OGH 6Ob2215/96w

OGH6Ob2215/96w26.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des (ehemals) Betroffenen Josef P*****, geboren am 29.3.1950, ***** wegen Genehmigung eines Kaufvertrages, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 15. Mai 1996, GZ 21 R 280/96t-64, womit der Rekurs des Betroffenen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Gmunden vom 30. Jänner 1996, GZ 1 P 1229/95v-46, als verspätet zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23.5.1995 (ON 13) gemäß § 273 Abs 3 Z 2 ABGB zur Vertretung des Betroffenen in einem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren sowie zum Abschluß von Rechtsgeschäften und zur Vertretung vor Ämtern und Behörden bestellte Sachwalter hatte am 25.1.1996 zwei Liegenschaften des Betroffenen an Dritte um 1,2 Mio S verkauft.

Mit Beschluß vom 30.1.1996 genehmigte das Erstgericht den Kaufvertrag pflegschaftsbehördlich. Dieser Beschluß wurde dem erwähnten Sachwalter am 1.2.1996, dem Betroffenen am 29.2.1996 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt. Am 29.3.1996 gab der Betroffene einen Rekurs gegen die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages zu gerichtlichem Protokoll. Die Sachwalterschaft wurde mit seit Ende April 1996 rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 10.4.1996 für beendet erklärt und der Sachwalter seines Amtes enthoben (ON 62).

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Betroffenen als verspätet zurück. Der Betroffene sei grundsätzlich legitimiert gewesen, gegen den Genehmigungsbeschluß Rekurs zu erheben. Beim Verkauf einer Liegenschaft handle es sich um ein Geschäft mit besonderer Tragweite, das die Rechtsmittellegitimation des Betroffenen rechtfertige. Der Rekurs sei aber verspätet. Es könne auf ihn auch nicht gemäß § 11 Abs 2 AußStrG Rücksicht genommen werden, weil sich die angefochtene Verfügung nicht ohne Nachteil für die Liegenschaftskäufer abändern lasse.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Rechtsprechung zur "gegenständlichen Fallkonstellation" sei nicht auffindbar gewesen.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der anwaltlich vertretene ehemalige Betroffene die Abänderung dahin, daß die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrages versagt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508 a Abs 1 ZPO), unzulässig.

Vorweg ist zu bemerken, daß mit dem Revisionsrekurs zwar verfehlte Rekursanträge gestellt wurden, daß dem Rechtsmittel aber immerhin schlüssig entnommen werden kann, daß die ersatzlose Behebung des Beschlusses zweiter Instanz und eine meritorische Erledigung des Rekurses durch dieses Gericht angestrebt wird.

Der Rekurswerber stellt in Frage, daß die Käufer der Liegenschaft als Dritte im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG anzusehen seien. Sie hätten vor der noch nicht erteilten Genehmigung des Liegenschaftskaufes durch die Grundverkehrskommission noch kein Recht erlangt. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Es entspricht ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, daß durch die gerichtliche Genehmigung eines Schenkungs- oder Kaufvertrages die Vertragspartner bereits Rechte erwerben, sodaß auf einen verspäteten Rekurs nicht mehr Bedacht genommen werden kann (4 Ob 527-529/90, Leitsatz veröffentlicht in EFSlg 64.643). An dieser Beurteilung vermag eine allenfalls weiters noch erforderliche Genehmigung des Kaufvertrages durch die Grundverkehrskommission nichts zu ändern. Schon durch den Kaufvertrag und noch vielmehr nach Genehmigung desselben durch das Pflegschaftsgericht haben die Käufer der Liegenschaft zumindest bedingte Rechte auf Einverleibung des Eigentumsrechtes erworben, wobei es hier dahingestellt bleiben kann, ob es sich dabei um aufschiebend oder auflösend bedingte Rechte handelt. Auch bedingte Rechte von Dritten machen es unmöglich, verspätete Rekurse einer sachlichen Behandlung zu unterziehen. Eine Stattgebung des Rekurses würde zu einer Vernichtung der bedingten Rechte der Käufer führen. Daß dies nach § 11 Abs 2 AußStrG nicht zulässig ist, ergibt sich schon aus dem klaren Gesetzeswortlaut ("... ohne Nachteil eines Dritten"). Einer grundlegenden Äußerung des Obersten Gerichtshofs zu diesem Thema bedarf es nicht.

Als zweiten Rekursgrund führt der Rekurswerber zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels den Umstand ins Treffen, daß es einen "geradezu unüberbrückbaren Widerspruch" darstelle, dem Betroffenen wegen seiner Unfähigkeit, seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, einen Sachwalter zu bestellen, ihm aber andererseits zuzumuten, einen gerichtlichen Beschluß zu verstehen und die Rechtsmittelfrist zu wahren. Es hätte für den Betroffenen ein Kollisionskurator bestellt werden müssen. Auch dieser Rekursgrund ist nach der klaren Rechtslage nicht gegeben. Ein Kollisionsfall liegt nicht vor, weil nicht ein vom Betroffenen mit seinem Sachwalter abgeschlossenes Rechtsgeschäft, sondern ein solches zu beurteilen ist, das der Sachwalter als Vertreter des Betroffenen für diesen abgeschlossen hat. Ein Kollisionskurator hätte keine andere Aufgabe als der Sachwalter selbst, nämlich die Vertretung des Betroffenen beim Abschluß des Rechtsgeschäftes. Dem Rekurswerber kann lediglich darin zugestimmt werden, daß die Einräumung eines Rekursrechtes an den Betroffenen deshalb problematisch ist, weil ihm im Einzelfall die für die Erhebung eines Rechtsmittels erforderliche Einsicht fehlen kann und die Grenzen manchmal schwer zu ziehen sind. Diese Problematik war jedoch schon bei der Einführung des Sachwalterrechtes bekannt; der Gesetzgeber hat sich aber dennoch entschlossen, den Betroffenen zur Erweiterung des Rechtsschutzes ein eigenes Rekursrecht, beispielsweise im Bestellungsverfahren (§ 249 Abs 2 AußStrG) einzuräumen. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Rekurslegitimation von beschränkt Geschäftsfähigen auch in wichtigen Vermögensangelegen- heiten bejaht. Wegen der besonderen Tragweite der Vermögensangelegenheit soll sich der beschränkt Geschäftsfähige gegen Maßnahmen seines Vertreters oder des Pflegschaftsgerichtes zur Wehr setzen können. Diese Legitimation setzt allerdings voraus, daß die zur Wahrung der Rechte und im Interesse eines geordneten

Verfahrensablaufes notwendige geistige Reife vorliegt (8 Ob 508/91 =

EFSlg 67.306 = RPflSlg A 1991/8080 mwN). Wenn diese Reife nicht

vorliegt (der grundsätzlich rekurslegitimierte beschränkt Geschäftsfähige also beispielsweise nur ein völlig unverständliches Rechtsmittel einbringen kann), kann dies nur zur Folge haben, daß aus dem Grund der mangelnden Einsicht ein Rekursrecht (trotz verfügter Zustellung der Entscheidung an ihn persönlich) eben nicht zusteht (weil es gar nicht wahrgenommen werden kann). Für die im vorliegenden Fall vom Rekurswerber vertretene Auffassung, daß die Rechtsmittelfrist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginne, zu dem die Sachwalterschaft beendet wurde, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt. Sie würde einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen bedeuten und bewirken, daß diese unter Umständen erst nach Jahrzehnten mit allen Nachteilen für beteiligte Dritte abgeändert werden könnten. Auch zu dieser Frage bedarf es wegen der klaren Rechtslage keiner weitergehenden oberstgerichtlichen Stellungnahme. Mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Betroffenen zurückzuweisen.

Stichworte