OGH 4Ob2255/96p

OGH4Ob2255/96p1.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Schenk und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Gernot A*****, vertreten durch Dr.Georg Zanger und Mag.Michael Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Adolf Walter S*****, vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 550.000), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 31.Jänner 1996, GZ 5 R 7/96-45, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2.Oktober 1995, GZ 15 Cg 28/94y-41, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Beide Parteien betreiben in Wien Kontaktlinsenstudios.

Im November 1991 schickte der Kläger Christian W***** als Testkäufer zum Beklagten. Christian W***** erkundigte sich im Geschäft des Beklagten nach Kontaktlinsen für sein linkes Auge. Der Beklagte fragte Christian W***** nicht nach einer ärztlichen Verschreibung, wohl aber danach, ob er schon einmal Kontaktlinsen gehabt habe. Dies bejahte Christian W*****. Der Beklagte setzte dann Christian W***** zwei oder drei verschiedene Linsen ein.

Der Beklagte wußte, daß Christian W***** durch vier Jahre Kontaktlinsen getragen hatte.

Im April 1992 suchte Andrea M***** mit Wissen des Klägers das Geschäft des Beklagten auf. Dort wurde sie gefragt, ob sie schon Kontaktlinsen trage; sie bejahte dies. Auf die Frage des Beklagten antwortete sie, daß sie von einem Augenarzt im 1.Bezirk, dessen Name sie nicht in Erinnerung habe, schon Kontaktlinsen erhalten hätte. Der Beklagte nannte mehrere Namen solcher Augenärzte, darunter auch den Namen des Klägers. Trotzdem behauptete Andrea M***** wahrheitswidrig, daß keine dieser Personen ihr Augenarzt sei.

Da es zwischen dem Gremium der Kontaktlinsenoptiker und der Ärztekammer seit Dezember 1976 ein fair-play-Abkommen gibt, wonach Augenärzte Kunden von Kontaktlisenoptikern nicht abwerben sollen, gab der Beklagte Andrea M***** einen dem fair-play-Abkommen entsprechenden Begleitbrief für ihren Augenarzt mit und ersuchte sie, ihm die Verschreibung des Augenarztes nachzubringen. Sie versprach dies. Der Beklagte vermaß darauf die Augen Andrea M*****s. Am Nachmittag desselben Tages konnte sie die Linsen abholen. Sie brachte auch in der Folge bei einer Nachuntersuchung keine ärztliche Verschreibung und gebrauchte eine Ausrede. Entsprechend einer mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung gab sie diesem die Kontaktlinsen gegen Ersatz ihrer Spesen weiter.

Mit der Behauptung, daß der Beklagte gegen § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung BGBl 1976/698 und damit gleichzeitig gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoße, begehrt der Kläger, den Beklagten schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Kontaktlinsen bei Kunden ohne vorangegangene augenärztliche Untersuchung des Kunden und ohne augenärztliche Zustimmung zu dieser Maßnahme bzw ohne Vorliegen einer schriftlichen Bestätigung eines Augenarztes gemäß § 2 der genannten Verordnung anzupassen. Ferner stellt er ein Veröffentlichungsbegehren.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe niemals gegen § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung verstoßen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kontaktlinsenoptikerverordnung sei nur zu entnehmen, daß der Gesetzgeber eine Gesundheitsgefährdung habe vermeiden wollen. Da die Verordnung verhältnismaßig inhaltsleer sei, könne ein Verstoß des Beklagten gegen den Norminhalt nicht angenommen werden.

Das Gericht zweiter Instanz wies die gegen dieses Urteil erhobene Berufung als unzulässig zurück. Nach der Rechtsprechung des OGH (ÖBl 1994, 15 - Kontaktlinsen) sei es im Hinblick auf § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung erforderlich gewesen, daß dem Kontaktlinsenoptiker die schriftliche Bestätigung eines Facharztes für Augenheilkunde vorgelegt werde, aus der eindeutig entnommen werden konnte, daß das Anpassen der Kontaktlinsen die Gesundheit des Kunden nicht gefährde. Die bloß mündliche Bejahung der Frage nach dem Vorliegen einer solchen Bestätigung habe nicht ausgereicht. Zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz und der Entscheidung des Berufungsgerichtes habe sich jedoch die Rechtslage durch die Neufassung des § 2 Verordnung 1976/69 8 durch die Verordnung BGBl 1996/13 geändert. Das festgestellte Verhalten des Beklagten verstoße nicht gegen § 2 Verordnung 1976/69 8 idF BGBl 1996/13. Der Kläger sei daher durch die Abweisung seines Unterlassungsbegehrens nicht mehr beschwert, könnte er doch auch aufgrund eines stattgebenden Urteils jetzt nicht mehr Exekution führen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Klägers ist zwar jedenfalls zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

Der Kläger wendet sich nicht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß seine Beschwer dann weggefallen ist, wenn man den gültigen Rechtsbestand des § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung in der derzeit geltenden Fassung voraussetzt. Tatsächlich verstieße der Beklagte nicht gegen diese Norm, wenn er sich in Zukunft abermals so verhielte wie in den festgestellten Fällen. Da somit ein Verstoß gegen § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung aF begrifflich nicht mehr in Frage kommt, könnte eine Exekution aufgrund eines allenfalls klagestattgebenden Urteils nicht mehr geführt werden (OGH ÖBl 1991, 38 - Kaffee; KOG ÖBl 1991, 39 - Happy Day Apfelsaft II zur Rechtslage nach Aufhebung des § 3a NVG). Damit fehlt aber dem Kläger die eine Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels bildende Beschwer (SZ 49/22; SZ 53/86; SZ 61/6; ÖBA 1994, 404 uva).

Der Kläger meint freilich, § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung idF BGBl 1996/13 sei, weil dem Ärztegesetz widersprechend, gesetzwidrig und möge daher beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Dem ist nicht zu folgen:

Die gesetzliche Grundlage des § 2 Kontaktlinsenoptikerverordnung

sowohl idF BGBl 1976/698 als auch idF BGBl 1996/13 ist § 69 Abs 1

GewO 1973. Danach kann der Bundesminister für wirtschaftliche

Angelegenheiten "zur Vermeidung einer Gefährdung von Leben oder

Gesundheit von Menschen.... durch Verordnung festlegen, welche

Maßnahmen die Gewerbetreibenden bei der Gewerbeausübung hinsichtlich

.... der Dienstleistungen, die sie erbringen, zu treffen haben."

Zunächst hatte der zuständige Bundesminister mit § 2 der Verordnung über Ausübungsvorschriften für das konzessionierte Gewerbe der Kontaktlinsenoptiker vom 3.Dezember 1976 BGBl 698 bestimmt, daß das Anpassen von Kontaktlinsen nur dann vorgenommen werden darf, wenn bezüglich jener Person, der Kontaktlinsen angepaßt werden sollen, eine schriftliche Bestätigung eines Facharztes für Augenheilkunde vorliegt, daß keine Krankheit oder kein Zustand des Auges festgestellt worden ist, die das Anpassen von Kontaktlinsen ausschließen.

Wie der Oberste Gerichtshof hiezu ausgesprochen hat (ÖBl 1994, 15 - Kontaktlinsen), galt das nach dem Zweck der Norm ausnahmslos, also für das jedesmalige Anpassen von Kontaktlinsen, somit auch bezüglich solcher Personen, die schon Kontaktlinsenträger waren; mit einer mündlichen Bejahung des Vorliegens einer solchen Bestätigung durfte sich der Optiker keinesfalls zufrieden geben, umsoweniger damit, daß ein Kontaktlinsenträger seine Frage nach deren (früherer) fachärztlicher Verschreibung oder deren ärztlicher Indikation bejahte.

Mit Verordnung BGBl 1996 Nr 13 wurde § 2 der - gleichzeitig in "Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Ausübungsregeln für Kontaktlinsenoptiker" umbenannten - Verordnung BGBl 1976/698 dahin geändert, daß dieser nun lautet:

"§ 2 (1) Die Anpassung von Kontaktlinsen darf nur vorgenommen werden, wenn kein Hinweis auf eine Krankheit oder einen Zustand des Auges vorliegt, die das Anpassen von Kontaktlinsen ausschließen.

(2) Liegt ein solcher Hinweis vor, hat der Kontaktlinsenoptiker die Anpassungsarbeiten unverzüglich abzubrechen und dem Kunden den Besuch eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie nachweislich zu empfehlen.

(3) Der Kontaktlinsenoptiker hat den Kunden, dem Kontaktlinsen angepaßt wurden, auf das Erfordernis regelmäßiger Kontrolluntersuchungen durch einen Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie nachweislich hinzuweisen."

Nach § 223 GewO unterliegt der Kleinhandel mit Kontaktlinsen und das Anpassen von Kontaktlinsen der Bewilligungspflicht.

Die Gewerbeordnung enthält keine Bestimmung des Inhaltes, daß der Kontaktlinsenoptiker selbst Untersuchungen des Auges vorzunehmen hätte.

Nach § 2 Abs 1 ÄrzteG BGBl 1984/373 idgF ist die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes ausschließlich den Ärzten für Allgemeinmedizin, den Fachärzten und den approbierten Ärzten vorbehalten. Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes besteht gemäß § 2 Abs 2 ÄrzteG in der eigenverantwortlichen Ausführung der in § 1 Abs 2 und 3 ÄrzteG umschriebenen Tätigkeiten. Nach § 1 Abs 2 ÄrzteG umfaßt die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar an Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen Krankheiten,...., von Gebrechen oder Mißbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;

2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

.......

Mangels einer gesetzlichen Sonderregelung, die in Abweichung von den §§ 1 und 2 ÄrzteG den Kontaktlinsenoptikern das Recht zur Untersuchung von Augen in bestimmten Belangen einräumte, fehlt es daher an einer gesetzlichen Ermächtigung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, allein aufgrund § 69 Abs 1 GewO Kontaktlinsenoptiker mit einer solchen Untersuchung zu betrauen.

Damit ist aber für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen:

§ 2 Verordnung BGBl 1996/13 ermächtigt den Kontaktlinsenoptiker nicht, selbst das Auge seines Kunden daraufhin zu untersuchen, ob eine Krankheit oder ein Zustand vorliegt, die das Anpassen von Kontaktlinsen ausschlössen; diese Untersuchung bleibt dem Arzt vorbehalten. Eine solche Untersuchung hat auch der Beklagte in den festgestellten Fällen nicht durchgeführt.

Der Verordnungsgeber geht offenbar davon aus, daß es nicht erforderlich sei, jedesmal vor dem Anpassen von Kontaktlinsen eine (augen-)ärztliche Untersuchung vorzunehmen, weil durch das Anpassen von Kontaktlinsen keine Gefährdung der Gesundheit, hier also des Auges und seiner Sehkraft, zu erwarten sei. Nur dann, wenn der Kontaktlinsenoptiker ohne Untersuchung im Sinn des § 1 Abs 2 Z 1 und 2 ÄrzteG aufgrund der bloßen Betrachtung des Auges (also einer "Grobprüfung") Hinweise auf eine Kontraindikation erkennt, hat er das Anpassen von Kontaktlinsen abzulehnen und allenfalls begonnene Anpassungsarbeiten unverzüglich abzubrechen. Die dann erforderliche Untersuchung obliegt ohnehin dem Augenarzt.

Das bloße, mit der Arbeit des Kontaktlinsenoptikers notwendigerweise verbundene Betrachten des Auges seines Kunden ist noch keine Untersuchung im Sinn des Ärztegesetzes. Wie allgemein bekannt, kann auch ein Laie "Hinweise" auf eine allfällige Krankheit eines anderen Menschen wahrnehmen, ohne daß er mit dem bloßen Anschauen dieses Menschen schon in die Vorbehaltsaufgaben der Ärzte eingegriffen hätte. Der Verordnungsgeber geht davon aus, daß der Kontaktlinsenoptiker aufgrund seiner besonderen Ausbildung (vgl § 8 Verordnung BGBl 1981/114 und § 6 VO BGBl 1976/675) und Erfahrung befähigt ist, Hinweise auf Krankheit oder Gebrechen eines Auges, die dem Anpassen einer Kontaktlinse entgegenstehen, zu erkennen.

Ob der zuständige Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit § 2 Verordnung BGBl 1996/13 die ihm durch § 69 Abs 1 GewO erteilte Ermächtigung voll ausgeschöpft, also in ausreichendem Maße für die Gesundheit der Kunden von Kontaktlinsenoptikern vorgesorgt hat, ist nicht zu beurteilen. Eine Überschreitung der Ermächtigung liegt jedenfalls nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 89 Abs 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung des § 2 Verordnung BGBl 1996/13 zu stellen.

Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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