OGH 15Os114/96

OGH15Os114/961.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Spieß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Elfriede L***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach §§ 11, 33 Abs 1 und Abs 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 18.Oktober 1995, GZ 15 Vr 24/95-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Elfriede L***** der (in ungleichartiger Realkonkurrenz verübten - Dorazil/Harbich FinStrG § 33 E 28 b) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung (I) nach §§ 11, 33 Abs 1 FinStrG und (II) nach §§ 11, 33 Abs 2 lit b FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Kirchstetten dadurch, daß sie als mit der Geschäftsführung und Buchhaltung des Elektro-Installationsbetriebes des Josef L***** Betraute vorsätzlich Einkünfte aus dem Geschäftsbetrieb unvollständig verbuchte, nicht erfaßte Einkünfte durch Veranlagung in Form von Sparbüchern und Wertpapieren in das Privatvermögen überführte, Aufwendungen der privaten Lebensführung als betriebliche Ausgaben verbuchte und es unterließ, Lohnkonten für auch nur vorübergehend beschäftigte Arbeitnehmer zu führen, zur Ausführung der strafbaren Handlungen des gesondert verfolgten (und deshalb bereits abgeurteilten) Josef L***** beigetragen, welcher als Verantwortlicher des genannten Betriebes vorsätzlich

(I) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1980 bis 1990 eine Verkürzung an Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 291.575 S, an Einkommensteuer in der Gesamthöhe von 515.729 S und an Gewerbesteuer in der Gesamthöhe von 192.696 S bewirkte und

(II) unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des EStG 1972 entsprechenden Lohnkonten für die Jahre 1988 und 1989 eine Verkürzung an Lohnsteuer in der Gesamthöhe von 21.273 S sowie für die Jahre 1988 bis 1990 eine Verkürzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in der Gesamthöhe von 4.729 S und von Zuschlägen hiezu in der Höhe von 419 S bewirkte, wobei (auch) Elfriede L***** dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten hat.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich vorerst gegen den Umstand, daß zwar nach Seite 9 des Protokolls über die (fortgesetzte) Hauptverhandlung vom 18.Oktober 1995 ("als verlesen gilt der gesamte Akteninhalt") Verlesungen - insbesondere der Erhebungen des Finanzamtes St.Pölten - nicht tatsächlich vorgenommen, die Erhebungsergebnisse aber dennoch im Urteil verwertet worden seien.

Zwar ersetzt eine bloße Verlesungsfiktion nicht die tatsächliche Einbringung von Verfahrensergebnissen in die Hauptverhandlung (RZ 1996/18 = LSK 1996/23), indes übersieht die Beschwerdeführerin, daß das Hauptverhandlungsprotokoll in dem von ihr aufgegriffenen Punkt vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes dahin korrigiert wurde, daß der wesentliche Akteninhalt verlesen und vorgehalten wurde und keine besonderen Verlesungsanträge gestellt wurden (S 245). Vorhalte, die sich dem Sachzusammenhang nach auch auf finanzbehördliche Erhebungen erstreckten, sind dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 6.September 1995 - die am 18.Oktober 1995 innerhalb der Zweimonatsfrist fortgesetzt und beendet wurde - auch sonst zu entnehmen (S 219, 222, 226).

Der weitere Einwand, daß die Angeklagte nicht zu den Vorlesungen befragt worden sei, ist in Ansehung der eben genannten Vorhaltungen unzutreffend, im übrigen aber im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich, weil die Bestimmung des § 252 Abs 3 StPO - anders als jene der Abs 1 und 4 dieser Gesetzesstelle (idF des Strafprozeßänderungsgesetzes 1993) - nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (924 d.BlgNR 18.GP 33; 15 Os 1/96; 11 Os 127/95; 15 Os 85/95).

Soweit sich aber die Mängelrüge dagegen wendet, daß "jede einzelne Verkürzung von Abgabenbeträgen pauschal der Angeklagten" angelastet werde, übergeht sie, daß sie als Beitragstäterin zu den von ihrem damaligen Ehemann verübten Finanzvergehen durch unvollständige Verbuchung, Veranlagung von Schwarzeinkünften und Unterlassung der Führung von Lohnkonten tätig wurde, demnach durch das arbeitsteilig organisierte Zusammenwirken geradezu zwangsläufig auch eine psychische Unterstützung für Josef L***** ausgeübt hatte, der im Wissen um die eben umschriebene Mitwirkung der Angeklagten handelte und daran einen Rückhalt hatte. Der Beitragstäter aber muß die geförderte Tat nicht in allen Einzelheiten, also vollständig individualisiert, erfaßt haben, es genügt vielmehr, daß er sie ihrer Art nach in groben Umrissen kennt (Leukauf/Steininger Komm3 § 12 RN 49); auf die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages muß sich im übrigen der Verkürzungsvorsatz nicht erstrecken (Dorazil/Harbich aaO § 33 E 17 c).

Demnach genügt der pauschale Hinweis in der Urteilsgründung, daß die Angeklagte (mit einem auf Abgabenhinterziehung gerichteten Vorsatz) durch ihre Jahre hindurch währende Führung einer falschen Buchhaltung und Veranlagung von Schwarzgeldern die fortgesetzten Abgabenhinterziehungen ihres damaligen Ehemannes förderte.

Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird lediglich der Schuldspruch zu Punkt II bekämpft und ein Freispruch gemäß § 214 FinStrG (mangels danach verbleibender Zuständigkeit des Gerichtes) angestrebt; dies unter der Behauptung, es fehle eine Feststellung darüber, wie sie von "schwarz" beschäftigten Arbeitern habe wissen können.

Damit übergeht sie aber jene auf die als glaubwürdig erachtete Aussage des Josef L***** gegründete Feststellung, daß sie auch von den Verkürzungen an Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (samt Zuschlägen) wußte und die Lohnkonten von ihr (deshalb) bewußt falsch geführt wurden (US 8, 10).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert aber stets ein Festhalten an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem Gesetz (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 E 30 uvam). Diesem Gebot wird die Rechtsrüge nicht gerecht, weil sie die eben genannte Konstatierung übergeht.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Die Entscheidung über die von der Angeklagten erhobene Berufung fällt demnach in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien (§ 285 i StPO).

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