OGH 9ObA2153/96z

OGH9ObA2153/96z4.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Dr.Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Veselko V*****, Bauarbeiter, ***** vertreten durch Dr.Hans Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Hajdar G*****, Bauarbeiter, ***** 2.) P***** AG Baugesellschaft, ***** und 3.) V***** AG, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Josef M. Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Zahlung von S 559.537,46 sA, Zahlung einer monatlichen Rente von S 9.355,-- und Feststellung (Streitwert im Revisionsverfahren S 150.000,-- sA), infolge Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.März 1996, GZ 13 Ra 7/95t-45, womit infolge Berufung der klagenden und der zweit- und drittbeklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.August 1995, GZ 42 Cga 77/94-37, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes, daß im übrigen als unangefochten unberührt bleibt, wird in Zuspruch eines Teilbetrages von S 150.000,-- sA dahin abgeändert, daß dieses Teilklagebegehren, die zweit- und drittbeklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von S 150.000,-- samt 4 % Zinsen seit 22.November 1994 zu zahlen, abgewiesen wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 20.1.1942 geborene Kläger und der Erstbeklagte waren am 19.9.1991 bei der Zweitbeklagten als Bauarbeiter beschäftigt. An diesem Tag verschuldete der Erstbeklagte als Lenker eines bei der Drittbeklagten hapftpflichtversicherten VW-Busses der Zweitbeklagten einen Unfall, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde. Als Dauerfolge verblieb eine erektile Impotenz, sodaß im Bedarfsfall Injektionen in den Schwellkörper verabreicht werden müssen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger ein Schmerzengeld von S 700.000,--, Ersatz für Sachschäden in der Höhe von S 17.000,--, Ersatz des bisherigen Verdienstentgangs von S 42.537,--, eine monatliche Verdienstentgangsrente von S 9.355,--, die Feststellung der Haftung der Zweit- und Drittbeklagten hinsichtlich des künftigen Schmerzengeldes zur Gänze und - was im Revisionsverfahrens allein strittig ist - eine Verunstaltungentschädigung von S 150.000,--. Er sei als Folge des Unfalls "wirtschaftlich" Vollinvalide geworden und nicht mehr arbeitsfähig. Eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt komme für ihn nicht mehr in Betracht. Seine Impotenz stelle eine "Verunstaltung" im Sinne des § 1326 ABGB dar. Insofern bewirke die Verunstaltung auch einer Minderung der Heiratsmöglichkeiten. Er sei zwar verheiratet, doch seien Ehen bekanntlich scheidbar und er sei im vermehrten Maß auf die Hilfe der Ehegattin angewiesen. Die Gefahr des Auseinanderbrechens der Ehe sei aufgrund der unfallbedingten Verunstaltung ungleich größer als im "Normalfall". Es bestehe die verstärkte Gefahr einer Ehescheidung (Seiten 134 ff).

Die Zweit- und Drittbeklagten - gegenüber dem Erstbeklagten trat Ruhen des Verfahrens ein - beantragten dieses Begeheren abzuweisen und wandten ein, daß nach ständiger Rechtsprechung bei aufrechter Ehe keine derartige Entschädigung zugesprochen werde.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Verunstaltungsentschädigung ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß eine (erektile) Impotenz zwar als Verunstaltung gemäß § 1326 ABGB anerkannt sei (ZVR 1993/105; ZVR 1989/74), verheirateten Männern oder Frauen jedoch kein Ersatz für verminderte Heiratsaussichten zugesprochen werde. Eine Scheidung sei bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung nicht behauptet worden. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, auf der Grundlage des Feststellungsbegehrens im Falle einer künftigen Scheidung einen Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung geltend zu machen. Dazu müßten aber auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, was allerdings in Anbetracht des Lebensalters des Klägers zweifelhaft sei.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil in diesem Punkt dahin ab, daß es dem Kläger den Betrag von S 150.000,-- sA zusprach. Es sprach weiters aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Der Schaden bestehe in der Beeinträchtigung der Chance der Verbesserung der Lebenslage. Für den Schadenseintritt genüge eine geringgradige Wahrscheinlichkeit. Bezogen auf den Kläger sei seine Ehe schon aufgrund der Art seiner Verunstaltung in einem solchen Maße gefährdet, daß nicht mehr gesagt werden könne, die Gefährdung seines Fortkommens durch Verminderung seiner Chancen, eine neue Ehe zu schließen, sei praktisch ausgeschlossen. Es bestehe sohin kein Grund, den Kläger auf die Möglichkeit einer künftigen Geltendmachung der Verunstaltungsentschädigung zu verweisen.

Gegen diesen Zuspruch im Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Zweit- und Drittbeklagten mit dem Antrag, diesen weiteren Klagezuspruch von S 150.000,-- aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Bei dem Anspruch nach § 1326 ABGB handelt es sich um den Ersatz eines Vermögensschadens, nicht aber um einen Ausgleich für idelle Einbußen. Vor allem sollen damit verschlechterte Berufsaussichten und der Entgang der Heiratschancen abgegolten werden (vgl EFSlg 51.503, 57.009 uva). Richtig ist, daß erektile Impotenz bereits mehrmals als Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB angesehen worden ist. Ein Zuspruch erfolgte jedoch nur in Fällen, in denen dem Anspruchsberechtigten ein finanzieller Nachteil wegen der verminderten Heiratsfähigkeit drohte (vgl 1 Ob 715/86 - 13-jähriger Hofübernehmer = EvBl 1987/159 = ZVR 1987/127; 2 Ob 89/88 - 33-jähriger Hofübernehmer = ZVR 1989/74 = EFSlg 57.017 je mwH ua). Da der Kläger jedoch verheiratet und die Ehe noch aufrecht ist - eine akute Scheidungsgefährdung wurde im übrigen nicht festgestellt - kommt ein Ersatz für verminderte Heiratschancen nicht in Betracht (ZVR 1990/88 = EFSlg 63.268; 2 Ob 1/93 mwH = EFSlg 72.200 ff ua). Inwiefern aus der in der Revisionsbeantwortung behaupteten Gefährdung der sozialen Stellung des Klägers als "Familienoberhaupt" Vermögensschäden eintreten können, ist nicht dargetan. Eine auf die Verunstaltung zurückzuführende Verminderung der Lebensfreude ist im Rahmen des Schmerzengeldes abzugelten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in § 52 ZPO begründet.

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