OGH 5Ob2270/96a

OGH5Ob2270/96a24.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider den Antragsgegner Sport-Club *****, vertreten durch Dr.Haimo Puschner, Mag.Martin Spernbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 3 Abs 1 Sportstättenschutzgesetz, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Juni 1996, GZ 40 R 238/96p-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 2.Jänner 1996, GZ 6 Msch 40/94x-36, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragsgegners vom 24.7.1995 auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Sachbeschlusses vom 19.9.1994 ab, wobei es folgenden Sachverhalt als bescheinigt annahm:

Sitz des Antragsgegners ist *****. Dr.Walter S***** ist Präsident des Antragsgegners. Der an ihn an obige Adresse adressierte Sachbeschluß vom 19.9.1994, 6 Msch 40/94x-24, wurde am 26.9.1994 von Melitta H***** übernommen. Auf dem Rückschein wurde vermerkt, daß die Sendung von einem Arbeitnehmer des Empfängers übernommen wurde. Melitta H***** ist im *****ministerium als Schreibkraft tätig. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört auch die Übernahme von Rückscheinbriefen für die Abteilung ***** und die Abteilung ***** (Chef Dr.W*****, Stellvertreter Dr.S*****). Der Vorgang ist dabei der, daß der Postbote direkt zu ihr kommt; sie übernimmt die Rückscheinbriefe und unterfertigt die Rückscheine. Melitta H***** übernimmt und übernahm auch häufig Rückscheinbriefe und normale Post, die an den Antragsgegner adressiert sind und waren. Sie ist nicht Vereinsmitglied des Antragsgegners. Die an den Antragsgegner adressierte Post wird nicht von jener Post getrennt, die an die Behörde, dh das *****ministerium oder eine bestimmte Abteilung adressiert ist. Melitta H***** verrichtet auch unentgeltlich Schreibarbeiten für den Antragsgegner. Der Umstand, daß Melitta H***** für den Antragsgegner Post (Rückscheinbriefe und andere Poststücke) übernommen hat, wurde von den zuständigen Organen des Antragsgegners niemals gerügt, es ist vielmehr üblich, daß sie sowohl Privatpost als auch Post, die an den Sport-Club ***** adressiert ist, als auch Behördenpost übernimmt. Dr.Walter S***** war am 26.9.1994, dem Tag der Zustellung, nicht an der Abgabestelle anwesend. Er war vielmehr aufgrund eines Unfalls in der Zeit vom 26.9.1994 bis 3.10.1994 im Krankenstand und kehrte erst am 4.10.1994 an die Abgabestelle zurück. Melitta H***** hatte den Sachbeschluß am 26.9.1994 übernommen und ihn auf den Schreibtisch Dris.S***** gelegt. Als dieser aus dem Krankenstand zurückkehrte, fand er den von Melitta H***** übernommenen Sachbeschluß nicht auf, weil das diesbezügliche Kuvert aufgrund der Menge der angesammelten Poststücke offenbar in Verstoß geraten war. Er hatte aber Kenntnis, daß ein Sachbeschluß in der gegenständlichen Sache ergangen war, weil ihm eine Vorschreibung der Bundesgebäudeverwaltung übermittelt wurde. Auch in der Korrespondenz mit der Antragstellervertreterin wurde Dr.S***** auf den ergangenen Sachbeschluß hingewiesen.

Rechtlich erachtete das Erstgericht, daß Melitta H***** als geeignete Ersatzempfängerin hinsichtlich des § 16 Abs 1 und 2 ZuStG anzusehen sei, zumal eine Ersatzzustellung an einen Arbeitnehmer auch bei einer juristischen Person zulässig sei. Die Zustellung könne auch an jemanden erfolgen, der unentgeltlich das Geschäft des Empfängers führe und dort Dienste leiste.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge, änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß die Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 31.10.1994 gemäß § 7 Abs 3 EO aufgehoben wurde, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es nahm aufgrund der Aussage Dris.S***** zusätzlich als bescheinigt an, daß Melitta H***** an Dr.S***** persönlich adressierte Schriftstücke in der Vergangenheit übernommen hat und dazu auch befugt war, und führte im übrigen folgendes aus:

Das Erstgericht habe bereits in seiner Zustellverfügung hinsichtlich seines Sachbeschlusses vom 19.9.1994 Dr.Walter S***** als "Empfänger" in seiner Eigenschaft als Präsident des Antragsgegners bezeichnet. Diese Vorgangsweise des Erstgerichtes sei korrekt gewesen, zumal sie der Vorschrift des § 13 Abs 3 ZuStG entsprochen habe. Empfänger des Schriftstücks im formellen Sinn sei daher Dr.Walter S***** als Organ des Antragsgegners und nicht der Antragsgegner selbst gewesen. Ausgehend von einem formellen Empfängerbegriff könne eine Ersatzzustellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses nach § 16 Abs 1 und 2 ZustG nur an einen Arbeitnehmer Dris.S***** als Empfänger der Sendung, nicht aber an einen Arbeitnehmer des Antragsgegners selbst in Betracht kommen. Selbst wenn man dem Erstgericht darin folgen wollte, daß die Tatsache, daß die beim *****ministerium in der Abteilung ***** beschäftigte Schreibkraft Melitta H***** unentgeltlich Schreibarbeiten für den Antragsgegner ausgeübt habe, ihre Qualifikation als Ersatzempfängerin im Sinne des § 16 Abs 2 ZustG begründen könnte, vermöge das an der Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes deshalb nichts zu ändern, weil Melitta H***** nicht Arbeitnehmerin des Präsidenten des Antragsgegners Dr.Walter S***** sei noch für diesen nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverwalt arbeitnehmerähnliche Dienste verrichte. Damit sei eine wirksame Ersatzzustellung im Sinne des § 16 Abs 1 ZustG hinsichtlich des erstgerichtlichen Sachbeschlusses nicht erfolgt. Die Tatsache, daß es den Usancen entsprochen habe, daß sämtliche RSb-Briefe (auch solche, die an Dr.S***** persönlich gerichtet gewesen seien) in der Einlaufstelle des *****ministeriums abgegeben würden und der Postzusteller am nächsten Tag die unterfertigten Rückscheine wieder abhole, vermöge die Gesetzmäßigkeit der Zustellung des konkreten Sachbeschlusses ebensowenig zu begründen, wie die Tatsache, daß Melitta H***** an Dr.S***** persönlich adressierte Schriftstücke in der Vergangenheit übernommen habe und dazu auch befugt gewesen sei. Die in § 13 Abs 2 ZustG erwähnte Postvollmacht müsse nämlich ausdrücklich erfolgen und könne nicht etwa durch konkludentes Verhalten gegenüber dem Zusteller erteilt werden. Daraus ergebe sich zusammengefaßt, daß die an Melitta H***** vorgenommene Ersatzzustellung hinsichtlich des erstgerichtlichen Sachbeschlusses rechtswidrig erfolgt sei, zumal Melitta H***** weder Arbeitnehmerin Dris.S***** sei noch arbeiternehmerähnliche Dienste für ihn verrichte. Da das Erstgericht überdies als bescheinigt angenommen habe, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß Dr.S***** nicht zugekommen sei, komme auch eine Heilung des unwirkssamen Zustellvorganges nach § 7 ZustG nicht in Betracht. Es sei daher die vom Erstgericht erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufzuheben gewesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs gegen diesen Beschluß sei zulässig, weil zur Frage, ob eine nicht den Formvorschriften der Postordnung entsprechende Bevollmächtigung zur Entgegennahme von Schriftstücken - hier die von Dr.Walter S***** an Melitta H***** erteilte Befugnis, für ihn Post entgegenzunehmen - ausreiche, die Gesetzmäßigkeit der Zustellung zu begründen, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, die Arbeitnehmereigenschaft der Melitta H***** zum Antragsgegner ergebe sich daraus, daß sie Schreibarbeiten für diesen ausgeführt habe. Sie sei auch als Arbeitnehmerin bzw arbeitnehmerähnliche Person Dris.S***** anzusehen, weil zu diesem ein Unselbständigkeits- und Abhängigkeitsverhältnis noch stärker bestehe als zum Antragsgegner als solchem. Die Tatsache arbeitnehmerähnlicher Dienstverrichtung durch Melitta H***** sei aus dem dienstlichen Nahe- und Organisationsverhältnis zwischen ihr als ua für die Abteilung ***** des Bundesministeriums *****tätige Bedienstete und Dr.S***** als stellvertretendem Leiter dieser Abteilung hergeleitet gewesen. Das Rekursgericht habe zusätzlich als bescheinigt angenommen, daß Melitta H***** an Dr.S***** persönlich adressierte Schriftstücke in der Vergangenheit tatsächlich übernommen habe und dazu auch befugt gewesen sei. § 13 Abs 2 ZustG verlange für die Bevollmächtigung zur Empfangnahme weder eine ausdrückliche Erklärung noch die Einhaltung bestimmter Formvorschriften. Zwar werde die formstrenge Postvollmacht nach § 150 PostO allgemein als ausreichend für eine Bevollmächtigung im Sinne des § 13 Abs 2 ZustG erachtet, doch könne daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß eine nicht den Formvorschriften der Post entsprechende Postvollmacht eine Zustellung nach § 13 Abs 2 ZustG unzulässig mache.

Hiezu wurde erwogen:

Zutreffend ist das Rekursgericht von einem formellen Empfängerbegriff ausgegangen (Walter/Mayer, Zustellrecht § 13 ZustG Anm 2). Da das Erstgericht Dr.S***** als Empfänger des Sachbeschlusses vom 19.9.1994 bestimmt hatte (vgl Walter/Mayer aaO § 13 ZuStG Anm 18), kommt es, was eine Erssatzzustellung an einen Arbeitnehmer des Empfängers im Sinne des § 16 Abs 2 ZustG anlangt, nicht darauf an, ob Melitta H***** wegen der unentgeltlichen Verrichtung von Schreibarbeiten als Arbeitnehmerin des Antragsgegners anzusehen wäre, sondern darauf, ob sie als Arbeitnehmerin des Empfängers Dr.S***** betrachtet werden könnte.

Dies ist ungeachtet der hierarchischen Verhältnisse im Bundesministerium ***** zu verneinen. Sowohl Melitta H***** als Dr.S***** sind in diesem Ministerium bedienstet. Mitbeschäftigte des Empfängers sind aber keine tauglichen Ersatzempfänger im Sinne des § 16 Abs 2 ZustG (SZ 38/35 = EvBl 1965/290; SZ 60/237; Walter/Mayer aaO § 16 ZuStG Anm 18). Auch wenn Dr.S***** stellvertretender Leiter einer Abteilung war, für die Melitta H***** ua arbeitete, machte sie dies nicht zu dessen Arbeitnehmerin. Auf eine wirksame Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs 1 und 2 ZustG kann sich die Rechtsmittelwerberin somit nicht berufen.

Zu Recht stützt sich die Rechtsmittelwerberin aber auf § 13 Abs 2 ZustG. Nach dieser Vorschrift darf bei Zustellungen durch Organe der Post auch an eine gegenüber der Post zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen ist. Einen Verweis auf die förmliche Postvollmacht gemäß § 150 PostO enthält die Vorschrift nicht. Insbesondere (Walter/Mayer aaO § 13 ZustG Rz 13) eine solche wird eine Bevollmächtigung im Sinne des § 13 Abs 2 ZuStG darstellen (vgl auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 § 13 ZustG Anm 4), Ausschließlichkeit kann hingegen nicht angenommen werden. Eine Bevollmächtigung gemäß § 13 Abs 2 ZustG kann daher auch auf andere Weise erfolgen. Das Gesetz verlangt auch nicht, daß die Bevollmächtigung gegenüber der Post erklärt wurde, sie muß nur gegenüber der Post, dh in bezug auf diese bestehen; die Vollmacht kann also auch dadurch erteilt werden, daß der Vertretene die Befugnis seinem Vertreter erklärt (vgl Koziol/Welser I10 167).

Im vorliegenden Fall wurde als bescheinigt angenommen, daß Melitta H***** befugt war, an Dr.S***** persönlich adressierte Schriftstücke zu übernehmen, was als bestehende Bevollmächtigung der Melitta H***** zur Empfangnahme solcher Sendungen durch Dr.S***** zu verstehen ist. Die Übernahme der gegenständlichen Sendung durch Melitta H***** für ihn entsprach seinem Willen. Auch wenn keine förmliche Postvollmacht gemäß § 150 PostO existierte, war ihm diese Empfangnahme im Sinne des § 13 Abs 2 ZustG zuzurechnen.

Der erstgerichtliche Sachbeschluß vom 19.9.1994 ist somit Dr.S***** als vertretungsbefugtem Organ des Antragsgegners (§ 13 Abs 3 ZustG) wirksam zugestellt worden, weshalb das Erstgericht die Vollstreckbarkeit zu Recht bestätigt hat. Der erstgerichtliche Beschluß vom 2.1.1996 war daher wiederherzustellen.

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