OGH 1Ob2009/96i

OGH1Ob2009/96i25.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A.*****, USA, ***** vertreten durch Binder, Grösswang & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei B*****bank AG, Bulgarien, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 59,164.551,95 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21.Dezember 1995, GZ 5 R 193/95-30, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23.August 1994, GZ 11 Cg 243/94-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung - also ausschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Provisorialantrags soweit in diesem auch Ansprüche der beklagten Gegnerin der gefährdeten Partei auf Gutschriften aller künftigen Eingänge und auf fortlaufende Auszahlungen von Guthaben einbezogen sind, - aufgehoben; dem Gericht erster Instanz wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Die Entscheidung über die Rechtsmittelverfahrenskosten der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei bleibt vorbehalten.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge nur klagende Partei) begehrte von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge nur beklagte Partei) die Bezahlung von S 59,164.551,95 sA; diese Forderung habe sie im Wege der Abtretung erworben. Zugleich beantragte sie die Erlassung folgender einstweiliger Verfügung:

„Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei wider die Gegnerin der gefährdeten Partei auf Zahlung von S 59,164.551,95.... wird der Gegnerin der gefährdeten Partei jede Verfügung über die ihr gegen die Drittschuldner ..... (5 Banken mit Sitz in Wien)..... angeblich zustehenden Ansprüche

a) aus Guthaben aus Kontoverbindungen - bei Kontokorrentverhältnissen auch nach Saldoziehung - einschließlich aller Ansprüche und Forderungen aus allenfalls bestehenden Giroverträgen, insbesondere der Ansprüche auf Gutschrift aller künftigen Eingänge, auf fortlaufende Auszahlungen von Guthaben, auf Durchführung von Überweisungen an Dritte, auf Bestätigung von Akkreditiven sowie über alle Ansprüche auf Gewährung von Krediten und Darlehen einschließlich Überziehungskrediten und Kreditzusagen; und

b) aus und im Zusammenhang mit geführten Wertpapier- und Devisendepots und -konten, insbesondere über Ansprüche auf Herausgabe von Wertpapieren, Auszahlung des Erlöses aus der Veräußerung von Wertpapieren, Auszahlung von Devisen sowie Auszahlung und Gutschriften von Erträgen, verboten.

Im besonderen wird der Gegnerin der gefährdeten Partei die Einziehung der oben erwähnten Forderungen untersagt.

An die Drittschuldner wird bis auf weitere gerichtliche Anordnung der Befehl gerichtet, das der Gegnerin der gefährdeten Partei Geschuldete nicht zu bezahlen, die dieser gebührenden Sachen nicht auszufolgen, noch sonst in Ansehung ihrer etwas zu unternehmen, was die Exekutionsführung auf die Ansprüche, insbesondere die Geldforderungen oder die geschuldeten Sachen vereiteln oder erheblich erschweren könnte, im besonderen dadurch, daß die Ansprüche mit Pfandrechten belastet werden.“

Die beklagte Partei habe ihren Sitz in Bulgarien. Außer den im Provisorialantrag erwähnten Guthaben bei den Drittschuldnern verfüge die beklagte Partei über kein befriedigungstaugliches Vermögen im Inland. Die klagende Partei müßte das zu erwartende Urteil daher im Ausland vollstrecken, sofern die beklagte Partei die im Inland bestehenden Guthaben abziehe; damit sei nach Zustellung der Klage jedenfalls zu rechnen.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung zur Sicherung der mit der Klage geltend gemachten Forderung antragsgemäß bis zur Rechtskraft des im Verfahren ergehenden Urteils, bestimmte einen von der beklagten Partei zu erlegenden Befreiungsbetrag und erlegte der klagenden Partei eine Sicherheitsleistung von 5 Mio S auf. Die klagende Partei habe sowohl die Gefahr der Vollstreckung des Urteils im Ausland als auch das Bestehen des behaupteten Anspruchs bescheinigt. Die Dauer der einstweiligen Verfügung und der Befreiungsbetrag seien von amtswegen zu bestimmen. Eine Sicherheitsleistung sei aufzuerlegen, weil die Sperre der Guthaben der beklagten Partei bei den Drittschuldnern einen tiefgreifenden Eingriff in die Interessen der beklagten Partei darstelle.

Die Sicherheitsleistung wurde von der klagenden Partei erlegt.

Das Rekursgericht wies den Provisiorialantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es bejahte das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit des Erstgerichts. Den Anspruch der klagenden Partei nahm es als bescheinigt an. Der Sicherungsantrag sei dennoch abzuweisen, weil er kein präzises, schlüssiges Vorbringen enthalte, aus welchem sich ableiten ließe, daß die beklagte Partei nach Beendigung des Zivilverfahrens nicht mehr über ein befriedigungstaugliches Vermögen im Inland verfügen werde. Es gebe keinen Erfahrungssatz dahin, daß bulgarische Banken nach Erhalt einer Klage ihre in Österreich befindlichen Vermögenswerte sofort ins Ausland zu transferieren pflegten. Die bloß abstrakte Möglichkeit des Entzugs des inländischen exekutionsfähigen Vermögens (hier: der Bankguthaben) reiche für die Bewilligung der angestrebten Provisorialmaßnahme nicht aus. Eine nicht ausreichende Gefahrenbescheinigung könne durch Sicherheitsleistung nicht ersetzt werden. Mangels Behauptung einer Gefährdung sei der Provisorialantrag abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf die Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Zuständigkeit ist nicht weiter einzugehen, weil das Gericht zweiter Instanz diese Fragen von Amts wegen geprüft und bejaht hat, sodaß insoweit eine bindende zweitinstanzliche Entscheidung vorliegt (vgl Kodek in Rechberger, ZPO § 528 Rz 1 mwN).

Der Anspruch der klagenden Partei wurde von den Vorinstanzen als bescheinigt angesehen (S 8 f der Rekursentscheidung). An den festgestellten Sachverhalt ist der Oberste Gerichtshof, der auch im Provisorialverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden (6 Ob 512, 513/95; ÖBl 1989, 167; SZ54/76 uva).

§ 379 Abs 2 Z 1 EO verlangt eine konkrete subjektive Gefährdung durch besorgniserregendes Verhalten des Antragsgegners. Es müssen Eigenschaften oder ein Verhalten des Antragsgegners bescheinigt werden, aus welchen sich die hohe Wahrscheinlichkeit von Vereitelungshandlungen ableiten ließe (Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 423; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 881 mwN). Derartige konkrete Umstände (Aktivitäten der beklagten Partei in diese Richtung) hat das Rekursgericht nicht als bescheinigt erachtet (S 10 der Rekursentscheidung), sodaß in der Auffassung, eine subjektive Gefährdung liege nicht vor (§ 379 Abs 2 Z 1 EO), keine Fehlbeurteilung erblickt werden kann (2 Ob 546/89 uva). Die abstrakte Möglichkeit des Entzugs des inländischen exekutionsfähigen Vermögens durch die beklagte Partei reicht zur Annahme einer Gefährdung nicht aus (9 Ob A 315/88), ebenso nicht die unbegründete Nichtzahlung fälliger Forderungen (Miet 36.898).

§ 379 Abs 2 Z 2 EO begnügt sich dagegen mit einer konkreten objektiven Gefährdung, somit anderen Umständen als dem Verhalten des Antragsgegners. Das Gesetz setzt die Notwendigkeit der Vollstreckung im Ausland einer Gefährdung im Sinne des § 379 Abs 2 Z 1 EO gleich. Dem Erfordernis der Gefährdung durch die Notwendigkeit einer Vollstreckung im Ausland ist entsprochen, wenn konkrete Umstände behauptet und bescheinigt werden, die es wahrscheinlich machen, daß ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Urteils - außer der Forderung, auf die das Drittverbot bewilligt werden soll, - keine befriedigungstauglichen Vermögensobjekte im Inland mehr zur Verfügung stünden. Die Voraussetzungen nach § 379 Abs 2 Z 2 EO fehlen, wenn der im Ausland befindliche Antragsgegner im Inland ausreichendes Vermögen besitzt und kein Grund zur Annahme besteht, daß dieses Vermögen dem Zugriff des Gläubigers entzogen werden könnte (6 Ob 512, 513/95 mwN; AnwBl 1991, 742; SZ 62/44; 2 Ob 546/89; 7 Ob 543/85; 4 Ob 505/80; 5 Ob 545/80; 4 Ob 549/70; EvBl 1964/12; JBl 1952, 348; SZ 15/224 uva; Holzhammer aaO 424; Rechberger/Simotta aaO; Heller/Berger/Stix 4 2646 ff). Die Entscheidung JBl 1979, 323, ließ es „auf sich beruhen“, ob die klagende Partei über das zu sichernde Vermögen hinaus hätte behaupten und bescheinigen müssen, daß kein weiteres befriedigungstaugliches inländisches Vermögen vorhanden sei. Soweit die Entscheidung MietSlg 35.879, die jedoch in casu die Gefährdung bejahte, zum Ausdruck bringt, daß auch bezüglich jener Vermögensstücke, auf die sich der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bezieht, behauptet und bescheinigt werden müßte, daß sie ohne Provisorialmaßnahme nicht mehr im Inland zur Verfügung stünden, steht diese Auffassung im Widerspruch zu der sonst völlig einheitlichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs, sodaß ihr nicht zu folgen ist. Die Vermögenswerte, in deren Ansehung das Drittverbot bewilligt werden soll, sind bei der Beurteilung der Frage, ob die beklagte Partei im Inland ausreichende befriedigungstaugliche Vermögensobjekte besitzt, demnach nicht zu berücksichtigen.

Die klagende Partei behauptete, die beklagte Partei verfüge mit Ausnahme der von der Provisorialmaßnahme betroffenen Vermögenswerte über kein befriedigungstaugliches Vermögen im Inland (S 7 der Klage); sie bot hiefür auch Bescheinigungsmittel an (S 8 der Klage). Feststellungen über das im Inland befindliche Vermögen der beklagten Partei wurden jedoch nicht getroffen, sie sind aber schon deshalb jedenfalls erforderlich, weil für den Fall, daß über das festzuhaltende Vermögen hinaus kein weiteres inländisches Vermögen der beklagten Partei vorhanden wäre, die einstweilige Verfügung im nunmehr eingeschränkten Umfang (siehe Revisionsrekursantrag) zu erlassen wäre. In diesem Sinn wird das Verfahren in erster Instanz zu ergänzen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO bzw §§ 402, 78 EO, § 52 ZPO.

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