OGH 3Nd503/96

OGH3Nd503/9629.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatsanwaltschaft Wien, Wien 8., Landesgerichtsstraße 11, wider die beklagten Parteien 1. Floarea Ö*****, und 2. Rudolf Peter Ö*****, wegen Ehenichtigkeit den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz wird zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache bestimmt.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt die Nichtigerklärung der zwischen den Streitteilen am 5.April 1994 geschlossenen Ehe und bringt im wesentlichen vor, daß die Beklagten die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen hätten, um der Erstbeklagten die Möglichkeit einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Österreich und damit auch die Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt. Die Ehe der Beklagten sei somit gemäß § 23 EheG nichtig. Einen "gemeinsamen Wohnsitz" hätten die Beklagten nie gehabt.

Diese Klage wurde beim Bezirksgericht Hietzing, in dessen Sprengel die Erstbeklagte ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, eingebracht. Nach Durchführung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14. Dezember 1995, zu der die Beklagten nicht erschienen waren, beantragte der sich derzeit in der Justizanstalt Graz-Karlau in Strafhaft befindliche Zweitbeklagte, "die Eheaufhebungsakte an das zuständige Gericht nach Graz zu delegieren". Die Justizanstalt Graz-Karlau sei nämlich wegen Personalmangels nicht in der Lage, einen wegen seines Gesundheitszustands erforderlichen Sondertransport nach Wien durchzuführen, um ihm die Teilnahme an der Verhandlung zu ermöglichen. Die Justizanstalt Graz-Karlau teilte mit Schreiben vom 15. Februar 1996 dem Bezirksgericht Hietzing mit, "aufgrund der personellen Situation" keinen Sondertransport des Zweitbeklagten nach Wien durchführen zu können. Ein Sondertransport sei allerdings nicht notwendig. Der Zweitbeklagte sei mit gesondertem Schreiben aufgefordert worden, einen Delegierungsantrag zu stellen.

Die klagende Partei erklärte am 13.Februar 1996, keinen Delegierungsantrag zu stellen, sprach sich jedoch schließlich am 3. Juni 1996 (Einlangen bei Gericht) ohne Begründung gegen eine Delegierung aus.

Die Erstbeklagte äußerte sich zum Delegierungsantrag nicht.

Dagegen hält das Erstgericht eine Delegierung nach seiner Äußerung vom 16.Juli 1996 für zweckmäßig. Es erscheine nämlich aufgrund der mit dem Zweitbeklagten in einem Vorprozeß gewonnenen Erfahrungen "unbedingt erforderlich", daß sich der erkennende Richter einen persönlichen Eindruck vom Zweitbeklagten verschaffen könne. Das wäre jedoch wegen der gesundheitlichen Probleme des Zweitbeklagten und der bestehenden Ungewißheit, ob die Justizanstalt Graz-Karlau infolge des mitgeteilten Personalmangels einen Sondertransport überhaupt organisieren könne, nicht gewährleistet, bliebe der Delegierungsantrag erfolglos.

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs 1 und 2 JN kann der Oberste Gerichtshof eine Rechtssache aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei aus einem Oberlandesgerichtsprengel in einen anderen delegieren, und zwar auch dann, wenn - wie hier - ein ausschließlicher Gerichtsstand (§ 76 Abs 1 JN) in Anspruch genommen wurde. Die Äußerung der Justizanstalt Graz-Karlau vom 15.Februar 1996 läßt erwarten, daß die Vorführung des Zweitbeklagten zu einem oder mehreren Verhandlungsterminen vor einem Wiener Gericht nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist. Der in der Justizanstalt Graz-Karlau bestehende Personalmangel könnte daher den Anlaß für Vertagungen bilden. Eine möglichst rasche Abwicklung des vorliegenden Ehenichtigkeitsstreits liegt jedoch im Interesse aller Parteien, sodaß es schon deshalb zweckmäßig ist, dem Delegierungsantrag des Zweitbeklagten zu entsprechen und die Rechtssache dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz zur Verhandlung und Entscheidung zu übertragen. Gerade bei einem Ehenichtigkeitsstreit kommt nämlich dem vom Erstgericht für eine Delegierung ins Treffen geführten Grund, der erkennende Richter solle sich von den Ehegatten einen persönlichen Eindruck verschaffen können, Bedeutung zu. Der gewöhnliche Aufenthalt der Erstbeklagten in Wien spricht deshalb nicht gegen die beantragte Delegierung, weil dem Akt kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, daß die Erstbeklagte zu einem oder mehreren Verhandlungsterminen in Graz nur unter Überwindung besonderer Schwierigkeiten erscheinen könnte.

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