OGH 10ObS2345/96t

OGH10ObS2345/96t22.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Ernst Oder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarethe W*****, vertreten durch Dr.Charlotte Böhm, Dr.Christine Fädler und Dr.Erika Furgler, Rechtsanwältinnen in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. April 1996, GZ 10 Rs 23/96t-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Juli 1995, GZ 4 Cgs 37/94y-24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 4.058,88 (hierin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 1.1.1924 geborene Klägerin wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 23.6.1987, rechtskräftig seit 23.7.1987, zu 4 Sch 53/87 gemäß § 55a EheG geschieden. Laut "Vergleich" verpflichtete sich der geschiedene Gatte, ihr ab 1.7.1987 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.500,-- zu zahlen. In einem vom geschiedenen Gatten gegen die nunmehrige Klägerin als Beklagte geführten Oppositionsstreit zu 13 C 4/90i des Bezirksgerichtes Floridsdorf verzichtete diese mit Vergleich vom 19.2.1990 auf den ihr aufgrund dieses Scheidungsvergleiches zustehenden Unterhalt von monatlich S 1.500,--. Mit Berufungsurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 6.7.1993, 44 R 2036/93 (im Ersturteil unrichtig: 44 R 2063/93)-24, im Verfahren 13 C 37/91v des Bezirksgerichtes Floridsdorf (Klage auf Unterhaltszahlung in Höhe von S 1.500,-- ab 3.1.1990, wegen erheblichen Irrtums bei Vergleichsabschluß) wurde der geschiedene Gatte der Klägerin verpflichtet, ihr ab 1.1.1992 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- zu bezahlen. Die vom Mann erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 25.1.1995, 9 Ob 1504/95, zurückgewiesen.

Darüberhinaus bezieht die Klägerin aus Schweden eine Pension von (umgerechnet) monatlich S 339,70 (Stand 1.1.1992), sowie seit 1.8.1988 eine österreichische Alterspension nach dem ASVG.

Mit Bescheid vom 17.7.1989 sprach die beklagte Partei aus, daß der Klägerin ab 1.8.1988 zusätzlich eine Ausgleichszulage gemäß § 292 ASVG gebührt. Mit Bescheiden vom 28.4.1990 und 19.2.1991 erfolgten Neubemessungen dieser Ausgleichszulage. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 8.6.1992 wurde die zur Pension gewährte Ausgleichzulage ab 1.1.1992 mit monatlich S 3.084,90 neu festgestellt, der in der Zeit vom 1.1.1992 bis 31.3.1992 entstandene Überbezug von S 2.828,90 rückgefordert und mit dem mit Bescheid vom 19.2.1991 festgestellten und noch nicht verrechneten Überbezug von S 455,40, Gesamtbetrag somit S 3.284,30, auf die ab 1.7.1992 fällige Pensionsleistung aufgerechnet.

In der Klage stellte die Klägerin das Begehren, ihr ab 1.1.1992 eine Ausgleichszulage von S 4.337,-- zu bezahlen. Die beklagte Partei habe zu Unrecht ab diesem Zeitpunkt Unterhaltsleistungen ihres geschiedenen Mannes berücksichtigt, obwohl dieser tatsächlich nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei.

In der Tagsatzung vom 20.4.1994 wurde dieses Begehren dahingehend modifiziert, daß ihr die beklagte Partei vom 1.1.1993 bis 31.12.1993 eine Ausgleichszulage zusätzlich zur bereits gewährten Ausgleichszulage in Höhe von S 3.084,90 zu bezahlen habe (ON 13), in der Tagsatzung vom 26.7.1995 schließlich - im zweiten Rechtsgang nach Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes (ON 20) - auf Bezahlung der Ausgleichszulage ab 1.1.1992 im gesetzlichen Ausmaß unter Berücksichtigung eines Unterhaltes von monatlich S 1.000,-- (ON 23).

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei - im zweiten Rechtsgang - zur Bezahlung eines Betrages von S 47.353,04 binnen 14 Tagen, sowie der mit S 14.001,60 bestimmten Prozeßkosten. Es beurteilte den eingangs (anhand der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Beiakten präzisiert) wiedergegebenen Sachverhalt dahingehend, daß der Oberste Gerichtshof in dem dort bereits erwähnten Zurückweisungsbeschluß im Unterhaltsverfahren ausgesprochen habe, daß einem Unterhaltsberechtigten auch im Falle der Scheidung nach § 55a EheG bis Wegfall der Unterhaltsvereinbarung ein Unterhaltsanspruch nach Billigkeit analog § 69 Abs 3 EheG zustehe. Es sei daher § 294 Abs 3 Satz 2 ASVG anzuwenden, wonach nur ein Vierzehntel der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung anzurechnen sei, wenn die nach Abs 1 oder 2 dieser Gesetzesstelle berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos sei. Da die der Klägerin jährlich tatsächlich zufließende Unterhaltsleistung S 12.000,-- betrage, sei hievon ein Vierzehntel, also S 857,14, anrechenbar. Die Gesamteinkünfte der Klägerin 1992 hätten somit S 3.020,14 (S 857,14 + S 339,70 [schwedische Pension] + S 1.823,30 [österreichische Pension]) betragen, sodaß sich im Hinblick auf den Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb für das Jahr 1992 in Höhe von S 6.500,-- eine Ausgleichszulage von S 3.479,86 monatlich errechne, für 1993 von S 3.979,86 und für 1994 sowie 1995 von S 4.479,86. Die Summierung der Beträge ergäbe sohin den Zuspruchsbetrag von S 47.353,04.

Das Berufungsgericht erkannte mit Teilurteil, daß der Berufung "teilweise nicht Folge gegeben" werde und bestätigte das angefochtene Urteil, soweit damit über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage für das Jahr 1992 entschieden wurde, dahingehend, daß die beklagte Partei zur Zahlung von S 3.479,86 für den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.12.1992 verpflichtet wurde. Im übrigen, nämlich bezüglich des Anspruches der klagenden Partei auf Ausgleichszulage auch für die Zeit ab 1.1.1993 und bezüglich der Rückforderung eines Überbezuges faßte das Berufungsgericht (erneut so wie bereits im ersten Rechtsgang) einen Aufhebungsbeschluß.

Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und beurteilte diese (soweit das nunmehr bekämpfte Teilurteil betreffend) dahingehend, daß die 1/14-Regelung des § 294 Abs 3 2. Satz ASVG hier zutreffend zur Anwendung zu kommen habe. Die Klägerin habe alle rechtlichen Möglichkeiten zur Erlangung eines höheren Unterhaltsbeitrages ausgeschöpft und die Teilabweisung ihres Unterhaltsmehrbegehrens im Unterhaltsverfahren nicht durch unrichtige Angaben in der Unterhaltsklage veranlaßt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Vorraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte und von der klagenden Partei auch beantwortete Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das Klagebegehren betreffend Bezahlung einer S 3.084,90 (laut angefochtenem Bescheid) übersteigenden Ausgleichszulage für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.12.1992 abzuweisen.

Die Rechtsrüge läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, im vorliegenden Fall gelange die Bestimmung des § 294 Abs 3 2. Satz ASVG zur Anwendung, auf einem Rechts- irrtum beruhe. Die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens (von S 500,--) im Verfahren 13 C 37/91v des Bezirksgerichtes Floridsdorf sei nicht wegen schlechter Vermögenslage des unterhaltspflichtigen geschiedenen Gatten, sondern wegen unrichtig angenommener Pensionshöhe der Klägerin erfolgt. Aus den maßgeblichen Bestimmungen des ASVG gehe der bloß subsidiäre Charakter der Ausgleichszulage hervor und lasse der Gesetzeswortlaut auch keinen Zweifel daran, daß bestehende Unterhaltsleistungen dem Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zuzurechnen seien und erst anhand des auf diese Weise ermittelten Gesamteinkommens die Differenz auf den Richtsatz der Ausgleichszulage zu bestimmen sei. Da der gesetzliche Unterhalt der Ehegattin bei Fehlen weiterer Sorgepflichten mit der Differenz des Eigeneinkommens auf 40 % des gemeinsamen Einkommens zu bemessen sei, wäre ausgehend von einem Gesamteinkommen von S 2.613,-- in Anbetracht der Pensionshöhe des geschiedenen Gatten von S 9.217,-- der Unterhaltsanspruch in der begehrten Höhe von S 1.500,-- festzusetzen gewesen. Die Klägerin hätte demgemäß auch gegen das Berufungsurteil im Unterhaltsverfahren Revision an den Obersten Gerichtshof zu erheben gehabt, welche auch zulässig und rechtlich erfolgreich gewesen wäre. Die Vorraussetzungen des § 294 Abs 3 letzter Satz ASVG seien somit nicht erfüllt, sodaß es bei der unverminderten Pauschalanrechnung laut Bescheid zu verbleiben habe.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist indes zutreffend (§ 48 ASGG).

Die Revisionswerberin ist insoweit auf die - einen nahezu vergleichbaren Fall betreffen- de - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 10 ObS 574/91, veröffentlicht in SSV-NF 5/119 zu verweisen, in welcher der Senat (unter Hinweis auf zahlreiche Vorjudikatur) ausdrücklich ausgesprochen und wiederholt hat, daß im Falle einer (wie hier) Scheidung nach § 55a EheG gerade kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht. Daher habe bei Bemessung der Ausgleichszulage keine Pauschalanrechnung gemäß § 294 Abs 1 lit b ASVG stattzufinden, vielmehr ist nur der tatsächlich geleistete Unterhalt gemäß § 292 Abs 3 ASVG als Nettoeinkommen zu berücksichtigen. Demgemäß hat eine Zurechnung zum Nettoeinkommen (des Pensionsberechtigten und Ausgleichszulagenwerbers) nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung zu erfolgen. Alle in der Revision auf einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin abstellenden Ausführungen müssen daher schon an dieser Erwägung scheitern. Der Klägerin wurden demgemäß seit 1992 die von ihrem geschiedenen Ehegatten erbrachten monatlichen Unterhaltsbeiträge zutreffend nur in einer Höhe von S 1.000,-- (und nicht S 1.500,--) der Pension zugerechnet.

Die dies in Abrede stellende Argumentation der Revisionswerberin richtet sich insoweit auch - fast ausschließlich und schwerpunktmäßig - gegen eine angeblich rechtliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes im vorangegangenen Unterhaltsverfahren. Dieses ist jedoch rechtskräftig abgeschlossen. Eine nochmalige Aufrollung - sei es in (fiktiver) Beurteilung, ob eine (auch) von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision unzulässig gewesen wäre bzw. Erfolg gehabt hätte, sei es (ähnlich der Beurteilung in einem Amtshaftungsverfahren) dazu, ob die Rechtsansicht des damaligen Berufungsgerichtes vertretbar bzw verfehlt war - kommt dem Obersten Gerichtshof daher hier nicht zu. Damit ist jedoch davon auszugehen, daß der Klägerin seit dem auch für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt 1.1.1992 nur (mehr) ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- (anstatt zuvor S 1.500,--) gegenüber ihrem geschiedenen Gatten tatsächlich zusteht.

Dieses Ergebnis steht damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Senates vom 16.7.1996, 10 ObS 2210/96i, in welcher ausgesprochen worden war, daß es sachlichen Gesichtspunkten entspreche (und damit verfassungskonform sei), wenn der Gesetzgeber - im Rahmen des Ausgleichszulagenrechtes - verhindern möchte, daß zulasten der Ausgleichszulage auf gesetzlichen Unterhalt verzichtet werde (so auch schon SSV-NF 2/28, auch wenn ein solcher Verzicht nicht in Schädigungsabsicht [zulasten des Sozialversicherungsträgers] abgegeben wurde). Ob ein Unterhaltsverzicht bei einer Scheidung nach § 55a EheG anders zu behandeln sei, wurde hiebei ausdrücklich unerörtert gelassen. Tatsächlich hat die Klägerin hier ihren Unterhaltsverzicht im Oppositionsstreit in der Folge durch gesonderte Klage ohnedies wiederum (wenngleich nur mit Teilerfolg) rückgängig machen können, sodaß sich die Frage der Auswirkungen eines Unterhaltsverzichtes bei Scheidung nach § 55a EheG hier ebenfalls nicht stellt. Dafür, daß dieser Verzicht rechtsmißbräuchlich erfolgt wäre, gibt es keine Anhaltspunkte.

Auf die vom Gesetzgeber in § 294 Abs 3 2. Satz ASVG durch dessen 51. ASVG-Novelle in Art I Z 127 SRÄG 1993 BGBl 335 beabsichtigte "Milderung" der (Pauschal-)Anrechnung von Unterhaltsansprüchen braucht ebenfalls nicht weiter eingegangen zu werden, weil diese Novelle gemäß § 551 Abs 1 Z 1 ASVG (in der Fassung Art I Z 154 leg cit) erst am 1.7.1993 in Kraft trat und daher für den allein revisionsgegenständlichen Zeitraum des Jahres 1992 jedenfalls außer Betracht zu bleiben hat.

Aus allen diesen Erwägungen war der Revision daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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