Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Siegfried H***** des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB (1), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (2), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (3), und des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (4) sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (5) schuldig erkannt.
Darnach hat er
1. im Sommer 1988 in Italien die Ulrike F*****, die schlaftrunken war und sich somit in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, zur Unzucht mißbraucht, indem er einen Finger in ihre Scheide einführte;
2. im Sommer bzw im Herbst 1989 in einem Wohnwagen auf der Hebalm sowie in Judendorf seine Schwägerin Sonja K***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur "Vornahme oder" Duldung des Beischlafes genötigt;
3. seit dem Jahre 1990 bis zum 3. November 1992 in Gratkorn die am 4. November 1978 geborene, sohin unmündige Barbara C***** in zahlreichen Angriffen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie aufforderte, seinen Penis in den Mund zu nehmen und an seinem Penis zu "masturbieren", teils an ihrer Scheide leckte, teils mit seinem Penis in ihren After einzudringen versuchte und auch einen Finger in ihre Scheide einführte;
4. in der Zeit von 1990 bis zum 3. Oktober 1992 in Gratkorn mit Barbara C*****, sohin mit einer unmündigen Person, dreimal den außerehelichen Beischlaf unternommen;
5. in der Zeit von 1990 bis Ende 1995 in Gratkorn die Barbara C*****, die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 10. Juni 1988, P 454/84, unter der Vormundschaft seiner Ehefrau Renate H***** stand, sohin eine minderjährige Person, die seiner Aufsicht unterstand, "durch das zu 3. und 4. geschilderte Verhalten" zur Unzucht mißbraucht.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil wird vom Angeklagten in den Schuldsprüchen lt den Punkten 1, 2 und 5 des Urteils mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die sich jedoch zur Gänze als unbegründet erweist.
Die Anzeige ON 2, die auch die von der Gendarmerie mit Viktor K***** zum Faktum 2 (Vergewaltigung der Sonja K*****) aufgenommene Niederschrift enthält (S 93 f), wurde in der Hauptverhandlung mit beiderseitigem Einverständnis (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) vollinhaltlich verlesen (S 295). Das Vorbringen des Viktor K***** wurde damit prozeßordnungsgemäß zum Gegenstand des Beweisverfahrens gemacht und durfte deshalb ungeachtet des Unterbleibens einer gerichtlichen Vernehmung des Genannten im Urteil verwertet werden. Von einer nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO nichtigkeitsbegründenden Verletzung des § 252 StPO kann daher ebensowenig die Rede sein wie von einem formellen Begründungsmangel (Z 5) oder einem - vom Angeklagten ersichtlich im Unterbleiben einer unmittelbaren zeugenschaftlichen Einvernahme des Viktor K***** gesehenen - Verfahrensmangel nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO, weil der Beschwerdeführer zu dessen Geltendmachung nur unter der (hier nicht gegebenen) Voraussetzung einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung legitimiert wäre.
Ein Begründungsmangel (Z 5) ist dem Erstgericht aber auch sonst nicht unterlaufen. Die Urteilsausführungen über familiäre Bindungen der Edith K*****, die bereits vor dem Untersuchungsrichter von ihrem Recht auf Zeugnisbefreiung nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO Gebrauch gemacht hat (S 197), haben ohne Bezugnahme auf Angaben dieser Zeugin vor der Gendarmerie lediglich illustrativen Charakter (US 15) und betreffen demnach ebensowenig einen entscheidungswesentlichen Umstand wie die - somit nicht erörterungsbedürftigen - Angaben der Ulrike F*****, wonach Sonja K***** auf seinerzeitiges "Begrapschtwerden" durch den Angeklagten lediglich mit Lachen reagiert und ihr auch von dem nunmehr inkriminierten Tatgeschehen nichts erzählt hätte (S 248 und 287). Ein solches Verhalten steht der Annahme einer mangelnden Bereitschaft der Sonja K***** zum Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in den vorliegenden Fällen keineswegs entgegen.
Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) versagt.
Abgesehen davon, daß sich Ulrike F***** (Faktum 1) beim Erkennen der Hand des Angeklagten nicht bloß auf deren Behaarung an sich, sondern auf eine unterscheidungstaugliche Intensität dieser Behaarung berufen hat (S 196), haben die Tatrichter auch die Möglichkeit einer Tatausführung unter Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten plausibel bejaht. Mit seinem dagegen remonstrierenden und auf die gemäß § 162 a StPO vor dem Untersuchungsrichter abgelegte Aussage des Zeugen Mario K***** hinweisenden Vorbringen kritisiert der Angeklagte der Sache nach lediglich die erstrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung, vermag aber damit keine erheblichen Bedenken gegen die entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken, zumal der Zeuge nur deshalb von Unzuchtshandlungen (1) nichts bemerkt haben will, weil er selbst geschlafen hat (S 195).
Nicht anders verhält es sich mit dem unter diesem Nichtigkeitsgrund vorgetragenen weiteren Einwand hinsichtlich des Faktums 2. Insoweit sucht der Angeklagte durch isoliertes Hervorheben von Einzelheiten aus den Bekundungen des Tatopfers Sonja K*****, durch Umdeutung der Aussage des Zeugen Martin C***** (S 79 ff, 197 ff und 293 f) und durch neuerliche Bezugnahme auf die bereits erwähnten Depositionen der Ulrike F***** die Glaubwürdigkeit der Sonja K***** in Zweifel zu ziehen und damit zu für ihn günstigeren Schlußfolgerungen zu gelangen. Auch dieses Vorbringen bietet keine sich aus den Akten ergebende Basis für erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch (2) zugrunde gelegten Tatsachensubstrates.
Ebensowenig durchzudringen vermag der Angeklagte mit seiner Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10).
Entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 9 lit a) entspricht der Schlaf- oder Halbschlaf (Schlaftrunkenheit) jedenfalls einer (tiefgreifenden) Bewußtseinsstörung im Sinne des § 205 Abs 1 und Abs 2 StGB, durch die gleich wie bei einem zum Widerstand unfähig machenden Zustand die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit aufgehoben sind (vgl insb Pallin in WK Rz 15; Foregger/Kodek StGB5 Erl II; Mayerhofer/Rieder Anm 1 a und E 3 b; Leukauf/Steininger Komm3 RN 6 mwN - jeweils zu § 205 StGB; jüngst 11 Os 78/96). Auf Grund der Urteilsfeststellungen, wonach die zunächst tief schlafende Ulrike F***** erst allmählich das Eindringen des Fingers des Angeklagten in ihre Scheide merkte und die sie berührende Hand - die Bedeutung dieses Vorganges aufgrund ihres Zustandes verkennend - vorerst für diejenige ihres damaligen Freundes Mario K***** hielt, hat das Erstgericht dieses Tatverhalten rechtsrichtig dem Tatbestand des § 205 Abs 2 StGB unterstellt.
Unter dem Gesichtspunkt eines Feststellungsmangels wendet sich der Angeklagte in Wahrheit gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung hinsichtlich der ohnehin getroffenen Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite und läßt damit eine dem Gesetz entsprechende Darstellung seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissen.
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auch insoweit, als der Angeklagte hinsichtlich des Faktums 2 Feststellungen "zur inneren Tatseite in Ansehung des Beischlafes" vermißt. Damit setzt sich der Angeklagte über die Urteilskonstatierungen hinweg, daß sich sein Vorsatz auch auf den Einsatz des gewählten Nötigungsmittels zur Überwindung eines ernst gemeinten Widerstandes des Opfers gegen die "Vornahme und" Duldung des Beischlafes bezog (US 16).
Das - von der Beschwerde nicht bestrittene - Vorliegen einer echten (ungleichartigen) Idealkonkurrenz der angenommenen Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Faktum 3) und des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (Faktum 4) unter Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (Faktum 5) für den Zeitraum von 1990 bis zum 3. Oktober 1992 bzw bis zum 3. November 1992 erfordert zur vollen strafrechtlichen Erfassung dieser Handlungsweisen deren Subsumierung unter sämtliche angeführten Strafnormen (Leukauf/Steininger Komm3 § 28 RN 3 und § 212 RN 23). Der Beschwerde zuwider erweist sich damit aber auch die "weitere Verurteilung nach § 212 Abs 1 StGB" für diesen Zeitraum als zutreffend.
Darüber hinaus ist der gesamte Tatzeitraum zum Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 212 Abs 1 StGB mit den vorangeführten Tatzeiten zu den Fakten 3 und 4 keineswegs deckungsgleich, sondern reicht vielmehr aktenkonform bis Ende 1995, weil der Schuldspruch nach § 212 Abs 1 StGB auch noch weitere gleichartige Tathandlungen zum Gegenstand hat, die an Barbara C***** erst nach Vollendung ihres 14.Lebensjahres verübt wurden und daher nicht mehr den Tatbeständen der §§ 206 Abs 1 und 207 Abs 1 StGB unterfielen. Durch den Hinweis auf die Punkte 3 und 4 des Urteils werden im Schuldspruch zu Punkt 5 demnach mit hinreichender Deutlichkeit lediglich die insoweit angenommenen Unzuchtshandlungen bloß ihrer Art nach, jedoch ohne Einschränkung auf das den betreffenden Schuldsprüchen zugrunde liegende konkrete Tatgeschehen bezeichnet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als unbegründet zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht das Zusammentreffen von drei Verbrechen mit zwei Vergehen, die zahlreichen Tatwiederholungen durch einen langen Zeitraum, den Schwachsinn der Barbara C*****, die gegenüber dem rechtlich geschützten Wert sexueller Selbstbestimmung ablehnende Einstellung des Angeklagten und die das unmündige Tatopfer entwürdigende Begehungsweise (US 9) als erschwerend; als mildernd hingegen ein Teilgeständnis und die Unbescholtenheit des Angeklagten. Es verhängte über ihn nach §§ 28 Abs 1, 206 Abs 1 StGB viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe.
Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Antrag, das Strafausmaß zu reduzieren und einen Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe weitgehend richtig und vollständig erfaßt und jedenfalls im Ergebnis zutreffend bewertet. Mit Recht wurde angesichts der wahllosen Sexualattacken des Angeklagten gegen Angehörige und diesen nahestehende Personen weiblichen Geschlechts (Schwägerin, Mündel der Ehefrau, Freundin des Sohnes) auf seine ablehnende Einstellung gegenüber dem rechtlich geschützten Wert sexueller Selbstbestimmung geschlossen. Wenngleich darin kein besonderer Erschwerungsgrund gesehen werden kann, so war doch dieser Charakermangel im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsregel des § 32 Abs 2 StGB gebührend zu berücksichtigen. Mit den als Erschwerungsgrund angeführten "zahlreichen Tatwiederholungen" bezieht sich das Schöffengericht ersichtlich vor allem auf die Verbrechen zum Nachteil der Barbara C*****, die der Angeklagte tatsächlich vielfach zur Unzucht mißbraucht hat (Faktum 3 und zeitlich darüber hinausgehend Faktum 5), und auf die dreimalige Wiederholung des Beischlafs mit dieser Unmündigen (Faktum 4). Demgegenüber kann wohl nicht mit Fug zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden, daß er die Sonja K***** "nur" zweimal vergewaltigt hat. Ebenso abwegig ist der Einwand, die zahlreichen verbrecherischen Angriffe gegen Barbara C***** seien auf Unbesonnenheit zurückzuführen. Daß der Angeklagte nicht mit Gewalt gegen dieses Tatopfer vorgegangen ist, stellt keinen Milderungsgrund dar, käme doch andernfalls die weitere Subsumtion der zu Punkt 3 und 4 des Urteilssatzes beschriebenen Taten nach §§ 201 Abs 1 oder 2 bzw 202 Abs 1 StGB in Betracht (Leukauf/Steininger Komm3 § 206 RN 13). Das fortgeschrittene Lebensalter des Angeklagten und die existientiellen Folgen seines strafbaren Verhaltens sind im gegebenen Fall gleichfalls nicht entscheidend zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, ebensowenig wie der Umstand, daß der angewendete Strafsatz lediglich durch das Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB verwirkt worden ist.
Schließlich hat es das Erstgericht verabsäumt, die Schwängerung des Vergewaltigungsopfers Sonja K***** durch den Angeklagten (US 8) als erschwerend zu werten (vgl die Erfolgsqualifikationen in §§ 205 Abs 3 und 206 Abs 2 StGB). Es bestand sohin für den Obersten Gerichtshof kein Anlaß zu einer Reduzierung des Strafausmaßes, weshalb die zudem begehrte bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe schon nach dem Gesetz (§ 43 a Abs 4 StGB) ausschied.
Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.
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