OGH 4Ob2273/96k

OGH4Ob2273/96k29.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika G*****, vertreten durch Dr.Christian Slana und Dr.Günther Tews, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Günter G*****, vertreten durch Dr.Eduard Saxinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Übergabe eines Bestandgegenstandes (Streitwert nach RATG S 172.831,44), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 24. Juni 1996, GZ 1 R 28/96b-40, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Grünburg vom 12. Dezember 1995, GZ C 91/92 k-33, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 7.612,20 (darin S 1.268,70 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Mietvertrag vom 31.3.1977 mietete der Beklagte vom Rechtsvorgänger der Klägerin ein vor dem 31.12.1967 errichtetes, bisher als Lichtspieltheater genutztes Objekt zum Betrieb eines Verbrauchermarktes. Der Mietvertrag sah die Errichtung eines Zubaues unter gleichzeitiger Umgestaltung des bestehenden Baukörpers vor. Das Mietverhältnis begann am 1.5.1977 und wurde auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen. Es sollte am 30.4.1992 enden, ohne daß es einer Kündigung bedürfe.

Unter Berufung auf diese Befristung begehrte die Klägerin die Erlassung eines Auftrages zur Übergabe des Bestandgegenstandes. Gegen den daraufhin erlassenen Übergabsauftrag erhob der Beklagte Einwendungen und vertrat die Auffassung, § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG sei nicht anwendbar, da der Bestandgegenstand nicht nach dem 31.12.1967 errichtet worden sei.

Im nunmehr zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht den Übergabsauftrag als wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es verwies auf die im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellungen und stellte - ohne diese zu wiederholen - ergänzend fest, eine Vermietung ohne gleichzeitige bauliche Maßnahme sei nicht möglich gewesen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG komme es darauf an, ob der Mietgegenstand nach dem 31.12.1967 ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichtet wurde. Dies sei hier der Fall.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Begriff der Neuschaffung eines Mietgegenstandes sei streng auszulegen. Auf diese Ausnahmebestimmung könne sich nur derjenige berufen, der dort, wo vorher kein vermietbarer Raum bestanden habe, vermietbaren Raum neu schaffe. Dieser Beweis sei der Klägerin nicht gelungen. Die bloße Instandsetzung eines unbenutzbar gewordenen Wohn- oder Geschäftsraumes reiche hiefür genausowenig aus, wie die Umwandlung vorhandener, wenn auch schlecht ausgestatteter Wohn- oder Geschäftsräume in gut ausgestattete. Es komme daher nicht darauf an, ob eine Vermietung für Zwecke des Betriebes eines Kinos oder eines Verbrauchermarktes möglich gewesen sei, sondern darauf, ob die Möglichkeit einer Vermietung überhaupt bestanden habe. Dies sei für den Altbestand zu bejahen, sodaß für diesen Teil die Ausnahmebestimmung nicht zum Tragen komme. Da jedoch infolge Einbeziehung des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG nicht unterliegenden Altbestandes in einen neu errichteten Zubau ein einheitlicher Bestandgegenstand gebildet worden sei, komme es für die Anwendung der genannten Ausnahmebestimmung darauf an, ob die Bedeutung des Zubaues im Sinn von relevantem Gewinn neuen Raumes jene des Altbestandes entscheidend überwiege. Das Erstgericht habe die für eine abschließende Beurteilung erforderlichen Feststellungen über die konkret vorgenommenen Baumaßnahmen, den Aufwand hiefür und die funktionelle Stellung der einzelnen Bauelemente im Gesamtgefüge des einheitlichen Bestandobjekts nicht getroffen, sodaß die Aufhebung und Rückverweisung erforderlich sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil zur Frage, unter welchen Voraussetzungen auf einen neu gebildeten einheitlichen Bestandgegenstand § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG anzuwenden sei, auf den teilweise diese Ausnahmebestimmung anzuwenden und teilweise nicht anzuwenden sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu einem vergleichbaren Sachverhalt besteht. Er ist hingegen nicht berechtigt.

Die Auflösung eines Mietvertrages durch Zeitablauf nach dem auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden, § 1 Abs 3 Z 1 MG nachgebildeten § 29 Abs 1 Z 3a MRG (Würth/Zingher Miet- und Wohnrecht19, Rz 15 zu § 29; MietSlg XXXIX/19; JBl 1995, 376) setzt unter anderem voraus, daß der Mietgegenstand nach dem 31.12.1967 errichtet wurde. Die EB zur RV des MRG (425 BlgNR 15.GP 42) weisen darauf hin, daß durch § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG die Sonderregelung des § 1 Abs 3 Z 1 MG beibehalten werden soll. Zur Auslegung des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG kann daher auf die zu § 1 Abs 3 Z 1 MG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Der Begriff der Errichtung im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG ist somit gleichzusetzen der "Neuschaffung" eines Mietgegenstandes im Sinn des § 1 Abs 3 Z 1 MG durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau. Sie deckt sich auch mit dem Begriff der "Neuschaffung" im Sinn des § 16 Abs 1 Z 2 MRG (vgl Würth/Zingher aaO Rz 11 zu § 29 und Rz 11 zu § 16 MRG; MietSlg XXXVII/5; WoBl 1992, 128; vgl auch Würth in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 29 MRG, welcher "errichtet" gleichfalls im Sinn von "neugeschaffen" versteht und auf die zu § 16 Abs 1 Z 2 MRG ergangene Rechtsprechung verweist).

Der Oberste Gerichtshof legt den Begriff "Neuschaffung" von Bestandräumlichkeiten streng aus. Es müssen durch bauliche Maßnahmen (zB Auf- oder Zubauten) Räume (Mietgegenstände) gewonnen werden, die bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen (MietSlg 34.376; 41.438; Würth in Rummel Rz 10 zu § 16 MRG) oder zur Verwendung als Wohn- oder Geschäftsräume nicht geeignet waren (MietSlg XXXII/5; Würth/Zingher aaO Rz 11 zu § 16 mwN); darunter fällt zB der Ausbau eines Dachbodens, soweit er bisher nicht zu Wohn- oder Geschäftszwecken benutzt wurde oder eine völlige Umgestaltung des Inneren eines Gebäudes, verbunden mit Niederreißen und Neuherstellen der Baulichkeit (SZ 49/72; MietSlg 30.273, 33.263; 35.497). Die Zusammenlegung dreier Mietobjekte und zweier Gang-WCs zu einer neuen Wohnung wurde jedoch nicht als Neuschaffung eines Mietgegenstandes angesehen (MietSlg XXXVII/5), ebensowenig die bloße Adaptierung vorhandener, schlecht ausgestalteter Räume oder die Neuschaffung von Nebenräumen (MietSlg XXXVII/5). So wurde auch der mit beträchtlichem Kostenaufwand durchgeführte Umbau einer Scheune in eine Reparaturwerkstätte nicht als Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinn des § 1 Abs 4 Z 1 MRG angesehen (WoBl 1995, 18), die in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommende Ansicht ist mit Rücksicht darauf, daß das gegenständliche Mietobjekt mit dem Gesamtgebäude ident ist, auch hier zu berücksichtigen).

Im gegenständlichen Fall liegt ein einheitliches Mietverhältnis über einen Bestandgegenstand vor, der durch Umbauten und Adaptierungen des vor dem 31.12.1967 errichteten Altbestandes und durch Zubau eines Gebäudeteiles geschaffen wurde. Angesichts dieses einheitlichen Bestandgegenstandes ist die Anwendbarkeit des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG nicht für Alt- und Neubau getrennt, sondern für das gesamte Bauvorhaben einheitlich zu beurteilen. Die Frage, ob dieser Mietgegenstand im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung 1977 "neu errichtet" wurde, hängt nicht davon ab, ob eine neue funktionale Einheit geschaffen wurde. Entscheidend ist vielmehr, ob durch die baulichen Maßnahmen (Um- und Zubauten) in ihrer Gesamtheit bisher nicht zur Verfügung stehende Räume in einem in Relation zum Altbestand weitaus überwiegenden Ausmaß neu entstanden (vgl 4 Ob 549/83 = richtig MietSlg 35.497). So wäre eine Neuerrichtung des Mietgegenstandes etwa dann zu bejahen, wenn lediglich geringfügige "alte" Gebäudeteile (= "Nebenbestandteile"), denen unter dem Aspekt der Vermietbarkeit keine selbständige Bedeutung zukommt, einbezogen wurden (4 Ob 549/83, tw veröffentlicht in MietSlg 35.497; 5 Ob 2033/96y = Jus Extra OGHZ-2020).

Bestand jedoch das Mietobjekt zu einem nicht bloß geringfügigen Teil bereits vor dem 31.12.1967, so ist eine Neuerrichtung im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG zu verneinen.

Wie das Berufungsgericht zu Recht erkannte, reicht der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung dieser hier entscheidungswesentlichen Fragen nicht aus. Unbestritten blieb zwar, daß Teile des Altbestandes nach Umbauarbeiten in das Mietobjekt einbezogen wurden, die Vorinstanzen haben jedoch keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung der Art und des Ausmaßes der vorgenommenen Um- und Zubauten zulassen.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Umbauarbeiten im einzelnen im Bereich des Altbestandes durchgeführt wurden, welche Teile des Altbestandes nach den Umbau- bzw Adaptierungsarbeiten Weiterverwendung fanden, wofür sie verwendet werden, welches Ausmaß diese Teile im Verhältnis zum gesamten Mietgegenstand haben, welche Teile des Mietgegenstandes 1977 neu zugebaut wurden, welche Fläche diese in Relation zum gesamten Mietobjekt haben und wie sie genutzt werden.

Die vom Berufungsgericht angeordnete Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung beruht daher auf einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung. Dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§, 41, 50 ZPO.

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