OGH 4Ob2298/96m

OGH4Ob2298/96m15.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Bruno F*****, Italien, vertreten durch Dr.Hans Jalovetz und Dr.Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Dr.Gerald Herzog und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 88.647,77 englische Pfund sA (Streitwert S 1,507.012,09), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 13.März 1996, GZ 2 R 11/96x-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 2. November 1995, GZ 23 Cg 195/95-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 123.961,47 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 11.821,91 Umsatzsteuer und S 53.030 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Antrag Sandro G*****s eröffnete die beklagte Bank am 15.September 1992 das auf den Kläger und Paolo G***** lautende Konto Nr. *****, für welches beide Kontoinhaber einzelzeichnungsberechtigt waren. Der Kläger und Paolo G***** hatten eine Vollmachtsurkunde und ein Unterschriftsprobenblatt unterfertigt. Diese Urkunden legte Sandro G***** gemeinsam mit Ablichtungen der Führerscheine des Klägers und Paolo G*****s der Beklagten vor.

Die John G***** Ltd., Insel M***** übermittelte der Beklagten mit Schreiben vom 22.September 1995 (ua) einen von ihr ausgestellten, auf die R***** Ltd. gezogenen Verrechnungsschek über 89.600,13 englische Pfund lautend auf den Kläger oder an Order.

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 88.647,77 englische Pfund sA zu dem am Fälligkeitstag (22.September 1992) gültigen Devisen- Warenkurs der Wiener Börse in Schilling. Paolo G***** habe dem Kläger im Spätsommer 1992 empfohlen, bei einem österreichischen Bankinstitut ein Konto zu eröffnen, um dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, die zuvor in Großbritannien durch verschiedene Veranlagungen erzielten Gewinne nach Österreich zu transferieren. G***** habe ihm erklärt, daß er die dazu erforderlichen Schritte im Vollmachtsnamen des Klägers tun könne, weil nach österreichischem Recht bei der Kontoeröffnung die persönliche Anwesenheit des Kontoinhabers nicht erforderlich sei. Der Kläger sei damit einverstanden gewesen und habe das in italienischer Sprache abgefaßte Vollmachtsformular und das Unterschriftenprobenblatt blanko unterfertigt und Paolo G***** eine Kopie seines Führerscheines ausgefolgt. Paolo G***** habe sodann vereinbarungswidrig seine Unterschrift auf die erwähnten Urkunden gesetzt und sie mit den Kopien der Lichtbildausweise an Sandro G***** weitergegeben, der sich am 15.September 1992 zur Beklagten begeben habe. Dort habe eine Mitarbeiterin der Beklagten die Formulare maschinschriftlich vervollständigt und das Gemeinschaftskonto eröffnet. Die Beklagte habe somit gegen Punkt 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (im folgenden: AGBKr) verstoßen; die Kontoeröffnung sei rechtsunwirksam. Die Beklagte hätte die Identität des Kontoinhabers durch Einsichtnahme in einen amtlichen Lichtbildausweis (und nicht in eine bloße Kopie) überprüfen und der Unterfertigung des Unterschriftenprobenblattes beiwohnen müssen. Eine Kontoeröffnung durch Vertreter sei unzulässig. Die Beklagte habe daher für den Schaden einzutreten, den der Kläger dadurch erlitten habe, daß Paolo G***** den Scheckbetrag vom Konto abgehoben und zu seinen Gunsten verwendet habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die von Sandro G***** vorgelegten Unterlagen seien unbedenklich gewesen, so daß die Beklagte das Gemeinschaftskonto eröffnen durfte. Der Kläger sei auch über alle Vorgänge unterrichtet gewesen. Im übrigen habe er schon deshalb den geltend gemachten Schaden selbst zu tragen, weil er es unterlassen habe, nach seinem angeblichen Zerwürfnis mit Paolo G***** dessen Bevollmächtigung unverzüglich zu widerrufen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Ob der Kläger das Vollmachtsformular und das Unterschriftsprobenblatt blanko oder ausgefüllt unterfertigt und ob Paolo G***** diese beiden Urkunden mit Wissen und Willen des Klägers unterschrieben habe, schließlich auch, ob der Kläger Paolo G***** oder Sandro G***** zur Kontoeröffnung bevollmächtigt habe, könne nicht festgestellt werden. Das sei aber rechtlich unerheblich, weil die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dem als bevollmächtigt auftretenden Sandro G***** zu prüfen. Die Urkunden hätten keine Zweifel an der Vertretungsmacht Sandro G*****s erwecken müssen. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, den Verrechnungsscheck dem Gemeinschaftskonto gutzubuchen, weil auch der Kläger über dieses Konto hätte verfügen können.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Verfahren erster Instanz sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht die Beweise, die der Kläger für seine Behauptung geführt habe, daß er die Vollmachtsurkunde und das Unterschriftsprobenblatt nur blanko unterfertigt und eine Angestellte der Beklagten die Urkunden im nachhinein maschinschriftlich ausgefüllt habe, nicht aufgenommen habe. Dies sei aber entscheidungswesentlich:

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen sei (§ 38 Abs 1 erster Satz IPRG). Nach den Behauptungen des Klägers habe Paolo G***** die Grenzen seiner Vertretungsmacht überschritten; er wäre demnach als Scheinvertreter anzusehen, so daß der Kontoeröffnungsvertrag unwirksam wäre. Mangels Genehmigung des Klägers nach § 1016 ABGB wäre keine wie immer geartete Rechtsbeziehung entstanden. Bei unerlaubter Weitergabe des Auftrages an Sandro G***** wäre Paolo G***** dem Kläger schadenersatzpflichtig, weil kein Fall des § 1010 ABGB vorläge.

Nach den Punkten 1 (1) und 2 (2) AGBKr idF vom 1.10.1979 habe der (nachmalige) Kontoinhaber seine Identität nachzuweisen. Er könne bei der Kontoeröffnung auch durch einen Prokuristen nach Maßgabe der Handelsregister(= Firmenbuch)eintragung vertreten werden. Diese Bestimmungen könnten nur Prokuristen, nicht aber andere Personen als Vertreter handeln. Die Beklagte hätte daher mit einem Bevollmächtigten des Klägers keinen Kontoeröffnungsvertrag schließen dürfen. Grobe Fahrlässigkeit bei der Identitätsprüfung könne zur Haftung der Kreditunternehmung gegenüber Dritten führen. Auch dann, wenn man die Kontoeröffnung durch Vertreter für zulässig ansehe, sei eine Gattungsvollmacht im Sinne des § 1008 ABGB, die sich auf die Kontoeröffnung bezieht, erforderlich. Ob das auf die hier verwendete Vollmachtsurkunde zuträfe, könne nicht festgestellt werden, weil die erforderliche Übersetzung in die deutsche Sprache nicht vorgelegt worden sei. Dazu komme, daß der Kläger die Echtheit der Unterschrift Paolo G*****s bestritten und behauptet habe, er selbst habe die Vollmachtsurkunde blanko unterschrieben. Die Urkunde sei erst nachträglich ohne seinen Willen und sein Wissen (auch) von Paolo G***** unterschrieben und von der Angestellten der Beklagten Danja M***** maschinschriftlich ausgefüllt worden. Da der Kläger somit die Urkundenechtheit bestritten habe, sei es Sache der Beklagten, die Echtheit zu beweisen. Der Kläger habe nicht vorgebracht, welche maschinschriftlichen Zusätze von der Angestellten der Beklagten eingefügt wurden; er werde daher zur Konkretisierung dieses Vorbringens aufzufordern sein. Sollte sich herausstellen, daß Danja M***** die Einfügungen im Auftrag Sandro G*****s vorgenommen und die Eröffnung des Gemeinschaftskontos somit dessen Willen entsprochen habe, wäre Punkt 3 (2) AGBKr zu beachten. Danach sei jeder Kontoinhaber allein verfügungsberechtigt, es sei denn, daß die Kontoinhaber ausdrücklich etwas anderes bestimmt haben oder ein Kontoinhaber bei Einzelverfügungsberechtigung ausdrücklich widerspricht. Im Falle eigenmächtig vorgenommener maschinschriftlicher Einfügungen durch die Angestellte der Beklagten käme es darauf an, ob diese Zusätze die Eröffnung des Gemeinschaftskontos bewirkten. In diesem Zusammenhang falle auf, daß in Punkt 1 der Vollmachtsurkunde - Bevollmächtigung G*****s zur Kontoeröffnung - die Pluralanwendungen nicht durchgestrichen wurden und daß das Unterschriftsprobenblatt schon am 9.September 1992 bei der Beklagten eingelangt sei, obwohl es das Datum 15.September 1992 trage. Bei eigenmächtiger Einfügung durch die Angestellte der Beklagten wäre die Schadenersatzpflicht der Beklagten zu bejahen. Das von der Beklagten eingewendete (Mit-)Verschulden des Klägers wäre zu verneinen, weil der Kläger davon ausgehen mußte, daß Paolo G***** kein Gemeinschaftskonto eröffnet hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes und des Klägers läßt sich den AGBKr nicht entnehmen, daß die Kontoeröffnung ein vertretungsfeindliches Rechtsgeschäft ist. Punkt 2 (2) - wonach der Kontoinhaber bei Kontoeröffnung und Kontoverfügung auch durch Prokuristen nach Maßgabe ihrer Handelsregistereintragung vertreten werden kann - läßt nicht den Umkehrschluß zu, daß der Kontoinhaber durch sonst niemanden vertreten werden könnte. Mit dieser Bestimmung wird nur zum Ausdruck gebracht, daß die Bank zum Kontrahieren mit einem Prokuristen nur dann bereit ist, wenn die Prokura im Firmenbuch (früher: Handelsregister) eingetragen ist, obwohl die Eintragung an sich gemäß § 53 Abs 1 HGB nur deklaratorische Bedeutung hat (Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 4/13). Ein Verbot der Kontoeröffnung durch Stellvertreter ist weder einer gesetzlichen Bestimmung noch den AGBKr zu entnehmen. Ergibt sich aus der Erklärung des Handelnden, daß das Konto für eine andere Person als die eröffnende errichtet werden soll, so ist für die Wirksamkeit die Vertretungsmacht des Handelnden zu prüfen (Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/11).

Ob der Handelnde Vertretungsmacht besitzt, ist nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu prüfen (vgl Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/12). Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß zur Einräumung der Vertretungsmacht zumindest eine Gattungsvollmacht im Sinne des § 1008 ABGB erforderlich ist, die sich auf die Kontoeröffnung erstreckt (Avancini/Iro/Koziol aaO Rz 4/12). Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, daß auf Grund der vorgelegten Vollmachtsurkunde Beilage ./1 mangels Übersetzung in die deutsche Sprache nicht beurteilt werden könne, ob damit die Vollmacht zur Eröffnung eines Kontos erteilt wird (angekreuzt ist: "apertura conto"; unter Punkt 1 steht: "Con la presente il Signor Sandro G***** viene autorizzato ad aprire conti e/o depositi a mio/nostri nome/nomi presso di Voi"), wäre für den Kläger nichts zu gewinnen, hat er doch selbst vorgebracht, daß er bei Unterfertigung des Blankoformulars gewußt hat, es gehe um die Eröffnung eines Kontos bei einer österreichischen Bank. Er hat daher tatsächlich Paolo G***** die Vollmacht erteilt, für ihn ein Konto zu eröffnen.

Daß Paolo G***** - nach den Behauptungen des Klägers - die Vollmacht unberechtigterweise an Sandro G***** weitergegeben und dieser das Konto nicht nur für den Kläger, sondern gleichzeitig auch für Paolo G***** eröffnen ließ, ändert nichts daran, daß tatsächlich eine Bevollmächtigung vom Kläger erteilt wurde. Hält sich ein Vertreter im Rahmen der Vollmacht, überschreitet er aber seinen Auftrag (Mißbrauch der Vertretungsmacht), so ist grundsätzlich die Vertretungshandlung gültig, es sei denn, daß Vertreter und Dritter absichtlich zusammengewirkt haben, um den Vertretenen zu schädigen (Kollusion; Koziol/Welser10 I 176).

Daß sich aber Sandro G***** (und Paolo G*****) im Rahmen der Vollmacht gehalten haben, ergibt sich gerade daraus, daß der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen ein Blankett unterschrieben hat. Von einer Blankett-Unterzeichnung spricht man, wenn jemand eine noch ganz oder teilweise unausgefüllte Urkunde unterzeichnet und den anderen Teil zur Ausfüllung ermächtigt; überschreitet der andere seine Ermächtigung, so kann sich der Aussteller grundsätzlich nur an den halten, der die Blankett-Unterschrift mißbrauchte, nicht aber an einen redlichen Dritten; er kann sich diesem gegenüber insbesondere nicht darauf berufen, keine entsprechende Willenserklärung abgegeben zu haben (SZ 54/161 = EvBl 1982/69). Wird das Blankett schon vor der Vorlage an den Dritten ausgefüllt ("verdeckte Ausfüllung"), ist die Erklärung dem Aussteller zuzurechnen, der sie - wenn sie von ihm nicht gewollt ist - nur unter den engen Voraussetzungen des § 871 ABGB anfechten kann. Bei "offener Blankett-Ausfüllung" (Ausfüllung in Gegenwart des Dritten) gilt hingegen Vollmachtsrecht; die Erklärung ist also dem Aussteller des Blanketts dann zuzurechnen, wenn der Ausfüllende zur Ergänzung des Textes bevollmächtigt war. Der Besitz des Blanketts begründet aber in der Regel den Rechtsschein der Ausstellungsbefugnis im Rahmen des Üblichen (SZ 54/161 = EvBl 1982/69; ÖBA 1989, 176 [Iro]).

Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob Sandro G***** das Blankett schon vor der Vorlage an die Beklagte ausgefüllt hat oder - wie der Kläger behauptet - die Ausfüllung in der Bank der Beklagten vornehmen ließ. Daß die Beklagte (durch ihre Mitarbeiterin Danja M*****) bei Ausfüllung des Blanketts von der mangelnden Vollmacht Sandro G*****s Kenntnis gehabt und mit diesem zusammengespielt hätte, wurde nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen.

Wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, bestand für die Beklagte kein Anhaltspunkt, an der wirksamen Bevollmächtigung Sandro G*****s zu zweifeln. Sie hatte keinen Grund, eine Kontoeröffnung in der begehrten Art - als Gemeinschaftskonto - abzulehnen.

War aber ein Gemeinschaftskonto errichtet, über welches jeder Kontoinhaber allein verfügungsberechtigt war (Punkt 3 (2) AGBKr), dann war die Beklagte auch berechtigt, den auf dem Konto eingegangenen Betrag dem Kontoinhaber Paolo G***** auszufolgen.

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist daher nicht berechtigt.

Aus diesem Grund war in Stattgebung des Rekurses das Ersturteil wiederherzustellen (§ 519 Abs 2, letzter Satz, ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte