Spruch:
Die von der Antragstellerin erstattete Beantwortung des Revisionsrekurses wird zurückgewiesen.
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Die Antragstellerin, Eigentümerin des Hauses *****, in dem der namentlich bezeichnete Antragsgegner mehrere Wohnungen und ein Geschäftslokal gemietet hat, stellte am 23.8.1993 bei der Zentralen Schlichtungsstelle der Stadt Wien den Antrag auf Erhöhung der Hauptmietzinse wegen geplanter Sanierungsarbeiten. Hierüber erging am 6.7.1995 zu Schli 1/93 eine Entscheidung, die dem Antragsgegner (und nunmehrigen Rechtsmittelwerber) am 26.8.1995 zugestellt wurde.
Mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden, rief der Antragsgegner am 6.9.1995 (es ist dies das Datum der Postaufgabe seines Schriftsatzes vom selben Tag) gemäß § 40 Abs 1 MRG das Gericht an. Das Erstgericht wies diesen Antrag jedoch wegen Verspätung zurück, weil die Entscheidung der Schlichtungsstelle der zur Zustellbevollmächtigten bestellten Mieterin Trautlinde N***** bereits am 1.8.1995 zugestellt worden sei und diese Zustellung auch gegen den Antragsgegner wirke; das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:
Bei Beurteilung der Frage der Wirksamkeit der Zustellung der Entscheidung der Zentralen Schlichtungsstelle vom 6.7.1995 sei von Bedeutung, daß dieser Entscheidung ein Verfahren nach §§ 18, 18a Abs 1 und 18b MRG zugrunde liege. Nach der auch im Verfahren vor der Schlichtungsstelle sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 5 MRG (§ 39 Abs 3 letzter Satz MRG) könne in einem solchen Verfahren für den Fall, daß - wie hier - mehr als sechs Hauptmietern Parteistellung zukomme, die Zustellung an diese Hauptmieter durch einen Anschlag im Haus bzw im Stiegenhaus iSd § 37 Abs 3 Z 4 MRG, verbunden mit einer individuellen Zustellung an einen dieser Hauptmieter, der von der Schlichtungsstelle zu bestimmen sei, vorgenommen werden. Darüber hinaus könne von der Schlichtungsstelle - in allen Verfahren - für namentlich bestimmte Parteien, deren Interessen nicht offenbar widerstreiten, jederzeit von Amts wegen ein gemeinsamer Zustellbevollmächtigter bestellt werden, wofür § 97 ZPO sinngemäß gelte (§ 37 Abs 3 Z 6 Satz 2 MRG). Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung eines solchen Zustellbevollmächtigten sei somit der Umstand, daß diese Parteien namentlich zur Bestellung eines Zustellbevollmächtigten vergeblich aufgefordert wurden (vgl Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, RZ 58 zu § 37 MRG; Würth in Korinek/Krejci, HB zum MRG, 529; OGH 29.1.1991, 5 Ob 108/90).
Aus dem Akt der Schlichtungsstelle ergeben sich, daß die "Verfahrensparteien" aufgefordert wurden, innerhalb von vier Wochen ab Erhalt dieser Verständigung einen gemeinschaftlichen Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen, widrigenfalls von der Behörde auf Antrag des Gegners oder von Amts wegen ein gemeinschaftlicher Zustellbevollmächtigter mit der Wirkung bestellt werde, daß (künftig) sämtliche Schriftstücke (zB Ladungen, Entscheidungen etc) nunmehr an diesen Zustellbevollmächtigten zugestellt würden; mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung eines solchen Schriftstücks an ihn sei die Zustellung an alle Mieter bewirkt.
Diese an "sämtliche Mieter" im Haus gerichtete Aufforderung sei am 28.9.1994 der Mieterin Trautlinde N***** zugestellt und am 18.10.1994 im Stiegenhaus angeschlagen worden. Den Ausfertigungen seien jeweils eine Gleichschrift des Antrages und eine Aufstellung über die Nutzflächen und Ausstattungskategorien der Wohnungen angeschlossen gewesen. Bei letzterer Aufstellung habe es sich (auch) um die (den Seiten 2 bis 7 des Schlichtungsstellenaktes entnehmbaren) Mieterliste gehandelt.
In der mit der Ladung der Mieter des Hauses angeschlagenen "Mitteilung" sei unter anderem bekanntgegeben worden, daß die Ladung "auch einem von Amts wegen bestimmten Zustellbevollmächtigten (meistens dem Erstgenannten iSd § 37 Abs 3 Z 6 MRG) zugestellt" werde, es sei denn, daß alle Parteien einer Gruppe (Antragsteller oder Antragsgegner) einen Zustellbevollmächtigten nennen. In der Ladung zur Verhandlung am 28.6.1995 sei dann Trautlinde N***** als gemeinschaftliche Zustellbevollmächtigte bestellt und mitgeteilt worden, daß gegen diese Bestellung bis spätestens zum Beginn der mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben werden könnten. Würden keine Einwendungen erhoben, gelte der gemeinschaftliche Zustellbevollmächtigte als endgültig bestellt. Die Bestellung habe zur Folge, daß sämtliche Schriftstücke nunmehr an diesen Zustellbevollmächtigten zugestellt würden; mit der Zustellung einer Ausfertigung des jeweiligen Schriftstücks an ihn sei die Zustellung an alle Mieter bewirkt. Diese Ladung sei nicht nur im Stiegenhaus angeschlagen sondern auch - neben der Antragstellerin - Trautlinde N***** und dem (hier) namentlich genannten Antragsgegner individuell zugestellt worden.
In der Folge habe sich der (hier) namentlich genannte Antragsgegner für die Verhandlung am 28.6.1995 entschuldigt und ersucht, allfällige weitere Ladungen, insbesondere aber auch Entscheidungen, an seine Kanzlei zuzustellen. Diesem Ersuchen habe die Schlichtungsstelle dadurch entsprochen, daß sie ihre Entscheidung vom 6.7.1995 am 1.8.1995 an Trautlinde N***** und am 28.8.1995 (ein früherer Zustellversuch sei wegen Ortsabwesenheit des Empfängers nicht möglich gewesen) dem (hier) namentlich genannten Antragsgegner zustellte; ein Hausanschlag sei nicht mehr erfolgt.
Von diesem Verfahrensstand ausgehend zeige sich, daß - anders als bei dem der Entscheidung 5 Ob 108/90 zugrunde liegenden Sachverhalt - die Aufforderung zur Bestellung eines Zustellbevollmächtigten durch Beifügung der Mieterliste letztlich doch namentlich an alle Mieter des Hauses ergangen sei. Eröffne nämlich § 37 Abs 3 Z 6 MRG unter Verweis auf § 97 ZPO die Möglichkeit der Bestellung eines gemeinsamen Zustellbevollmächtigten, so solle durch das ausdrückliche Erfordernis der Bestellung "für namentlich bestimmte Personen" offenkundig den Besonderheiten des außerstreitigen Verfahrens nach § 37 MRG Rechnung getragen werden. Während im Zivilprozeß die Parteien ohnedies stets in Rubrum jedes Schriftsatzes (§ 75 Abs 1 ZPO) und in jeder Entscheidungsausfertigung (§ 417 Abs 1 Z 2, § 429 Abs 2 ZPO) namentlich zu bezeichnen seien, genüge es gemäß § 37 Abs 3 Z 3 MRG mitunter, den Antrag gegen "die Hauptmieter der Liegenschaft" zu richten. Nachdem ein Mieter idR nicht überblicken könne, wer die übrigen Mieter sind, müßten ihm deren Namen in irgendeiner Form mitgeteilt werden, damit er wisse, mit wem er sich überhaupt zwecks Nahmhaftmachung eines gemeinsamen Zustellbevollmächtigten in Verbindung zu setzen habe. Andersfalls könnten die Mieter dem in § 97 Abs 1 ZPO vorgesehenen Auftrag möglicherweise gar nicht entsprechen. Die Beifügung der Mieterliste erfülle diesen Zweck und habe damit dem Erfordernis der Bestellung "für namentlich bestimmte Personen" Rechnung getragen.
Damit sei die Zustellung der Entscheidung der Schlichtungsstelle an Trautlinde N***** auch für den nunmehrigen Rechtsmittelwerber wirksam und ihr Zeitpunkt maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Anrufung des Gerichtes gewesen. Die Anrufung des Gerichtes sei verspätet erfolgt.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß die einzige einschlägige Entscheidung (5 Ob 108/90) offen gelassen habe, ob ein Anschlag der Mieterliste dem Erfordernis einer namentlichen Bezeichnung der Mieter entspreche.
Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsgegner, der als einziger das Gericht angerufen hat, geltend, daß ihm durch die individuelle Zustellung der Entscheidung der Schlichtungsstelle ausdrücklich der Rechtsweg (die Möglichkeit einer Anrufung des Gerichtes) eröffnet worden sei. Es bestehe kein ausreichender Grund, ihm jetzt die Durchsetzbarkeit seiner Rechte (nur deshalb) abzusprechen, weil aus formalen Gründen eine weitere Zustellung erfolgt sei, von der er keine Kenntnis habe erlangen können. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das gesetzliche Verfahren über den vom Rechtsmittelwerber eingebrachten Antrag einzuleiten.
Von der Antragstellerin liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, den angefochtenen Beschluß zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Diese Revisionsrekursbeantwortung war vorweg zurückzuweisen. Da die Entscheidung des Erstgerichtes nicht in der Sache selbst und dazu noch vor Eintritt der Streitanhängigkeit erging, besteht weder nach § 37 Abs 3 Z 17 lit c MRG noch nach § 521a Abs 1 Z 3 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) eine Möglichkeit der Rechtsmittelbeantwortung (EWr III/528 Z/29); überdies wäre der erst am 24.4.1996 zur Post gegebene Schriftsatz nach allen in Betracht kommenden Fristbestimmungen (hier:
§ 521 Abs 1 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG; vgl aber auch § 521a Abs 1 Z 3 ZPO iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG oder § 37 Abs 3 Z 17 lit b MRG) verspätet, weil der Antragstellerin der Revisionsrekurs am 15.3.1996 zugestellt wurde.
Der Revisionsrekurs selbst, der sich gegen eine den gerichtlichen Rechtsschutz verweigernde und daher unter den Voraussetzungen des § 528 Abs 1 sowie Abs 2 Z 1 ZPO anfechtbare Konformatsentscheidung iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) richtet (EWr III/528 Z/29), ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.
Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß der in § 37 Abs 3 Z 6 zweiter Satz MRG für die Bestellung eines gemeinsamen Zustellbevollmächtigten normierten Voraussetzung, die von dieser Passivvertretung betroffenen Parteien "namentlich bestimmt" zu bezeichnen (und zwar schon in der gemäß § 97 Abs 1 ZPO voranzuschickenden, aber letztlich erfolglos gebliebenen Aufforderung zur Namhaftmachung eines selbst gewählten Vertreters), auch dadurch entsprochen werden kann, daß dem nach Maßgabe des § 37 Abs 3 Z 5 MRG zugestellten Aufforderungsschreiben eine Mieterliste (die namentliche Auflistung der Mieter des verfahrensgegenständlichen Hauses) angeschlossen wird. Dem Zweck dieser Gesetzesbestimmung, einerseits den Mietern eine Entscheidungshilfe für die Auswahl des gemeinsamen Zustellbevollmächtigten an die Hand zu geben, andererseits dem Zustellbevollmächtigten klar zu machen, an wenn er die ihm zugekommenen behördlichen Schriftstücke weiterleiten muß, genügt nämlich jede diese Funktionen erfüllende Bekanntmachung der vom Zustellbevollmächtigten vertreten Parteien. So gesehen war die von der Schlichtungsstelle gewählte Vorgangsweise gesetzeskonform und die Bestellung der Mieterin Trautlinde N***** zur Zustellbevollmächtigten der übrigen Hauptmieter der Liegenschaft (mangels fristgerechter Namhaftmachung eines selbst gewählten Vertreters) wirksam. Zu untersuchen bleibt jedoch, ob sich aus dem Ersuchen des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers, ihm trotz Bestellung eines Zustellbevollmächtigten die künftig ergehenden Ladungen, Entscheidungen etc persönlich zukommen zu lassen, die Notwendigkeit einer individuellen Zustellung an ihn ergab. Die Schlichtungsstelle selbst hat jedenfalls die individuelle Zustellung seiner Entscheidung (des einzigen Schriftstücks, das der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten nachfolgte) an den nunmehrigen Rechtsmittelwerber verfügt und damit zum Ausdruck gebracht, ihrer Verständigungspflicht nur so entsprechen zu können.
Der Fall ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. § 37 Abs 3 Z 8 MRG bestimmt jedoch, daß den für das Verfahren bestellten und dem Gericht ausgewiesenen Parteienvertretern jedenfalls - also ungeachtet sonstiger Zustellungserleichterungen - zuzustellen ist. Damit wurde jener Judikatur Rechnung getragen, wonach § 93 ZPO, der bei Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten allein die Zustellung an diesen für maßgeblich erklärt, zufolge § 6 AußStrG auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden ist (SZ 23/337; EFSlg 52.525; EFSlg 52.526 ua). Folgerichtig wurde für das Msch-Verfahren auch schon judiziert, daß die Zustellung durch Hausanschlag eine nach § 37 Abs 3 Z 8 erforderliche Zustellung an den ausgewiesenen Parteienvertreter nicht zu ersetzen vermag und die Unterlassung dieser Zustellung eine Verletzung des Parteiengehörs nach sich ziehen kann (WoBl 1992, 9/1). Nun ist zu bedenken, daß in nichtstreitigen Rechtssachen in der Regel niemand schuldig ist, sich eines Rechtsanwaltes zu bedienen (§ 5 AußStrG). Jede in ein Msch-Verfahren involvierte Partei kann daher ihre Interessen vor Gericht (oder vor der Schlichtungsstelle) selbst vertreten oder Personen, die nicht Rechtsanwälte sind (soferne nicht der Tatbestand der Winkelschreiberei erfüllt wird), mit ihrer Vertretung betrauen (EWr I/37/71 ua). Das bedeutet, daß jede Partei eines Msch-Verfahrens schon allein durch eine dem Gericht nachgewiesene Bevollmächtigung eines anderen (etwa des Ehegatten oder eines Nachbarn) zur Vertretung im Verfahren die individuelle Zustellung gerichtlicher Schriftstücke erzwingen kann. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde man dafür nicht auch ein bloßes Ersuchen um individuelle Zustellung genügen lassen. Grundsätze der Analogie gebieten es daher, die aufgezeigte Gesetzeslücke in diesem Sinn zu schließen.
Dementsprechend wurde dem nunmehrigen Rechtsmittelwerber die Sachentscheidung der Schlichtungsstelle erst am 26.8.1995 wirksam zugestellt. Mit seinem das gerichtliche Verfahren einleitenden Schriftsatz vom 6.9.1995 hat er die vierzehntägige Frist des § 40 Abs 1 MRG gewahrt, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.
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