagebegehren lauten sollte, so darf das Gericht ‑ auch in höherer Instanz ‑ dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere Fassung geben, dabei allerdings weder ein aliud noch ein plus zusprechen (Ertl in ZVR 1993, 33 ff, 36 mwN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1448 mwN). Das vom Kläger gestellte "Feststellungsbegehren" wurde sowohl vom Erstgericht (siehe Ersturteil S.2), als auch von den beklagten Parteien (in der Klagebeantwortung ON 2 S.4) in der vom Berufungsgericht verdeutlichten Fassung verstanden. Dieses hat allerdings auch zutreffend die ‑ gegenüber dem gestellten umfassenden Feststellungsbegehren gegen die zweitbeklagte Partei ein minus darstellende ‑ Einschränkung der Haftung auf den Höchstbetrag der Deckungssumme für das bestehende Haftpflichtversicherungsverhältnis ausgesprochen. Der erkennende Senat sieht sich auch unter Bedachtnahme auf die ein Feststellungsbegehren auf "Feststellung des ... Verschuldens" ablehnende Rechtsprechung (ZVR 1966/343; SZ 42/172 uva) hier nicht veranlaßt, diesen Entscheidungen zu folgen, weil im vorliegenden Fall klar erkennbar war, welches Feststellungsbegehren der Kläger hier stellen wollte.

Beide Revisionen liegen aber auch mit ihren auf das jeweilige Alleinverschulden des Unfallsgegners abzielenden rechtlichen Argumenten gegen die von der Vorinstanz vorgenommene Verschuldensteilung unrichtig: Soweit die beklagten Parteien den vorliegenden Verkehrsunfall überhaupt nicht als ein Problem des § 14 StVO, sondern in Anlehnung an die Entscheidung des 11.Senates vom 18.6.1991, 11 Os 55, 56/91 (= ZVR 1992/49 = RZ 1992/55) als Linksabbiege‑ und/oder Vorrangproblem betrachten, ist ihnen aus dem maßgeblichen Sachverhalt entgegenzuhalten, daß hier nicht festgestellt wurde und nach der Beurteilungsgrundlage der Tatsacheninstanzen auch nicht angenommen werden kann, daß der LKW‑Zug im Zuge des gesamten "Umkehrmanövers", welches aus mehreren Teilabschnitten mit Vorwärts‑ und Rückwärtsbewegungen bestand und einen geraumen Zeitraum in Anspruch nahm, die Fahrbahn der B 210 irgendeinmal zur Gänze verlassen hat, sodaß im Sinne der Rechtsprechung in der Tat nur von einem Umkehren im Sinne des § 14 StVO auszugehen ist (ZVR 1978/8 ua). Somit war nur zu prüfen, ob das Umkehrmanöver des Lenkers des LKW‑Zuges an der Unfallsstelle zulässig war (§ 14 Abs 1 StVO) oder doch zumindest ohne Gefährdung des Klägers durchgeführt und abgeschlossen wurde. Dies hat das Gericht zweiter Instanz hier zutreffend verneint: Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß das Umkehren ‑ insbesondere mit zweispurigen Kraftfahrzeugen oder gar LKW‑Zügen ‑ stets ein gefährliches, äußerste Sorgfalt erforderndes Fahrmanöver darstellt, dessen Beabsichtigung von anderen Verkehrsteilnehmern nicht schon allein aufgrund der Betätigung des Blinkers oder der Warnblinkanlage oder eines bestimmten Einordnens erkannt werden kann und bei auch nur möglicher Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer zu unterlassen oder aufzugeben ist (ZVR 1983/74 und 241; 1980/268; 1976/62 uva). Blockiert ein LKW‑Zug geraume Zeit die gesamte Fahrbahn einer ‑ wie hier vom Berufungsgericht aus der Verkehrsunfallsanzeige wiedergegeben wurde ‑ regen Reiseverkehr (16.August, 17 Uhr 50, Schönwetter) aufweisenden Bundesstraße, so muß wohl das hier vorgenommene Umkehrmanöver des Lenkers des LKW‑Zuges trotz Verwendung eines Einweisers als gefährlich und daher gemäß § 14 Abs 1 StVO verboten angesehen werden, weil immer mit Verkehr aus beiden Richtungen zu rechnen war und solcher auch bereits im konkreten Fall zum Stillstand gebracht wurde. Gerade einspurige (Kraft‑)Fahrzeuge, die den verbleibenden Raum in einem solchen Fall eher nützen (können), kommen ‑ wie im vorliegenden Fall der Kläger ‑ ungeachtet einiger bereits wartender Kraftfahrzeuge insbesondere bei eigener unaufmerksamer Fahrweise in die Gefahr, von dem Umkehrmanöver gefährdet oder gar betroffen zu werden. Der Vorinstanz ist auch darin beizupflichten, daß das Umkehrmanöver des LKW‑Zuges im Unfallszeitpunkt noch nicht beendet war. Selbst wenn es nämlich zutreffen sollte, daß im Zeitpunkt des Zusammenstoßes der LKW‑Zug von seiner letzten Stillstandsposition, in welcher der Beifahrer wieder in das Führerhaus zustieg, bereits etwa 1 m vorwärtsbewegt wurde (so die erstrichterliche Feststellung, die vom Berufungsgericht ausdrücklich nicht übernommen wurde), so waren die für den Kläger unfallsauslösenden Gefahrenmomente bereits vorher gesetzt und im konkreten Unfall zum Tragen gekommen. Nach den vorliegenden Feststellungen war nämlich der LKW‑Zug ‑ selbst bei Zurücklegen eines Meters ‑ im Kontaktzeitpunkt noch immer so situiert, daß das linke Heck des Anhängers bis in oder über die Fahrbahnmitte ragte und zwischen Zugfahrzeug und Anhänger ein nahezu rechter Winkel gebildet wurde, der noch eine Beendigung des Umkehrmanövers zur Geradeausfahrt notwendig machte. Damit war aber die durch das Umkehrmanöver geschaffene Gefahrenlage noch nicht aufgehoben. Der Verstoß des LKW‑Lenkers gegen § 14 Abs 1 StVO steht somit auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem "Auffahrunfall" des Klägers, weil gerade solche Unfälle durch dieses Verbot verhindert werden sollen.

Der Revision des Klägers ist allerdings zu entgegnen, daß angesichts der festgestellten Sichtverhältnisse und der im Zuge seiner Annäherung an die Unfallsstelle bestehenden, von ihm allerdings ungenutzten Sichtmöglichkeiten auf den LKW‑Zug seinem Aufmerksamkeitsfehler ebenfalls entscheidendes Gewicht am Zustandekommen des vorliegenden Verkehrsunfalles beizumessen ist, zumal er bei gehöriger Aufmerksamkeit durch eine leichte Betriebsbremsung sein Fahrzeug unfallsfrei hätte anhalten können. In der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 ist kein Rechtsirrtum zu erkennen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

II. Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß ist mangels eines Zulassungsausspruchs im Sinne des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ungeachtet des Umstandes jedenfalls unanfechtbar, daß das Revisionsgericht bei der Erledigung der Revisionen auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung zu überprüfen hatte. Hätte sich nämlich dabei eine Änderung ergeben, so wäre das Erstgericht im Sinne der Entscheidung des erkennenden Senates ZVR 1996/37 (= EvBl 1995/170) nicht an die entsprechende Beurteilung des Berufungsgerichtes, sondern an jene des Obersten Gerichtshofes gebunden gewesen. Der Rekurs des Klägers ist daher zurückzuweisen.

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