OGH 14Os110/96 (14Os140/96)

OGH14Os110/96 (14Os140/96)8.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Oktober 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef R***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 17.April 1996, GZ 8 Vr 845/95-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr.Hasibeder zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung (wegen des Ausspruches über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche) wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef R***** des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (3) und der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (1), der (in mehreren Angriffen begangenen) Körperverletzung nach § 83 Abs 1 und Abs 2 StGB (6, 2/a und b), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (4), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (8) und nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (5 und 9) sowie des Hausfriedensbruches nach § 109 "Abs 1 und" (insoweit rechtsirrig, jedoch im Ergebnis den Angeklagten nicht beschwerend: einfacher Hausfriedensbruch nach Abs 1 und schwerer Hausfriedensbruch nach Abs 3 stellen zwei einander ausschließende Deliktsfälle dar; siehe Leukauf/Steininger Komm3 § 109 RN 1, 33; Bertel in WK § 109 Rz 1, 49) Abs 3 Z 1 StGB (7) schuldig erkannt und nach §§ 28 Abs 1, 106 Abs 1 StGB zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe, ferner gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 2.640 S an den Privatbeteiligten Robert H***** verurteilt.

Vom Widerruf der bedingten Nachsicht der mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis zu AZ 8 E Vr 319/94 verhängten Freiheitsstrafe sah das Schöffengericht aus Anlaß der neuen Verurteilung ab, verlängerte aber die Probezeit auf fünf Jahre (§ 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).

Inhaltlich der Schuldsprüche hat Josef R***** (soweit nicht anders angegeben) in Ried im Innkreis

(zu 1) am 20.Juni 1995 durch Schläge gegen die Tür des Robert H***** eine fremde Sache beschädigt, wobei ein Schaden von 2.640 S entstanden ist,

(zu 2) am 23.September 1995 nachstehende Personen am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt, und zwar

a) in Aurolzmünster die Maria S*****, indem er sie an den Armen packte, hin- und herstieß, wodurch sie Hämatome am linken Oberarm und am rechten Unterarm erlitt, und

b) den Robert H*****, indem er ihn am Hemd erfaßte und gegen eine Mauer stieß, was ein Hämatom am Gesäß zur Folge hatte;

(zu 3) am 23.September 1995 den Robert H***** durch Drohung mit dem Tode, nämlich durch die Äußerung, wenn er ihn bei der Gendarmerie anzeige und er ins Gefängnis komme, besorge er sich eine Pumpgun und erschieße ihn, zur Unterlassung einer Anzeige bei der Gendarmerie wegen des unter Punkt 2/b genannten Vorfalls genötigt;

(zu 4) am 6.Oktober 1995 die Christine D***** durch mehrere Schläge ins Gesicht, sohin mit Gewalt, zu einem Telefonanruf bei Maria S***** genötigt;

(zu 5 und 9) nachgenannte Personen mit dem Tode gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

(zu 5) am 6.Oktober 1995 die Christine D***** durch die Äußerung, er werde ihr die Augen und die Schädeldecke herausblasen, sowie dadurch, daß er eine Gaspistole gegen sie richtete, mehrmals spannte und schließlich abdrückte;

(zu 9) seit Februar 1994 in Hohenzell in wiederholten Angriffen die Theresia und den Andreas R***** sowie die Waltraud O***** durch die fernmündliche Äußerung, er werde sie bzw ihre Familie und den Vater der Familie umbringen;

(zu 6) am 6.Oktober 1995 die Christine D***** durch die unter 4) und

5) genannten Tathandlungen sowie durch weitere Schläge ins Gesicht am Körper verletzt, wobei die Tat einen Bruch des rechten Mittelfingers, Prellungen am Kopf, Jochbein und rechten Augapfel, zahlreiche Hämatome an beiden Ober- und Unterarmen, ferner einen Nasenbeinbruch zur Folge hatte;

(zu 7) am 6.Oktober 1995 den "Eintritt" in die Wohnstätte der Christine D***** durch die Drohung mit Gewalt, er werde die Tür einschlagen, falls er nicht eingelassen werde, "erzwungen", wobei er gegen die dort befindliche Christine D***** Gewalt zu üben beabsichtigte;

(zu 8) um den 4.April 1996 in Hohenzell oder Ried im Innkreis die Waltraud O***** durch die Äußerung, er haue ihr die Brille ins Hirn, mit einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldspruchfakten 1, 3, 5, 7 und 9 mit einer auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit c und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Aussprüche über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche ficht er mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Einwand unvollständiger (der Sache nach: aktenwidriger) Begründung (Z 5) der zum Verbrechen der schweren Nötigung (3) getroffenen Feststellung, wonach Robert H***** nach der unter Punkt 2/b beschriebenen Handlung dem Angeklagten die Anzeige ankündigte (US 6), versagt, weil sich das Erstgericht insoweit auf die Aussage des Zeugen vor der Gendarmerie stützen konnte (US 10 iVm S 133), aus der hervorgeht, daß die Anzeige allein wegen der Mißhandlung (Drücken gegen die Hausmauer) angekündigt wurde, weshalb es unerheblich ist, ob Robert H***** von seiner daraus resultierenden Verletzung erst später Kenntnis erlangt hat.

Daß es sich bei dieser Drohung bloß um eine milieubedingte Unmutsäußerung gehandelt hätte, hat das Erstgericht mit formal fehlerfreier Begründung (unter Hinweis auf die Gewaltbereitschaft des Angeklagten, welche sich in zahlreichen Verurteilungen wegen Aggressionsdelikten manifestiert) abgelehnt (US 15), weshalb die darauf bezogenen Beschwerdeeinwände auf eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung hinauslaufen.

Auch in Ansehung der Annahme, wonach im Zeitpunkt der gegen Christine D***** gerichteten gefährlichen Drohung mit dem Tode (5) zwischen dem Beschwerdeführer und dem Opfer keine Lebensgemeinschaft bestand, haftet dem angefochtenen Urteil kein Begründungsmangel an. Denn die Tatrichter konnten sich bei der Feststellung, daß die frühere Lebensgemeinschaft erst nach der Tat wieder aufgenommen wurde (US 11 iVm 7), sowohl auf die Verantwortung des Angeklagten selbst (S 234), als auch auf die Aussage der genannten Zeugin (S 240 f) stützen.

Der im Zusammenhang damit erhobenen Rechtsrüge (Z 9 lit c) ist zu erwidern, daß das Schöffengericht wegen der vor den Straftaten erfolgten Aufhebung der Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zu Recht das Vorliegen der Tatsachengrundlagen einer Lebensgemeinschaft verneinte, zumal zwischen den früheren Lebensgefährten darnach kein faktisches, den geschützten verwandtschaftlichen Gefühlen gleichzusetzenden Verpflichtungsverhältnis mehr bestanden (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 72 E 4) und die spätere Wiederaufnahme der Gemeinschaft keine rückwirkende Bedeutung hat.

Dem weiteren Einwand zuwider durfte hinsichtlich dieser Tat (5) die Erörterung der Tatsache unterbleiben, daß das Opfer Eigentümerin der dabei verwendeten Gaspistole war und daher wußte, daß es sich nicht um eine Schußwaffe handelte. Das Schöffengericht konnte nämlich im Hinblick auf das festgestellte Ansetzen der Waffe im Zusammenhalt mit den verübten weiteren Gewalttaten (4, 6 und 7) die Eignung der Drohung annehmen, beim Opfer die begründete Besorgnis der Verwirklichung des angedrohten Übels (die Augen und das Hirn herauszublasen) hervorzurufen.

Mit dem zu Faktum 7 erhobenen Vorwurf, das Erstgericht habe die entlastende Aussage der Christine D***** übergangen, wonach sie die Türe ohnedies aufgemacht hätte und sonach das Öffnen der Türe nicht erzwungen wurde, unternimmt der Beschwerdeführer bloß den Versuch einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung. Die Tatrichter folgten nämlich insoweit den belastenden Angaben der Zeugin vor der Gendarmerie (S 28) und waren der Auffassung, daß sie diese in der Hauptverhandlung abzuschwächen trachtete (US 11).

Gleiches gilt für die Behauptung, der zum Vergehen nach § 125 StGB

(1) angenommene Beschädigungsvorsatz sei eine bloße Vermutung zu Lasten des Angeklagten. Die erkennenden Richter haben den diesbezüglichen Eventualvorsatz zulässigerweise aus der Heftigkeit des Zuschlagens (US 9) erschlossen.

Gegen diese Urteilsannahme ergeben sich für den Obersten Gerichtshof nach Prüfung der Akten an Hand des Beschwerdevorbringens (Z 5 a) auch keine erheblichen Bedenken.

Verfehlt ist die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertretene Ansicht, die Verwirklichung des Vergehens des Hausfriedensbruches erfordere, "daß der (angedrohte) Schaden im Vermögen des Bedrohten eintreten müßte". Drohung mit Gewalt im Sinne des § 109 Abs 1 StGB stellt auf die Einflößung begründeter Besorgnis durch die Ankündigung von Gewalt gegen eine Person oder eine Sache ab (Leukauf/Steininger Komm3 § 109 RN 10; Kienapfel BT I3 § 109 RN 19; 11 Os 32/87). Über eine gefährliche Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB hinausgehend muß das angedrohte Übel zwar in einer Gewaltanwendung bestehen. Andererseits beschränkt aber § 109 Abs 1 StGB mangels Verweises auf den Rechtsbegriff einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB den Drohbegriff nicht darauf, daß sich das angekündigte Übel gegen den Bedrohten selbst oder gegen den eng umschriebenen Kreis von dessen Sympathiepersonen richtet. Vielmehr ist jede Drohung mit Gewalt tatbestandsmäßig, die auf die Erzwingung des Eintritts bzw das Eindringen in die Wohnstätte eines anderen zielt und mit Rücksicht auf die Verhältnisse und die persönliche Beschaffenheit des Bedrohten oder das Gewicht des angedrohten Übels diesem begründete Besorgnis einflößt (Bertel in WK § 109 Rz 11). Allerdings ist bei Drohungen mit Gewalt gegen fremde Personen und Sachen jeweils konkret zu prüfen, ob die einer Drohung wesensimmanente Eignung, dem Bedrohten durch das angekündigte Übel begründete Besorgnis einzuflößen, auch in bezug auf die in Aussicht genommenen Angriffsziele der Übelszufügung gegeben ist. Sowohl die Wohnstätte nach § 109 Abs 1 StGB als auch die in § 109 Abs 3 StGB genannten Räumlichkeiten werden unabhängig von der rechtlichen Position der das Hausrecht in Anspruch nehmenden Person (die nur in den wenigsten Fällen auch Eigentümerin des Objekts ist) geschützt (vgl SSt 56/26). Die hier angekündigten Einwirkungen auf Bestandteile dieser Örtlichkeiten beugen den Willen des Schutzberechtigten geradezu typischerweise. Daraus ergibt sich, daß die Drohung mit Gewalt gegen Sachen aus dem Nahebereich der vom Hausrecht geschützten Räume unabhängig von den Eigentums- und Vermögensverhältnissen an der Wohnung oder Räumlichkeit selbst tatbildlich wirkt (idS Bertel/Schwaighofer BT I4 § 109 Rz 7; SSt 56/26; 11 Os 32/87).

Der Beschwerdeführer rügt ferner Feststellungsmängel in Ansehung einzelner Tatbestandselemente, und zwar hinsichtlich der Sachbeschädigung (1) zur Wissenskomponente des Beschädigungsvorsatzes, hinsichtlich der schweren Nötigung (3) zur Absicht, Robert H***** zum Unterlassen einer Anzeige zu bewegen, und hinsichtlich des Hausfriedensbruches (7) zur Willensbeugung. Dabei übergeht er indes die entsprechenden positiven Urteilsannahmen (US 6 und 7) und verfehlt solcherart den notwendigen Vergleich des festgestellten Sachverhaltes mit dem darauf angewendeten Gesetz als Voraussetzung der prozeßordnungsgemäßen Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Dies trifft auch auf die Subsumtionsrüge (Z 10) zu, welche von dem hinsichtlich der Fakten 3, 5 und 9 des Urteilssatzes festgestellten Bedeutungsinhalt der qualifizierten Drohungen (als Tatfrage) abweicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung die mehrfachen Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Straftaten, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Wiederholung der gefährlichen Drohung gegenüber Theresia und Andreas R***** sowie Waltraud O***** als erschwerend; als mildernd hingegen das teilweise Geständnis.

Die Berufung wegen des Strafausspruches, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe von 18 Monaten anstrebt, ist unbegründet. Weder in der Verzeihung durch Christine D***** (Fakten 4 bis 7) noch in der späten Anzeigenerstattung (Faktum 9) sind entscheidende zusätzliche Milderungsgründe zu erkennen, die ungeachtet des schwer getrübten Vorlebens des Angeklagten eine Ermäßigung der Strafe rechtfertigen könnten.

Durch die Verlängerung der Probezeit (§ 494 a Abs 6 StPO) wurde der Beschwerdeführer gleichfalls nicht benachteiligt.

Schließlich war auch der Berufung wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche ein Erfolg zu versagen.

Der Einwand, die Schadenshöhe habe nicht genau erhoben werden können, weil "lediglich ein Anbot der Firma Th***** vorliegt", versagt. Aus der Aussage des Robert H***** geht hervor, daß für die Behebung des Schadens am Schließmechanismus der Wohnungstüre 2.640 S in Rechnung (S 238) gestellt wurden.

Mit der weiteren Behauptung, es hätte nur die Hälfte des Schadens zugesprochen werden dürfen, weil der Privatbeteiligte "in seiner Einvernahme angegeben hat, daß er die Hälfte des Schadensbetrages refundiert hätte", übergeht der Berufungswerber die Tatsache, daß der Geschädigte diese Zusage von der vorausgehenden Bezahlung des (vollen) Rechnungsbetrages abhängig machte, welche Bedingung nicht eintrat.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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