Spruch:
I Den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Mladen L***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
II Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde wird Cedo L***** auf diese Entscheidung verwiesen, im übrigen wird sie verworfen.
III Mit ihren Berufungen werden sämtliche Rechtsmittelwerber auf die zu I ergangene Entscheidung verwiesen.
IV Dem Angeklagten Cedo L***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittels zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der bosnische Staatsangehörige Cedo L***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, (II und IV) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III), der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (V), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (VI a) und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 1) StGB (VI b) und der serbische Staatsangehörige Mladen L***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I) schuldig erkannt. Darnach haben am 5. November 1994 in Linz Cedo und Mladen L***** als Mittäter
(zu I) den Jovan und die Gospojinka A***** durch die Äußerung, ihren Kindern die Fingernägel zu ziehen, die Ohren und die Zunge abzuschneiden, den Jovan A*****, dessen Frau und Kinder umzubringen, die Augen auszustechen, ferner durch Versetzen von Fußtritten und Schlägen gegen Jovan, Gospojinka und Dejan A***** sowie durch Herausreißen des Telefonkabels zur Bezahlung von DM 10.000,-- zu nötigen versucht, wobei sie mit dem Tode und einer erheblichen Verstümmelung drohten; sowie Cedo L***** alleine
(zu II) den Dejan A***** dadurch, daß er ihn würgte und durch die Äußerung, ihm werde der Kopf abgeschnitten, mit dem Tode gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;
(zu III) nachstehende Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
a) Gospojinka A***** durch Versetzen von zwei Fußtritten gegen den Unterleib, wodurch sie blaue Flecken und Bauchschmerzen erlitt;
b) Johan A***** dadurch, daß er ihm das Telefon entgegenschleuderte, wodurch dieser am linken Arm eine blutende Schürfwunde erlitt;
(zu IV) den Milan S***** durch die Äußerung "ich werde deine Kinder umbringen", mit dem Tode gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;
(zu V) vorsätzlich fremde Sachen dadurch beschädigt, daß er dem Milan S***** ein Tablett mit Gläsern aus der Hand schlug, wobei die Gläser zerbrachen, sowie das Telefonkabel einer für öffentliche Zwecke bestimmten Fernmeldeanlage ausriß;
(zu VI) als Lenker eines PKW's dadurch
a) daß er mit Vollgas auf Milan S***** losfuhr, wendete und erneut auf ihn losfuhr, wobei sich dieser jeweils nur durch einen Sprung zur Seite bzw durch Davonlaufen vor einem Überfahrenwerden retten konnte, somit durch Gewalt zum Ausweichen genötigt und
b) daß er im ermüdeten und leicht alkoholisierten Zustand bei Dunkelheit mit Vollgas auf dem Parkplatz vor dem Lokal "A*****" herumfuhr und dabei eine hohe Geschwindigkeit einhielt, worauf sich Lokalgäste nur durch einen Sprung zur Seite vor dem Überfahrenwerden retten konnten,
somit jeweils unter besonders gefährlichen Verhältnissen eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit mehrerer Personen herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte Cedo L***** bekämpft dieses Urteil in den Schuldsprüchen I, II, IV und VI b) aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 9 lit a, und 10 des § 281 Abs 1 StPO und der Angeklagte Mladen L***** den ihn betreffenden Schuldspruch I aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO.
Die Staatsanwaltschaft ficht das Urteil im Punkt I unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO an.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Nach den zum Faktum I getroffenen Konstatierungen haben die beiden Angeklagten den Jovan und die Gospojinka A***** durch qualifiziert gefährliche Drohung zur Bezahlung eines Betrages von 10.000 DM zu zwingen versucht. Ob sie sich dadurch allerdings auch unrechtmäßig bereichern oder nur Geldforderungen, die sie für berechtigt hielten, durchsetzen wollten, vermochte das Erstgericht nicht festzustellen, weshalb es, abweichend von der auf versuchte Erpressung lautenden Anklage, zu einem Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB gelangte.
Zutreffend moniert die Anklagebehörde in ihrer auch als Rechtsrüge (Z 10) ausgeführten Mängelrüge (Z 5), daß die Annahme des Fehlens eines unrechtmäßigen Bereicherungsvorsatzes mit der eigenen Verantwortung der beiden Angeklagten, wonach ihnen die Gesamteinnahmen aus dem Kartenverkauf zustünden, in Widerspruch steht. Mit Rücksicht darauf, daß sie von dem mit 19.050 S festgestellten Kartenerlös 14.000 S bereits erhalten hatten, bestand nämlich schon nach ihrem eigenen Vorbringen für die Geltendmachung eines Betrages von 10.000 DM, dessen Bezahlung sie durch den Einsatz gefährlicher Drohung erreichen wollten, kein Grund. Selbst die von den Tatrichtern verworfene Darstellung des Zweitangeklagten, in einer allfälligen Klage ein angemessenes Auftrittsentgelt von 10.000 DM fordern zu können, läßt offen, weshalb sich die Angeklagten angesichts der von ihnen behaupteten vertraglichen Vereinbarung, die gesamten Konzerteinnahmen zu erhalten, ohne daß eine Mindestgage ausbedungen worden wäre, für berechtigt hielten, zu den bereits erhaltenen 14.000 S weitere 10.000 DM zu verlangen.
Das Urteil, das diese Verfahrensergebnisse bei der Frage des Bereicherungsvorsatzes unberücksichtigt ließ, erweist sich demnach im Ausspruch über entscheidende Tatsachen als offenbar unzureichend begründet, weshalb in diesem Umfang eine Verfahrenserneuerung anzuordnen war.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Cedo L*****:
Mit seinen Einwendungen gegen den Schuldspruch I wird der Beschwerdeführer auf die in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erfolgte kassatorische Entscheidung verwiesen.
Zum Schuldspruch II stellte das Erstgericht in Darstellung der gesamten beim zweiten Besuch im Lokal "A*****" ablaufenden Geschehnisse fest, daß unter Miteinbeziehung der Gewalttätigkeiten des Erstangeklagten, der sein Opfer, während er mit dem Kopfabschneiden drohte, sogar würgte, also seine verbale Todesdrohung mit lebensbedrohlich wirkender Aggression unterstrich, die inkriminierte Äußerung auch unter Bedachtnahme auf den dabei anzulegenden objektiv individuellen Maßstab (vgl Leukauf-Steininger, Komm3 § 74 RN 21) geeignet war, beim bedrohten Dejan A***** begründete Besorgnis um sein Leben hervorzurufen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge demgegenüber das Vorliegen einer milieubedingten Unmutsäußerung (Z 9 lit a) bzw einer übertriebenen Ankündigung einer bloßen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität (Z 10) reklamiert, orientiert er sich nicht am Urteilssachverhalt und bringt damit den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Diese verfehlt auch die zum Schuldspruch IV ausgeführte Rechtsrüge (Z 9 lit a), in der der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen zur Besorgniseignung der gegenüber Milan S***** ausgesprochenen Drohung, dessen Kinder umzubringen, moniert. Denn ob der Angeklagte von der Existenz von Kindern des Bedrohten Kenntnis hatte, ist für die Frage der objektiven Eignung der Drohung, gegründete Besorgnis zu erwecken, unentscheidend. Demzufolge mußte sich das Erstgericht auch der in der Mängelrüge (Z 5) vertretenen Beschwerdeauffassung zuwider mit der Aussage des Zeugen Ilija R***** nicht auseinandersetzen, der lediglich zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer und S***** einander nicht gekannt haben.
Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand, daß auch diese Drohung als bloße Unmutsäußerung zu werten sei, richtet sich gegen die einer Rechtsrüge entzogene, vom Erstgericht dahin festgestellte Tatfrage, wonach der Angeklagte mit seiner Drohung die Absicht verfolgte, S***** in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Die gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB (VI b) erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a), die Feststellungsmängel sowohl zur Frage der besonders gefährlichen Verhältnisse als auch zur konkreten Gefährdung behauptet, geht fehl.
Die Tathandlung des § 89 StGB besteht in der Vornahme einer objektiv sorgfaltswidrigen Handlung unter Umständen, die aus der ex ante Sicht eines objektiven Beobachters eine außergewöhnlich hohe Unfallwahrscheinlichkeit begründen (Kienapfel BT I3 § 89 RN 10, § 81 RN 11) und die ex post betrachtet zu einer konkreten Gefährdung des Lebens, der Gesundheit oder der körperlichen Sicherheit eines anderen, mithin zu einer Situation führt, die sich bereits so bedrohlich zugespitzt hat, daß sie für den davon Betroffenen erfahrungsgemäß nahezu zwangsläufig eine Beeinträchtigung von Leib oder Leben zur Folge hat (Kienapfel aaO § 89 RN 14, 16, 18).
Vorliegendenfalls reicht, der insoweit unsubstantiiert gebliebenen Beschwerdeansicht zuwider, die konstatierte Häufung unfallträchtiger Faktoren (vgl Kienapfel aaO § 81 RN 18) zur Annahme der besonders gefährlichen Verhältnisse ebenso hin wie der Umstand, daß sich Fußgänger nur durch einen Sprung zur Seite vor dem Überfahrenwerden in Sicherheit bringen konnten, die irrtumsfreie Beurteilung als konkrete Gefährdung ermöglicht (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 89 RN 7).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten Mladen L*****:
Soweit die Beschwerde das Fehlen einer für die Annahme einer Mit- oder Beitragstäterschaft ausreichenden Feststellungsgrundlage bemängelt (Z 9 lit a), ist sie im Recht. Denn daß Mladen L***** eine den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB entsprechende Ausführungshandlung unternommen hätte, er also unmittelbarer (Mit-)Täter wäre, wurde nicht festgestellt. Die bloße Anwesenheit am Tatort allein genügt aber den Erfordernissen einer - rechtlich gleichwertigen - Beitragstäterschaft ebensowenig wie das nicht näher umschriebene "Verhalten" des Beschwerdeführers. Der aufgezeigte Feststellungsmangel erzwingt daher ebenfalls die Aufhebung des Mladen L***** betreffenden Schuldspruches.
Eine nähere Auseinandersetzung mit dem übrigen Beschwerdevorbringen - dessen Argumentation jedoch im erneuerten Verfahren zu beachten sein wird - konnte daher mit Rücksicht darauf und im Hinblick auf die bereits in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfügte Aufhebung des zu I ergangenen Schuldspruches unterbleiben.
Den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Mladen L***** war daher Folge zu geben und im übrigen wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.
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