OGH 1Ob2217/96b

OGH1Ob2217/96b3.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Christine B*****, vertreten durch Dr.Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte und widerklagende Partei Dipl.Ing.Eugen B*****, vertreten durch Dr.Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichts vom 18.April 1996, GZ 2 R 412/95-77, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20.September 1995, GZ 28 C 68/93-56, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 17.917,40 S (Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile verehelichten sich am 18.August 1984. Mitte 1985 gebar die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden kurz: Klägerin) ihren ersten Sohn, den jedoch noch im Oktober 1985 der plötzliche Säuglingstod traf. Der Ehe entsprossen sodann die am 5.September 1986 geborene Eva und der am 30.Mai 1990 geborene Lukas. Bis März 1990 hatten die Streitteile ihren ehelichen Wohnsitz in Graz. Der Beklagte und Widerkläger (im folgenden kurz: Beklagter) war in verschiedenen Zivilingenieurbüros als Techniker beschäftigt, die Klägerin hatte infolge einer Behinderung an einem Knie und Problemen mit ihrem Hüftgelenk einen geschützten Arbeitsplatz als Datatypistin. Die Liegenschaft mit der ehelichen Wohnung stand im Alleineigentum der Klägerin. Sie war überdies Eigentümerin „eines weiteren Hauses“. Aus gemeinsamen Ersparnissen erwarben die Streitteile 1986 ein ihnen je zu Hälfte gehörendes Wochenendhaus. Anläßlich der Eheschließung erbot sich die Klägerin, dem Beklagten einen Hälfteanteil jener Liegenschaft zu schenken, auf der sich die eheliche Wohnung befand. Das lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, er wolle sich als Techniker selbständig machen und befürchte, daß Gläubiger, träte ein Haftungsfall ein, auf dieses Liegenschaftsvermögen greifen könnten. Etwa 14 Tage nach dem Tod des ersten Kindes der Streitteile organisierte der Beklagte in der ehelichen Wohnung eine Gesprächsrunde, an der neben den Streitteilen ein Pfarrer, eine Kinderärztin und beide Mütter der Ehegatten teilnahmen. Die Klägerin schien damals so kurz nach dem Tod ihres ersten Kindes in ihrer Rolle als Gastgeberin überfordert zu sein. Sie war seit dem Ableben ihres Kindes auch besonders ängstlich. Sie hatte eine schwere Kindheit und empfindet bis heute eine starke Bindung an ihre Mutter. Der Beklagte war dagegen aktiv und bestrebt, in seiner Freizeit mit der Familie etwas zu unternehmen. Dagegen verbrachte die Klägerin ihre Freizeit am liebsten bei ihrer Familie zu Hause und bei ihren Eltern. Zwischen den Familien der Streitteile gab es seit Beginn der Ehe Spannungen. Der Beklagte versuchte der Klägerin die Haushaltsarbeit durch die Anschaffung moderner Geräte so leicht wie möglich zu machen und half, soweit ihm seine beruflichen Verpflichtungen dafür Zeit ließen, auch selbst im Haushalt mit. Er hatte mit der Familie zahlreiche „ausgiebige Reisen“ unternommen. Als Eva einige Monate alt war, planten die Streitteile einen mehrwöchigen Urlaub in den USA gemeinsam mit ihren Müttern und dem Kind. Die Klägerin hatte wegen des plötzlichen Säuglingstods ihres ersten Kindes Bedenken, diese Reise mit Eva zu unternehmen. Der Kläger versuchte erfolglos, eine Kinderärztin, die Erfahrung mit dem plötzlichen Säuglingstod hatte, dazu zu veranlassen, die Bedenken der Klägerin zu zerstreuen. Dennoch wurde der geplante Urlaub 1987 in der Dauer von fünf bis sechs Wochen abgewickelt. 1988 und 1989 verbrachten die Streitteile noch zwei Urlaubsaufenthalte in Neuseeland. Dieses Land interessierte den Beklagten damals schon beruflich. Solange die Streitteile ihren ehelichen Wohnsitz in Österreich hatten, konsumierte der Beklagte „zumindest manchmal drei bis vier Flaschen Bier pro Tag“. Er ist als „Mensch und Ehepartner“ sehr analytisch und vorausplanend und versucht in der Folge, auch seinen Willen durchzusetzen. Ende 1989/Anfang 1990 ergab sich für den Beklagten die Möglichkeit, für seinen Grazer Dienstgeber aufgrund eines zum Ende jeden Jahres kündbaren Vierjahresvertrags in Neuseeland berufstätig zu werden. Die Klägerin war skeptisch und unentschlossen, ließ sich aber vom Beklagten schließlich von den Vorteilen einer solchen Berufstätigkeit überzeugen und war mit der Übersiedlung, die dann im März 1990 stattfand, schließlich einverstanden, Damals war sie gerade wieder schwanger. Die Streitteile wohnten in Neuseeland zuerst in einem Strandmotel. Etwa im Mai 1993 zogen sie in ein um rund 1,800.000 S gekauftes Einfamilienhaus, das im gleichteiligen Miteigentum der Ehegatten steht. Die Finanzierung erfolgte aus gemeinsamen Ersparnissen und Darlehen der Mütter der Ehegatten. Die berufliche Aufgabe des Beklagten bestand darin, für seinen Grazer Arbeitgeber im Bereich Neuseeland und Australien Kunden anzuwerben. Diese Tätigkeit wurde mit 60.000 S netto monatlich honoriert. Davon wurden 25.000 S für Darlehensrückzahlungen an die Mütter der Streitteile verwendet. Der Restbetrag von 35.000 S wurde auf ein Bankkonto in Neuseeland überwiesen, für das auch die Klägerin zeichnungsberechtigt war. Diese verfügte über eine „Scheckbankomatkarte“ und bezog im übrigen ein jeweils nach Neuseeland überwiesenes Mietzinseinkommen von 11.000 S monatlich. Die Einkäufe erledigte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nach einer Vereinbarung der Streitteile der Beklagte. Der Klägerin standen - abgesehen von ihren Kontoverfügungen - wöchentlich mehr als 420 S zur Verfügung. Die Strom- und Telefonkosten bezahlte der Beklagte. Die Klägerin war in Neuseeland vereinbarungsgemäß weiterhin als Hausfrau tätig. Die Streitteile waren Mitglieder in einem Babysitterklub und konnten deshalb zweimal oder öfter monatlich ausgehen. Die Klägerin hatte durch eine Gruppe junger Mütter Kontakt zu Einheimischen. Materiell fehlte es den Streitteilen an nichts. Sie hatten bis zu vier Autos zur Verfügung und über eine Freizeitorganisation ein zeitlich beschränktes Gebrauchsrecht an einem Ferienhaus auf den Fidji-Inseln. Nachdem die Klägerin ihren Sohn Lukas geboren hatte, wurde dieser als mögliches Risikokind in bezug auf einen plötzlichen Säuglingstod durch ein einschlägiges Institut in Neuseeland betreut. Für etwa zwei Jahre hatten die Streitteile auch eine Haushaltshilfe und eine zeitweilige Kinderbetreuung. Bei der Bekleidung der Kinder war der Beklagte extrem sparsam. Sie trugen hauptsächlich gebrauchte Kleider, die die Ehegatten von Bekannten oder Verwandten erhalten hatten. Der Beklagte geizte jedoch nicht mit Geschenken an die Klägerin. Diese erhielt Schmuck, gelegentlich Blumen, aber auch nützliche Sachen wie Haushaltsgeräte und Einrichtungsgegenstände. Die Klägerin zeigte sich allerdings auch in Neuseeland ängstlich. Aus Furcht vor Nachbarhunden wurde auf ihren Wunsch das Wohnhaus der Familie eingezäunt. Da ihr dieses zu kalt erschien, wurde auch ein Wintergarten errichtet. Der Beklagte hatte die Eigenheit, die Kinder „möglichst früh auf seine Weise zur Selbständigkeit und Anpassungsfähigkeit zu erziehen“. Waren Eva oder Lukas krank, durften sie nicht im gemeinsamen Schlafzimmer nächtigen. Als sie 2 1/2 oder 3 Jahre alt waren, mußten sie bereits Salat verzehren. Bei einem Australienurlaub 1990 oder 1991 hielt der Beklagte während einer Fahrt nicht an, als die Klägerin gerade Lukas stillen mußte. Im März 1992 wurde das Dienstverhältnis des Beklagte aus „marktwirtschaftlichen Gründen“ aufgelöst. Der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, nach einer Rückkehr in die Heimat noch sechs Monate bei seinem Grazer Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben. Dieser hätte auch die Übersiedlungskosten getragen. Der Beklagte „entschied sich jedoch für den Weg in die Selbständigkeit als Spezialist für Kleinkraftwerke“. Dem trat die Klägerin nicht entgegen. Mit dem „Sprung in die Selbständigkeit“ waren allerdings nicht unwesentliche Einkommenseinbußen verbunden. Der Beklagte verdiente 1993 etwa 210.000 S und 1994 nur mehr 104.400 S, da ihn die Eheprobleme in jeder Hinsicht sehr in Anspruch nahmen. Ab diesem Zeitpunkt begann der Beklagte stärker dem Alkohol zuzusprechen. Zumindest ein- bis zweimal jährlich trank er entweder zwei Flaschen Wein (0,7 Liter je Flasche) oder bis zu zwölf Dosen Bieter (0,33 Liter je Dose) und schlief dann ein. Seither trinkt der Beklagte, wenn er sich in einer psychisch angespannten Situation befindet. Er kann aber „als gemütswarmer, einfühlsamer, taktvoller und empfindsamer Mensch beschrieben werden“. Seine intellektuelle Leistungsfähigkeit liegt im oberen Durchschnitt. Der Beklagte ist noch nicht alkoholkrank, sondern befindet sich in einer Phase, in der Alkohol als Entspannungs- und Entängstigungsmittel verwendet wird. 1992 verbrachten die Streitteile mit ihren Kindern einen Europaurlaub in der Dauer von sieben Wochen und hielten sich dabei insbesondere auch in Österreich auf. Damals war deren Ehe „schon merklich problembehaftet“. Sie unterzogen sich daher zweimal einer Eheberatung in Graz. Nach dem Urlaubsende wurde die Eheberatung in Neuseeland in Abständen von 14 Tagen fortgesetzt. Der Beklagte hatte den Eindruck, daß diese Maßnahmen erfolgreich waren. Überdies besuchten die Streitteile einen Elternkurs, weil der Beklagte seine Ehegattin als mit den Erziehungsproblemen überfordert ansah. Für die Klägerin war die Ehe seit Jänner 1993 wegen des Alkoholkonsums ihres Ehegatten unheilbar zerrüttet. Sie war bei der Eheberatung in Neuseeland nur „zum Schein“ auf alles eingegangen, um die Möglichkeit zu haben, dieses Land zu verlassen. Ihr damaliger Rechtsbeistand veranlaßte über das österreichische Konsulat die Eintragung beider Kinder in den Reisepaß ihrer Mutter. Am 23.April 1993, das war ein Tag, nachdem ein Elternabend stattgefunden hatte, verließ die Klägerin ohne Wissen und Einverständnis des Beklagten mit beiden Kindern Neuseeland und reiste nach Österreich. Nachdem der Beklagte das erfahren hatte, erwirkte er eine vorläufige Pflegschaftsverfügung des zuständigen Familiengerichts in Auckland, die beide Kinder der Obhut des Beklagten unterstellte. Am 30.April 1993 reiste auch der Beklagte nach Österreich. Die Klägerin und deren Eltern verwehrten ihm zunächst den Kontakt mit den Kindern. Beide Elternteile stellten in der Folge Anträge auf Übertragung der Obsorge. Nach Interventionen bei der Polizei, dem Jugendamt und dem Gericht konnte der Beklagte die beiden Kindern schließlich zwei Tage lang zu sich nehmen. Damals erhob die Klägerin gegen den Beklagten auch den Vorwurf, seine Tochter Eva bereits seit längerer Zeit sexuell mißbraucht zu haben, indem er sie beim Baden und Spielen wiederholt im Genitalbereich betastet habe. Eine vom Rechtsberater der Klägerin erstattete Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Graz jedoch am 23.Juni 1994 zurückgelegt. Nachdem der Beklagte während seines Österreichaufenthalts im Frühjahr 1993 zunächst Schwierigkeiten gehabt hatte, die Kinder zu besuchen und zu sich zu nehmen, gelang es schließlich, die Klägerin unter Mitwirkung des Jugendamts davon zu überzeugen, die Kinder dem Beklagten für einige Stunden zu überlassen. In der Folge verbrachte der Beklagte die beiden Kinder Anfang Juni 1993 nach Neuseeland. Im Oktober 1993 kehrte auch die Klägerin dorthin zurück. Sie bewohnte um einen monatlichen Mietzins von 140 Neuseeland-Dollar ein einfaches Appartement und erhielt monatlich 199 Neuseeland-Dollar an Sozialunterstützung. Die Kinder lebten weiter beim Beklagten. Im Oktober und November 1993 hatte die Klägerin mehrfach Besuchskontakte mit ihnen. Durch die Entscheidung des zuständigen Familiengerichts in Auckland vom 16.Dezember 1993 wurde die Obsorge über die Kinder zwischen den Streitteilen geteilt. Innerhalb von 14 Tagen waren die Kinder acht Tage beim Beklagten und sechs Tage bei der Klägerin. Für den Beklagten ist die Ehe seit dem Zeitpunkt unheilbar zerrüttet, als die Klägerin ihm Mitte 1993 den Vorwurf machte, Eva sexuell mißbraucht zu haben. Im Laufe des Frühjahrs 1994 begehrte der Beklagte von der Klägerin mehrfach die Übertragung des Hälfteeigentums an der Grazer Liegenschaft, auf der sich nach der Eheschließung die eheliche Wohnung befand. Dem stimmte die Klägerin Mitte 1994 zu, weil sie hoffte, dadurch eine Intensivierung ihres Kontakts mit den Kindern erreichen zu können. Seit Beginn der „massiven Eheprobleme“ im Jahr 1992 hatte der Beklagte die Klägerin einige Male als „Drecksau, Hurenstück, Trottel“ beschimpft. Die Klägerin hatte über ihre familiäre Situation mehrmals Interviews gegeben. Im Juli 1993 erschien unter der Überschrift „Ehemann entführt Tochter und Sohn nach Neuseeland“ in der Zeitschrift „Frau im Spiegel“ ein langer Artikel, der dem Beklagten vorwarf, gewalttätig geworden zu sein, nur an sich selbst gedacht und die Kinder nach Neuseeland entführt zu haben. Auch in zwei anderen Printmedien erschienen Artikel mit ähnlichen Vorwürfen. Der Beklagte war allerdings „gegenüber seiner Familie nie gewalttätig“. Anfang Juli 1994 gab die Klägerin dem zustehenden Familiengericht in Auckland bekannt, sie werde nach Österreich zurückkehren. Daraufhin wurde dem Beklagten mit „gerichtlicher Verfügung“ vom 1.Juli 1994 das alleinige Sorgerecht für die Kinder bis zu deren Alter von 16 Jahren übertragen. Ende Juli 1994 verließ die Klägerin Neuseeland und reiste nach Österreich. Der Beklagte lebt nach wie vor im Haus der Streitteile in Neuseeland. Auch dessen Mutter hält sich „über lange Phasen“ dort auf. Dem Beklagten ist es derzeit nur mit Hilfe der finanziellen Unterstützung seiner Muttter möglich, in Neuseeland „über die Runden zu kommen“.

Die Klägerin begehrte die Ehescheidung und brachte im wesentlichen vor, der Beklagte habe sich ihr gegenüber lieblos und egoistisch verhalten. Er habe sie eingeengt und isoliert und dabei Kontakte zu anderen Personen unterbunden. Sie sei von ihm beschimpft worden und er habe ihr vorgehalten, im Zeitpunkt der Eheschließung nicht jungfräulich gewesen zu sein. Er habe sich einer Unterhaltsverletzung schuldig gemacht und übermäßig dem Alkohol zugesprochen. Er versuche, das ihr von den Eltern geschenkte Vermögen zu verwerten. Er verhalte sich gegenüber den Kindern verantwortungslos und habe ihren Kontakt mit ihnen unterbunden. Eva habe der Beklagte sexuell mißbraucht. Sie selbst habe er zum Beischlaf genötigt und in Neuseeland überdies eine ehewidrige Beziehung aufgenommen.

Der Beklagte, der einen Mitschuldantrag stellte, aber auch selbst eine Widerklage auf Scheidung einbrachte, wendete im wesentlichen ein, die Klägerin sei mit seinem Verdienst zufrieden gewesen, habe aber hohe finanzielle Anforderungen gestellt. Sie habe Neuseeland im April 1993 unter Mitnahme der Kinder verlassen und sei zu ihren Eltern nach Österreich gefahren, ohne ihn vorher informiert zu haben. Sie habe die unhaltbaren Anschuldigungen erhoben, er sei Alkoholiker und habe seine Tochter sexuell mißbraucht. Er sei von der Klägerin zweimal grundlos verlassen worden. Als er sich selbständig gemacht habe, habe sie ihn nicht unterstützt. Er habe nur Vorwürfe gehört, sie fühle sich kontrolliert, er habe zu wenig Zeit für sie und erbringe auch zu geringe Leistungen. Die Klägerin habe ihre Anschuldigungen auch in mehreren Zeitschriften publizieren lassen.

Das Erstgericht gab den Scheidungsbegehren gemäß § 49 EheG „aus dem gleichteiligen Verschulden der Streitteile“ statt.

Das Berufungsgericht änderte diese von beiden Parteien nur im Verschuldensausspruch bekämpfte Entscheidung nach Durchführung einer Beweiswiederholung dahin ab, daß das Verschulden des Beklagten an der Ehescheidung überwiege. Es sprach im übrigen aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei, und traf noch folgende ergänzende Feststellungen:

Das monatliche Mietzinseinkommen der Klägerin von 11.000 S sei im ersten Jahr für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen in Neuseeland verwendet worden. Teilweise habe die Klägerin damit ihre Rechtsanwaltskosten bestritten. Im übrigen sei ein Computer für Neuseeland gekauft worden. Ab August 1993 sei „das Objekt nicht mehr vermietet“ gewesen. Die Ehe sei bis 1987 gut gegangen. Danach sei eine eheliche Entwicklung eingetreten, die den Beklagten „immer mehr zum Egoisten“ gemacht. Die Klägerin habe tun müssen, was der Beklagte wollte. Dieser habe immer wieder seinen Willen ohne entsprechende Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Klägerin und der Kinder, wie etwa beim Amerika-Urlaub 1987, durchgesetzt. Er habe die Klägerin bei diesem Urlaub mit der 2-jährigen Eva im Zelt übernachten lassen, obwohl es sehr kalt gewesen sei. Er habe kein Verständnis dafür gehabt, daß der Klägerin die Übersiedlung nach Neuseeland wegen ihrer Schwangerschaft sehr schwer gefallen sei. Es habe ihm auch an Rücksichtnahme „für ihre Ängstlichkeit im Zusammenhang mit ihrer Sorge um die Kinder“ gefehlt. Bei den Australien-Urlauben in den Jahren 1990 und 1991 „peitschte der Beklagte ein extremes Programm durch“. So habe er etwa auf der Fahrt nicht angehalten, wenn die Klägerin Lukas stillen mußte. Er sei der Meinung gewesen, etwas versäumen zu können, wenn er nicht weiterfahre. Er habe gesagt, Zeit sei kostbar. Er habe es auch an Verständnis dafür fehlen lassen, daß die Kinder und die Klägerin „viel mehr Ruhe gebraucht hätten“. Er sei ein Mensch, der in kurzer Zeit viel unterbringen wolle. Die Klägerin habe dem Beklagten die Hälfte ihrer Liegenschaft, auf der sich die erste Ehewohnung befand, deshalb schenkungsweise übertragen, weil dieser gesagt habe, sie könne dann zu den Kindern zurückkommen, wenn sie „auch die Scheidung“ zurückziehe.

In rechtlicher Hinsicht erwog das Berufungsgericht, spätestens Mitte des Jahres 1993 sei die vollkommene Zerrüttung der Ehe eingetreten gewesen. Die der Klägerin vorgeworfenen Eheverfehlungen fielen „zum Großteil in die Endphase dieser Zerrüttung“, teilweise lägen sie zeitlich sogar danach. Sie könnten daher bei der Bewertung des Verschuldens der Klägerin „nicht mehr so stark ins Gewicht“ fallen. Als Eheverfehlungen der Klägerin seien deren übertriebene und für den Beklagten belastende Anspruchshaltung, ihr mangelnder Beistand in der schwierigen wirtschaftlichen Umstellungsphase im März 1992 und die Herabsetzung des Beklagten durch teilweise ungerechtfertigte und in den Medien wiedergegebene Vorwürfe - insbesondere über dessen angebliche Gewalttätigkeit - maßgebend. Die Strafanzeige der Klägerin wegen eines angeblichen sexuellen Mißbrauchs ihrer Tochter durch den Beklagten stelle dagegen keine Eheverfehlung dar, weil sie „nicht wider besseres Wissen“, um dem Beklagten zu schaden, erstattet worden sei. Auch „das Verlassen des Beklagten mit den Kindern im April 1993“ sei nicht als „entscheidende Eheverfehlung der Klägerin“ anzusehen, sei doch die Beziehung der Streitteile zu diesem Zeitpunkt bereits durch das Verschulden des Beklagten weitgehend zerrüttet gewesen. Der Klägerin sei außerdem „ein Weiterverbleib in der ehelichen Gemeinschaft bei dem festgestellten, durch den Alkoholismus des Beklagten bestimmten Verhalten wohl kaum zumutbar“ gewesen. Der Beklagte habe durch sein „egoistisches, wenig einfühlsames, eher oft rücksichtsloses Verhalten der Klägerin und den Kindern gegenüber vom Anfang der Ehe an die entscheidenden Ursachen für deren Zerrüttung gesetzt“. Diese Situation habe sich durch den zunehmenden Alkoholismus des Beklagten im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten Anfang 1992 und durch die Beschimpfungen der Klägerin verschärft. Die Unterbindung elterlicher Kontakte zu den Kindern sei beiden Teilen in gleicher Weise vorzuwerfen. Soweit die Klägerin weitere Eheverfehlungen des Beklagten behauptet habe, sei ihr der Beweis nicht gelungen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

Das Berufungsgericht will für das Scheitern der Ehe der Streitteile in erster Linie einen rücksichtslosen Egoismus des Beklagten verantwortlich machen. Diesen Vorwurf trägt aber den um die ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichts vermehrte Sachverhalt nicht. Dabei ist vor allem hervorzuheben, daß die Ehegatten zunächst alle wesentlichen Entscheidungen im Verlauf ihrer ehelichen Gemeinschaft einvernehmlich trafen. Das gilt besonders auch für die Übersiedlung der Familie nach Neuseeland. Mag diese der Klägerin „wegen ihrer Schwangerschaft“ auch schwer gefallen sein, so kann im mangelnden Verständnis der schließlich im Einvernehmen mit der Klägerin beschlossenen Veränderung der bestehenden Lebenssituation kein Verschulden erblickt werden. Soweit das Gericht zweiter Instanz aus bestimmten Details des Verhaltens des Beklagten (Weiterfahren während des Stillens eines Kindes, Übernachten im Zelt trotz Kälte, Durchpeitschen eines extremen Urlaubsprogramms) das Charakterbild eines hemmungs- und rücksichtslosen Egoisten zu zeichnen versucht, verträgt sich das nicht mit den auch im Berufungsverfahren übernommenen Feststellungen, wonach der Beklagte als ein „gemütswarmer, einfühlsamer, taktvoller und empfindsamer Mensch beschrieben werden kann“. Diese grundlegende Wesensart vermögen die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellten Einzelereignisse aber nicht vollständig zu verdrängen. Wenn auch der Beklagte jeweils danach strebte, seinen Willen in den wesentlichen Entscheidungen über den künftigen Lebensweg der Familie durchzusetzen, gelang es ihm doch immer, das Einverständnis der Klägerin herbeizuführen. Dabei kann den Feststellungen nicht entnommen werden, daß sich der Beklagte dabei verwerflicher seelischer Druckmittel bedient hatte. Im Ergebnis strebte er vorerst nur eine Verbesserung und Absicherung der wirtschaftlichen Existenz der Familie an. Er war auch praktisch immer für die Familie da, soweit es seine Berufstätigkeit zuließ. Er versuchte, der Klägerin die Haushaltsarbeit durch die Anschaffung einer modernen Einrichtung zu erleichtern, arbeitete selbst im Haushalt mit, zäunte das Wohnhaus in Neuseeland ein, um der Klägerin die Furcht vor Nachbarhunden zu nehmen, und errichtete auch einen Wintergarten, weil der Klägerin das Haus zu kalt schien. Dieser fehlte es zunächst auch in materieller Hinsicht an nichts. Der Beklagte war ihr gegenüber aufmerksam und beschenkte sie mit Schmuck und Blumen. Die Klägerin war auch in keiner Weise eingeengt, hatte Kontakt zu Einheimischen und die Streitteile konnten auch immer wieder ausgehen. Der Beklagte ist noch kein Alkoholiker. Es fanden keine Mißhandlungen der Klägerin statt. Der festgestellte Umgang des Beklagten mit dem Alkohol war daher - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch kein ausreichender Grund, die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft für die Klägerin „wohl kaum zumutbar“ erscheinen zu lassen.

Damit gewinnt aber das Verhalten der Klägerin, sich zum Schein einer Eheberatung mit dem ihr noch vertrauenden Beklagten zu unterziehen, in Wahrheit aber nur mehr die heimliche Abreise mit den minderjährigen Kindern aus Neuseeland vorzubereiten, an Bedeutung. Den Beklagten unter diesen Umständen böswillig zu verlassen, war ein gravierender Vertrauensbruch und als solcher eine schwere, noch vor der vollständigen Zerrüttung der ehelichen Lebensgemeinschaft begangene Eheverfehlung. Das darf nicht bagatellisiert werden. Die durch das Berufungsgericht vorgenommen Verschuldensabwägung erweist sich somit als erhebliche Fehlbeurteilung, die im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO korrigiert werden muß. Die dem Beklagten anzulastenden Eheverfehlungen - einige massive Beschimpfungen der Klägerin, sein das Eheverhältnis erkennbar beeinträchtigender Umgang mit dem Alkohol und die mitunter in mangelnder Rücksichtnahme auf den Ehepartner praktizierten egoistischen Allüren - wiegen insgesamt nicht schwerer als die von der Klägerin zu verantwortenden Eheverfehlungen. Diese wurden - abgesehen vom böswilligen Verlassen des Beklagten unter Mitnahme der Kinder - bereits vom Berufungsgericht zutreffend gewürdigt. Alles in allem erweist sich daher, daß die vom Erstgericht ausgesprochene Verschuldensteilung selbst unter Berücksichtigung der ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichts bei der auch alle Illustrationsfakten einschließenden Gesamtabwägung den Vorzug verdient; daß das Verschulden der Klägerin fast völlig in den Hintergrund träte (zuletzt wieder etwa EFSlg 75.570), kann angesichts der vorinstanzlichen Feststellungen nicht gesagt werden. Es ist daher das Ersturteil in teilweise Stattgebung der Revision wiederherzustellen. Der durch den Beklagten primär angestrebte Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens der Klägerin wäre in der Gesamtschau der Eheentwicklung nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Streitteile sind gegeneinander aufzuheben. Der Beklagte hat auch die verzeichneten Reisekosten selbst zu tragen. Die gemäß § 43 Abs 1 ZPO gesondert abzurechenden Barauslagen (Pauschalgebühren und die vom Beklagten getragenen Dolmetscherkosten) ergeben den im Spruch ausgeworfenen Ersatzanspruch. Dabei ist hervorzuheben, daß die Klägerin im Berufungsverfahren offenbar aufgrund ihres später abgewiesenen Verfahrenshilfeantrags keine Pauschalgebühr verzeichnete.

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