OGH 2Ob2115/96k

OGH2Ob2115/96k13.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Max H*****, vertreten durch Dr.Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagten Parteien 1. Renate P*****, und 2. ***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr.Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen S 69.000 sA und Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. April 1996, GZ 6 R 68/96d-24, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 29. Jänner 1996, GZ 2 Cg 64/95g-19, in der Fassung des Beschlusses vom 26.2.1996, GZ 2 Cg 64/95g-20, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 29.1.1996 verurteilte das Erstgericht die beklagten Parteien zur Zahlung von S 51.333,33 und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von S 17.666,67 ab; es stellte fest, daß die beklagten Parteien dem Kläger zur ungeteilten Hand zu einem Drittel für alle künftigen Folgen und Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 11.8.1994 auf der P*****-Straße in T***** zu haften haben. Im Punkt 4 seiner Entscheidung verpflichtete das Erstgericht die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zum Ersatz der mit S 35.878,10 (darin enthalten S 4.109,60 Umsatzsteuer und S 11.220,50 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten.

Das Erstgericht führte in den Entscheidungsgründen aus, daß das Verschulden des Erstbeklagten jedenfalls ein Drittel erreiche; unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers von zwei Drittel bestehe das Leistungsbegehren mit S 51.333,33 zu Recht und sei dem Feststellungsbegehren im eingeklagten Umfang von einem Drittel stattzugeben. Die Kostenentscheidung stützte das Erstgericht auf § 43 Abs 2 ZPO; das Gesamthonorar betrage S 22.157,76 zuzüglich S 4.437,55 Umsatzsteuer und Barauslagen von S 11.220,50.

Die Ausfertigung dieses Urteils wurde dem Klagevertreter am 19.2.1996, dem Vertreter der beklagten Parteien am 16.2.1996 zugestellt.

Mit Beschluß vom 26.2.1996 berichtigte das Erstgericht das Urteil im Punkt 4 des Urteilsspruches dahingehend, daß es statt "S 35.878,10" richtig "S 37.815,81" und statt "S 4.109,60" richtig "S 4.437,55" zu lauten habe. Der Berichtigungsbeschluß wurde damit begründet, daß der aus der Kostenentscheidung eindeutig hervorgehende Diktatfehler von Amts wegen zu berichtigen sei.

Dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern am 29.2.1996 mit der Aufforderung zur Vorlage des Urteils binnen acht Tagen zugestellt. Die berichtigten Urteilsausfertigungen wurden den Parteienvertretern am 4.3.1996 zugestellt.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteil des Erstgerichtes überreichten die beklagten Parteien am 26.3.1996 das Rechtsmittel der Berufung. Dieses wurde mit Beschluß vom 11.4.1996 vom Berufungsgericht zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß im vorliegenden Fall durch die Entscheidungsberichtigung kein neuer Fristenlauf ausgelöst worden sei, weil die beklagten Parteien auch ohne die Berichtigung keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Willens haben konnten und die Berichtigung zu dessen Klärung nichts beigetragen habe. Das Erstgericht habe nämlich das Urteil nicht in den von den beklagten Parteien bekämpften Teilen (Leistungs- und Feststellungsausspruch) berichtigt, sondern lediglich im Kostenausspruch. Durch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses mit der Aufforderung zur Vorlage der Urteilsausfertigung sei völlig klar gewesen, daß nur die Kostenentscheidung berichtigt werde. Der Additionsfehler, der das Erstgericht zur Berichtigung der Kostenentscheidung veranlaßte, sei schon aus der Begründung der Kostenentscheidung im Urteil eindeutig nachvollziehbar. Für die beklagten Parteien habe daher kein Zweifel darüber bestehen können, inwieweit das Erstgericht dem Klagebegehren stattgeben wollte und daß die Berichtigung darauf keinen Einfluß habe. Der Fristbeginn für die Erhebung der Berufung richte sich daher für die beklagten Parteien nach der am 16.2.1996 erfolgten Zustellung des Urteils, so daß die am 26.3.1996 beim Erstgericht überreichte Berufung verspätet sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, in der Sache selbst zu entscheiden.

Der Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, die Berufungsfrist habe erst mit Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen begonnen, weil bei Berichtigung eines Urteiles nach § 419 ZPO die Rechtsmittelfrist nur dann mit der Zustellung der unberichtigten Urteilsausfertigung zu laufen beginne, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigung über den wirklichen Inhalt des richterlichen Willens nicht in Zweifel sein konnte und der Berichtigungsantrag offensichtlich nur dem Zweck diene, mißbräuchlich eine neue Rechtsmittelfrist zu erwirken. Von einer mißbräuchlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist könne aber nicht gesprochen werden. Es sei im vorliegenden Fall erst mit Neuzustellung des gegenständlichen Urteils die erforderliche Rechtssicherheit gegeben gewesen und hätte erst zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, beginnt nach neuerer Rechtsprechung mit der Zustellung der berichtigten Entscheidung dann keine neue Rechtsmittelfrist gegen das berichtigte Urteil zu laufen, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluß keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte (SZ 27/219; JBl 1974, 102; EvBl 1975/224; VR 1994, 219, 319 ua). Es ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß im vorliegenden Fall auch ohne die Berichtigung die beklagten Parteien keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Willens haben konnten. Es mußte den beklagten Parteien aufgrund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 26.2.1996 klar sein, daß nur eine Berichtigung im Kostenpunkt vorgenommen werde, so daß die Entscheidung in der Hauptsache, durch die allein sie sich beschwert erachteten, keine Änderung erfahren werde (8 Ob 597/88).

Allerdings haben die beklagten Parteien in ihrem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes auch geltend gemacht, es sei die ursprünglich zugestellte Urteilsausfertigung offenbar aufgrund eines Defektes des gerichtlichen Kopiergerätes in wesentlichen Teilen unleserlich gewesen und habe auch eine Seite des Urteiles gefehlt, was ebenfalls seine Ursache im Bereich des Kopiervorganges haben dürfte. Zur Bearbeitung und Weiterleitung des Urteiles sei es für den Beklagtenvertreter notwendig gewesen, in kurzem Wege in der zuständigen Gerichtsabteilung ein vollständiges und leserliches Urteil beizuschaffen. Nachdem dies gelungen war, sei der Berichtigungsbeschluß vom 29.2.1996 in der Kanzlei des Beklagtenvertreters eingegangen.

Mit diesen Ausführungen wird nicht gegen das auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (siehe hiezu Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 526) verstoßen, weil es sich um Tatsachen handelt, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände - Zustellung der angefochtenen Entscheidung und Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels - betreffen (Kodek, aaO, Rz 3 zu § 482). Diese Ausführungen wären grundsätzlich auch geeignet, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzutun, weil im Falle der Zustellung einer unvollständigen oder in nicht unerheblichen Teilen unleserlichen Urteilsausfertigung die Berufungsfrist nicht schon mit der Zustellung dieser Ausfertigung zu laufen beginnt, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals eine vollständige und leserliche Ausfertigung zur Verfügung stand (3 Ob 511,512/85). Dies war aber, wie sich aus den über Auftrag des Obersten Gerichtshofes durchgeführten Erhebungen ergibt, spätestens am 22.2.1996 der Fall, so daß zum Zeitpunkt der Überreichung der Berufung am 26.3.1996 die Berufungsfrist bereits abgelaufen war.

Es war sohin dem Rekurs der beklagten Partei ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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