OGH 8Ob72/65

OGH8Ob72/659.3.1965

SZ 38/35

Normen

ZPO §101 (1)
ZPO §103
ZPO §101 (1)
ZPO §103

 

Spruch:

Zwischen den im § 101 (1) ZPO. angeführten Zustellorten besteht die Wahl; sie sind gleichrangig

Die Ersatzzustellung an Mitbeschäftigte des Empfängers ist unzulässig.

Entscheidung vom 9. März 1965, 8 Ob 72/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Dem außerehelichen Vater der mj. Christine K., der Autobusschaffner der Wiener Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, ist, wurde der erstgerichtliche Unterhaltsbemessungsbeschluß am 9. November 1964 in der Garage Sch.-Str. durch Ausfolgung an einen Kanzleibeamten der Wiener Stadtwerke zugestellt.

Der vom Vater am 24. November 1964 gegen diesen Beschluß zu Protokoll gegebene Rekurs ist vom Rekursgericht, als nach Ablauf der 14tägigen Frist des § 11 AußStrG., somit als verspätet erhoben, zurückgewiesen worden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des außerehelichen Vaters der Minderjährigen Folge, hob den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes auf und trug dem Rekursgericht neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die die Zustellung betreffenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung gelten gemäß § 6 AußStrG. auch für Zustellungen im Verfahren außer Streitsachen. Gemäß § 101 (1) ZPO. ist die Zustellung in der Wohnung, in der gewerblichen Betriebsstätte, im Geschäftsraum oder am Arbeitsplatz, bei Rechtsanwälten und Notaren in der Kanzlei, an die Person, der zugestellt werden soll (Empfänger), vorzunehmen; eine Zustellung außerhalb dieser Räume ist nur gültig, wenn die Annahme des Schriftstückes vom Empfänger nicht verweigert wurde, wird der Empfänger in seiner Wohnung nicht angetroffen, so kann gemäß § 102 ZPO. an jedem dem Zusteller bekannten, in der Wohnung befindlichen, erwachsenen, zur Familie gehörigen Hausgenossen oder an eine in der Familie bedienstete erwachsene Person zugestellt werden. Werden auch solche Personen nicht angetroffen, so kann an den Vermieter oder an eine von ihm bestellte Aufsichtsperson zugestellt werden, wenn der Vermieter oder die Aufsichtsperson im selben Hause wie der Empfänger wohnt und zur Annahme bereit ist. Eine ähnliche Regelung sieht § 103 (1) ZPO. vor, nach welcher Bestimmung dann, wenn der Empfänger in seinem Geschäftsraum oder in seiner Betriebsstätte nicht angetroffen wird, an eine dort anwesende erwachsene Person zugestellt werden kann, von der der Zusteller weiß, daß sie zur Familie des Empfängers gehört oder in dessen Geschäft oder Gewerbe bedienstet ist.

Entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht besteht nun zwar zwischen den im § 101 (1) ZPO. angeführten Zustellorten die Wahl, d. h. jeder dieser Orte ist gleichrangig (Neumann[4], S. 657; Fasching, II, S. 584). Das Gesetz läßt aber eine Ersatzzustellung nur an die in den §§ 102, 103 ZPO. genannten Personen zu, denen der Mitbeschäftigte des Empfängers nicht zählt (s. Stagel - Michelmayr[12], Anm. 1 zu § 103 ZPO., und Fasching, a. a. O., S. 588).

Im vorliegenden Falle wurde die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses am Arbeitsplatz des Empfängers nicht an diesen persönlich, sondern im Wege der Ersatzzustellung durch Aushändigung an einen Kanzleibeamten, der so wie der Rekurswerber selbst bei den Wiener Stadtwerken bedienstet ist, vollzogen. Dies macht die Zustellung unwirksam. Da der Rekurswerber das Schriftstück jedoch erhalten hat, wurde der Zustellungsmangel gemäß § 108 ZPO. geheilt; die Zustellung gilt aber erst in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Rekurswerber tatsächlich zugekommen ist. Da dieser Zeitpunkt nicht festgestellt wurde - der Rekurswerber behauptet, es sei der 13. November 1964 gewesen -, kann die Rechtzeitigkeit des Rekurses gegen den erstrichterlichen Beschluß nicht beurteilt werden.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach Feststellung des Zeitpunktes, in dem der Beschluß des Erstgerichtes dem Rekurswerber tatsächlich zugekommen ist, aufzutragen.

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