OGH 3Ob520/91

OGH3Ob520/918.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Marion S*****, wider die beklagte Partei Dr.Alfred M*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.102,40 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den in 32 C 1171/89 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien bisher nicht einjournalisierten Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 28.September 1990, GZ 40 R 400, 401/90, womit über den Beklagten eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Schriftsatz des Beklagten ON 19, mit dem er Widerspruch gegen das Protokoll der Tagsatzung vom 4.4.1990 erhob, enthielt den Vorwurf, daß die Aussage einer Zeugin und seine Parteiaussage "wahrheitswidrig entstellt" worden seien, weshalb die entsprechende Richtigstellung des "gefälschten" Verhandlungsprotokolles beantragt werde. Der durch das "Zusammenwirken zynischer Dreistheit, erbärmlicher Gewissenlosigkeit und Übermut eingeschleuste unwahre Wortlaut" dürfe im Verhandlungsprotokoll nicht bestehen bleiben. Das Erstgericht wies den Widerspruch als verspätet zurück und verhängte wegen dieser Ausfälle gemäß § 86 ZPO eine Ordnungsstrafe von 5.000 S. Gegen diesen Beschluß erhob der Beklagte durch seinen Prozeßbevollmächtigten einerseits einen Rekurs (ON 22) und überreichte andererseits ohne anwaltliche Beteiligung eine "Beilage" zu diesem Rekurs (ON 23).

In diesem Schriftsatz ON 23 führt der Beklagte zunächst aus, warum er sich dazu berechtigt erachte, den Vorwurf von zynischer Dreistheit, Gewissenlosigkeit und Übermut zu erheben. Obwohl der Widerspruch innerhalb der gesetzlichen dreitägigen Frist eingebracht worden sei, sei er "gegen besseres Wissens" "mutwillig" abgewiesen worden. Im Verhandlungsprotokoll würden dem Beklagten "frei erfundene" "unsinnige Redensarten" in den Mund gelegt, ebenso werde einer Zeugin eine frei erfundene Aussage in den Mund gelegt, die sie überhaupt nicht gemacht habe, was offenbar geschehen sei, um die Aussage durch diese "heimtückische Hinzufügung" zu entwerten.

Der Beklagte führte dann gegen Ende seines Schriftsatzes noch aus: "Ich war deshalb berechtigt, auf die zynische Gewissenlosigkeit hinzuweisen, mit der Personen, die von der Bevölkerung genährt und gekleidet werden, damit sie ihre Pflicht ohne Ansehung der Person erfüllen, den Machtzipfel, den sie unglücklicherweise in ihre Händen bekommen haben, dazu verwenden, um ohne Zögern Willkürakte zu begehen, in ihrer Überzeugung, daß sie deswegen ihre Entfernung aus dem Richterstand - da des Richteramts unwürdig - nicht zu befürchten haben. Es ergibt sich deshalb die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Überprüfung der oben angeführten Verhaltensweisen im Hinblick auf die in § 302 und § 223 StGB vorgesehenen Vergehen."

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge (ON 31) und verhängte über ihn mit einem gesondert ausgefertigten (bisher nicht einjournalisierten) Beschluß wegen der oben wiedergegebenen Äußerungen in der Rekursbeilage ON 23 neuerlich eine Ordnungsstrafe von 5.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes auf Verhängung einer Ordnungsstrafe ist nach dem Sprachgebrauch der WGN 1989 kein "Revisionsrekurs" im Sinne des § 528 ZPO, sondern unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes der Rechtssache, in der der Beschluß erging, oder von der Höhe der Ordnungsstrafe und unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zulässig. Es liegt damit einer der Fälle vor, in denen das Gericht zweiter Instanz wie ein Gericht erster Instanz entscheidet (vgl Petrasch in ÖJZ 1989, 743 B 4 aE (750)). Der Rechtszug gegen einen solchen Beschluß geht nicht an das Oberlandesgericht, sondern an den Obersten Gerichtshof (SZ 22/155).

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Auf die Absicht des Schriftenverfassers kommt es bei beleidigenden Ausfällen im Sinne des § 86 ZPO nicht an, sondern es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Auch eine Prozeßpartei, die der Ansicht ist, ein Protokoll enthalte unrichtige Inhalte von Aussagen, und die dazu den Verdacht hegt, der Richter habe diese Unrichtigkeiten des Protokolles absichtlich hergestellt, um damit den Prozeßausgang zu beeinflussen, ist nicht berechtigt, dem Richter vorzuhalten, er lebe sozusagen auf Kosten der Bevölkerung, handle nur, um seine Macht zu bekunden, begehe reine Willkürakte und sei des Richteramtes unwürdig. Selbst wenn einem Richter ein konkreter Mißbrauch der Amtsgewalt im Sinne des § 302 StGB oder einer Urkundenfälschung im Sinne des § 223 StGB vorgeworfen wird, sind nicht beleidigende Ausfälle in der vom Beklagten gewählten Form nötig. Es hätte beispielsweise genügt, mit Deutlichkeit darauf hinzuweisen, daß der Inhalt des strittigen Protokolls aus welchen Gründen immer nicht den wirklichen Aussagen des Beklagten und einer Zeugin entspreche. Der Beklagte ist nicht in der Lage, außer seiner eigenen Überzeugung auch nur den geringsten Anhaltspunkt für ein vorsätzliches strafbares Verhalten des Richters vorzutragen. Es hätte daher allenfalls der Antrag gestellt werden können, die Akten der Staatsanwaltschaft zuzuleiten, um zu prüfen, ob dem Richter ein strafbares Verhalten anzulasten ist. Es ist aber keineswegs zulässig, ohne jeden Beweis in einer Art Vorverurteilung eine theoretisch vielleicht nicht auszuschließende, aber praktisch doch eher unwahrscheinliche Version als einzig denkbare und richtige Tatasche auf in krimineller Weise darzustellen. Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 86 ZPO waren daher erfüllt. Gegen die Höhe der Ordnungsstrafe wird im Revisionsrekurs nichts vorgebracht. Angesichts der Fruchtlosigkeit der schon vom Erstgericht wegen der in einer früheren Eingabe enthaltenen Äußerungen verhängten Ordnungsstrafe erscheint sie auch dem Obersten Gerichtshof angemessen.

Eine Kostenentscheidung entfällt schon mangels Verzeichnung von Kosten.

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