OGH 11Os78/96

OGH11Os78/966.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. August 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Metin S***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 11. März 1996, GZ 17 Vr 46/96-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten Metin S***** und des Verteidigers Dr. Heinzle, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Metin S***** von der wider ihn erhobenen Anklage, "er habe am 29. September 1995 in F***** Sonja T***** außer dem Falle des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt, indem er sich in ihr Schlafzimmer schlich, sich nach Ausziehen seiner Unterhose zu ihr - während sie noch schlief - ins Bett legte, ihr die Unterhose bis über die Knie hinunterzog, sie küßte und (ihr) zwischen den Beinen an die Scheide griff, wodurch sie erwachte, sich heftig zur Wehr setzte, aus dem Bett sprang und in die angrenzende Küche flüchtete, wohin er sie sogleich verfolgte, sie wiederum an den Schultern packte und ins Schlafzimmer zurückzog, wo es ihr nach heftiger Gegenwehr gelang, sich von ihm loszureißen, ihn aus der Wohnung zu drängen und die Wohnungstüre zu verschließen, zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht und habe hiedurch das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs 2 StGB begangen", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Das Erstgericht stellte (kurz zusammengefaßt) folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

In der Nacht vom 28. auf den 29. September 1995 nächtigte Sonja T***** bei ihrem Freund Markus S***** in dessen Wohnung in der R*****straße 10 in F*****. Als dieser wie üblich gegen 3,45 Uhr die Wohnung verließ, um seinen Dienst anzutreten, blieb Sonja T***** im Bett liegen und ließ die Wohnungstüre unversperrt. Zwischen 4,30 und 5,30 Uhr betrat der Angeklagte - der mit seiner Frau und seinem kleinen Kind im selben Haus direkt unter der Wohnung des Markus S***** wohnte - dessen Wohnung, begab sich ins Schlafzimmer, zog dort seine Hose aus und legte sich zu Sonja T***** ins Bett. In der Folge legte er sich auf die schlafende Frau, wobei er sich mit seinen Händen auf ihren Schultern abstützte und sie im Halsbereich abzuküssen begann. Weiters streifte er ihre Unterhose nach unten und faßte ihr mit seiner Hand an die Scheide.

Durch das Küssen und Betasten erwachte Sonja T***** und meinte zuerst, daß ihr Freund zurückgekehrt sei. Als sie bemerkte, daß ein fremder Mann in ihrem Bett lag, der sich als Nachbar zu erkennen gab, forderte sie ihn zunächst mit lauter Stimme auf, zu verschwinden. Es gelang ihr dann, sich vom Angeklagten - der sie an der Schulter festhielt - loszureißen und aus dem Bett zu springen, wobei der Angeklagte keine Gewalt anwendete, um sie im Bett festzuhalten. Sodann entspann sich in der Küche eine mehrminütige Diskussion, bei der Sonja T***** dem Angeklagten unmißverständlich erklärte, daß sie nichts von ihm wissen wolle, er aber keine Drohungen äußerte.

In der Folge faßte der Angeklagte Sonja T***** an der linken Hand und zog sie ins Schlafzimmer. Während er seine Hose aufnahm, riß sich Sonja T***** abermals los, lief zur Wohnungstüre und öffnete diese. Als der Angeklagte ihr nachkam, gelang es ihr schließlich, ihn zur Türe hinauszuschieben und diese hinter ihm zu schließen.

Zur subjektiven Tatseite stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte zwar den Beischlaf mit Sonja T***** "oder eine sexuelle Handlung" an ihr vornehmen wollte, sein Vorsatz aber nicht darauf gerichtet war, dies mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durchzusetzen. Mangels Vorsatzes erachtete es den Tatbestand des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB auch in der Erscheinungsform des Versuches als nicht erfüllt.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer dagegen erhobenen Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Recht geltend, daß die im Urteil enthaltenen Feststellungen den Freispruch des Angeklagten nicht rechtfertigen, sondern einen Schuldspruch wegen des (vollendeten) Vergehens nach § 205 Abs 2 StGB oder des versuchten Verbrechens nach §§ 15, 205 Abs 1 StGB nahelegen. Denn sowohl eine schlafende als auch eine im Erwachen begriffene Person kann sich in einem Zustand befinden, der sie zum Widerstand unfähig macht, sodaß sie als Deliktsobjekt und Opfer der Schändung in Betracht kommt (Foregger-Serini StGB5 Erl II, Leukauf-Steininger Komm3 RN 6, je zu § 205 StGB mwN).

Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes befand sich Sonja T***** in einem Zustand, der sie zum Widerstand unfähig machte, als sich der Angeklagte ihr sexuell näherte. Ob dieser Zustand des Opfers vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt war, hat das Erstgericht nicht festgestellt, obwohl die Ergebnisse des Beweisverfahrens dies indizierten. Darüberhinaus mangelt es an einer eindeutigen Feststellung dahin, ob der allfällige Vorsatz des Angeklagten auf einen Mißbrauch des Opfers zum außerehelichen Beischlaf oder (bloß) auf eine - nicht im Beischlaf bestehende - unzüchtige Handlung gerichtet war, zumal die vom Erstgericht in objektiver Hinsicht festgestellten Tathandlungen beide dargelegten Deliktsvarianten verwirklichen könnten.

Da somit ein Mangel an Feststellungen die Gesetzesanwendung hindert, war spruchgemäß zu entscheiden.

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