Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Mit Urteil vom 22.1.1996 gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Daraufhin beantragten die beklagten Parteien die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Berufung. Während der Zweitbeklagten die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, wies das Erstgericht den Antrag der erstbeklagten Partei ab. In dem dagegen erhobenen Rekurs der erstbeklagten Partei, der von Prof.Dipl.Ing.DDr.Ing.Josef S*****, dem Geschäftsführer der erstbeklagten Partei, verfaßt wurde, sind unter anderem folgende Ausführungen enthalten:
"Diese Vorgangsweise einer Richterin ist wohl nur in einem Operettenstaat im Rahmen von Justizfestspielen möglich, aber nicht in einem Rechtsstaat der Europäischen Union. .... Wird also weder die Verfahrenshilfe bewilligt noch der Anwaltszwang aufgehoben und der Partei das Recht zur Verteidigung in einem Verfahren verweigert, damit die Richterin ein Vesäumungsurteil sprechen kann, werde ich als Geschäftsführer und Universitätsprofessor diesen Rechtszustand den demokratischen Staaten dieser Welt kundtun, die sich selbst ein Urteil bilden mögen, ob Österreich noch zu den Rechtsstaaten gehört oder bereits eine Demokratur oder gar eine Diktatur in der Rechtsprechung darstellt, wobei Handlungsbedarf für Regierung und Parlament besteht ..."
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs nicht Folge und verhängte über den Geschäftsführer der erstbeklagten Partei wegen der Äußerung:
"Diese Vorgangsweise einer Richterin ist wohl nur in einem Operettenstaat im Rahmen von Justizfestspielen möglich, aber nicht in einem Rechtsstaat der Europäischen Union", eine Ordnungsstrafe von 10.000 S.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Sinne eines ordentlichen Revisionsrekurses wurde für zulässig erklärt.
Das Rekursgericht führte aus, daß es sich bei der inkriminierten Äußerung um einen beleidigenden Ausfall nicht nur gegen die Erstrichterin, sondern überhaupt gegen die gesamte Gerichtsbarkeit der Republik Österreich handle, welche mit einer Ordnungsstrafe geahndet werden müsse, zumal sich der Schriftenverfasser noch mit seinem Beruf als Universitätsprofessor brüste. Die Bestimmung des § 86 ZPO, wonach gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletze, eine Ordnungsstrafe verhängt werden könne, gelte gemäß § 5 ZPO auch für die gesetzlichen Vertreter der Parteien. An sich rechtfertigten die Schwere des beleidigenden Ausfalles und der Bildungsgrad des Schriftenverfassers eine Ordnungsstrafe von 20.000 S, doch sei im Hinblick auf die eher tristen finanziellen Verhältnisse des Geschäftsführers der Erstbeklagten eine Ordnungsstrafe von 10.000 S ausreichend.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Geschäftsführers der erstbeklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Beschluß, mit dem eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, aufgehoben werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes auf Verhängung einer Ordnungsstrafe ist - wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - zulässig, weil es sich dabei um keinen "Revisionsrekurs" im Sinne des § 528 ZPO handelt, sondern einer jene Fälle vorliegt, in denen das Gericht zweiter Instanz wie ein Gericht erster Instanz entscheidet. Der Rekurs gegen einen derartigen Beschluß ist unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes der Rechtssache, in der der Beschluß erging, oder von der Höhe der Ordnungsstrafe oder vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (3 Ob 520/91; 5 Ob 129/92), er ist sohin auch dann zulässig, wenn er in einem Zwischenverfahren zur Entscheidung über die beantragte Verfahrenshilfe erging.
Der Geschäftsführer der erstbeklagten Partei macht in seinem Rechtsmittel geltend, es sei weder in der aus dem Schriftsatz erkennbaren Absicht gelegen, das Gericht oder die Richterin zu beleidigen noch sei die gewählte Formulierung dergestalt, daß sie als beleidigender Ausfall im Sinne des § 86 ZPO bezeichnet werden könnte. Die Kritik beziehe sich offensichtlich auf die geltende Gesetzeslage und nicht auf die Richterin oder die Gerichtsbarkeit.Deutlich werde zum Ausdruck gebracht, bei wem der Geschäftsführer der erstbeklagten Partei einen Handlungsbedarf erblicke, nämlich bei der Regierung und beim Parlament, also bei der Legislative und nicht bei der Exekutive.
Diese Ausführungen sind nicht zutreffend. Auf die Absicht des
Schriftenverfassers kommt es bei beleidigenden Ausfällen im Sinne des
§ 86 ZPO nicht an, sondern ist ein objektiver Maßstab anzulegen (3 Ob
520/91). Die Formulierung "Diese Vorgangsweise einer Richterin
......" richtet sich aber bei objektiver Betrachtung gegen die
Richterin und nicht gegen die bestehende Rechtslage. Sie ist auch
beleidigend im Sinne des § 86 ZPO ("... ist wohl nur in einem
Operettenstaat im Rahmen von Justizfestspielen möglich .....").
Da gegen die Höhe der verhängten Ordnungsstrafe im Rekurs nichts vorgebracht wird, war diesem ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über Kosten konnte entfallen, da solche nicht verzeichnet wurden.
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