OGH 5Ob2128/96v

OGH5Ob2128/96v12.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegnerin I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Erhöhung des Bauzinses, infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 9. Februar 1996, GZ 54 R 19/96g-30, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 10. November 1995, GZ 3 Nc 1/94-26, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Jahr 1957 haben die Streitteile einen ersten Baurechtsvertrag über die im Eigentum der Antragstellerin stehende Liegenschaft in EZ ***** KG ***** für die Dauer von 80 Jahren abgeschlossen. Darin war ein jährlicher Bauzins von S 20.000,-- vereinbart. In einer Zusatzvereinbarung wurde festgehalten, daß dann, wenn der jeweilige Verkehrswert des Grundstückes um mehr als 25 % sinkt oder steigt, auf Antrag eines jeden Vertragspartners der Bauzins vom nächsten Kalenderhalbjahr angefangen entsprechend herabzusetzen oder zu erhöhen ist (Punkt 2 der Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957).

Am 18.2.1963 unterfertigten die Streitteile einen zweiten Baurechtsvertrag, womit der Antragsgegnerin ein Baurecht an der ebenfalls im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaft in EZ ***** KG ***** auf die Dauer von 80 Jahren eingeräumt wurde. Der jährliche Bauzins sollte 4 % des damaligen Verkehrswertes der Liegenschaft in der Höhe von S 2,367.400,--, das sind S 94.696,-- betragen.

Die Antragsgegnerin errichtete auf diesen Liegenschaften ein Studentenheim, welches sie selbst betreibt. Über Ansuchen der Antragsgegnerin gewährte die Antragstellerin bis einschließlich 31.12.1992 eine Herabsetzung der Bauzinse auf S 5.210,-- (Baurechtsvertrag 1957) und S 23.674,-- (Baurechtsvertrag 1963).

Mit am 6.6.1991 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz begehrte die Antragstellerin die Feststellung, daß die angemessenen Bauzinse für die Baurechte an den Liegenschaften in EZ ***** KG ***** bzw EZ *****, EZ ***** KG ***** jeweils ab 1.1.1991 jährlich S 77.920,-- (Vertrag vom 26.4./13.9.1957) bzw S 316.483,50 (Vertrag vom 18.2.1963) jeweils wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1986 (Ausgangsbasis Jänner 1991) betragen.

Wäre zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse eine Wertsicherungsklausel zulässig gewesen, so hätten die Vertragspartner eine solche vereinbart. Tatsächlich sei in Form der Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957 auch eine Wertsicherung vereinbart worden. Gemäß Punkt 2 dieser Vereinbarung sei auf Antrag eines jeden Vertragspartners der Bauzins vom nächsten Kalenderhalbjahr angefangen entsprechend herabzusetzen oder zu erhöhen, wenn der Verkehrswert des jeweiligen Grundstückes um mehr als 25 % sinke oder steige. Diese Klausel sei im ursprünglichen Entwurf des Vertrages aus dem Jahr 1956 enthalten gewesen, doch habe, da der Grundbuchsrichter die Verbücherung dieser Wertsicherungsklausel abgelehnt habe, die oben angeführte Zusatzvereinbarung abgeschlossen werden müssen. Diese sei von der Antragsgegnerin zusammen mit dem verbücherten Baurechtsvertrag am 26.4.1957 unterfertigt worden. Die Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957 habe den Streitteilen als Muster für eine gleichlautende Nebenabrede zum Baurechtsvertrag vom 18.2.1963 gedient, weshalb sie auch für diesen Vertrag Gültigkeit habe. Damit sei klargestellt, daß die Streitteile für beide Baurechtsverträge eine Wertsicherungsklausel vereinbart hätten, wenn dies zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge zulässig gewesen wäre. Die den Anträgen zugrunde gelegten Bauzinse seien durch eine Aufwertung des seinerzeit vereinbarten Bauzinses zum Stichtag 1.1.1991 zustandegekommen. Ab diesem Zeitpunkt werde die Wertsicherung der angemessenen Bauzinse beantragt. Die Erhöhung der Bauzinse gelte somit lediglich die Teuerung seit den Vertragsabschlüssen ab und stelle nicht auf den angemessenen Bauzins zum Zeitpunkt der Antragstellung ab. Mit Wirksamkeit bis einschließlich 31.12.1992 habe die Antragstellerin auf die Einhebung der die Beträge von S 5.210,-- bzw S 23.674,-- jährlich übersteigenden Bauzinse verzichtet. Selbst wenn man annehme, daß die Antragstellerin durch diesen Verzicht nicht zur Erhöhung der Bauzinse im beantragten Umfang berechtigt sei, so seien jedenfalls die verminderten Bauzinse von S 5.210,-- und S 23.674,-- ausgehend von den Zeitpunkten der jeweiligen Vertragsabschlüsse bis 31.12.1990 aufzuwerten und ab 1.1.1991 im beantragten Umfang wertzusichern. Nach Ablauf des Verzichtszeitraumes, sohin ab 1.1.1993, sei die Antragsgegnerin verpflichtet, die vereinbarten Bauzinse im angemessenen und aufgewerteten Umfang zu entrichten.

Die Antragsgegnerin sprach sich gegen eine Erhöhung der Bauzinse aus. Von Anfang an habe zwischen den Vertragsteilen dahingehend Übereinstimmung geherrscht, daß der Bauzins zwar nominell 4 % des Schätzwertes der Grundstücke betrage, dieser Zins aber auf 1 % herabgesetzt werde. Selbst dieser ermäßigte Betrag habe von der Antragsgegnerin nicht aufgebracht werden können, weshalb 1965 vom Bundesministerium für Unterricht eine Subvention in der Höhe des Jahresbauzinses gewährt habe werden müssen. Über Ersuchen der Antragsgegnerin sei die Herabsetzung der Bauzinse (auf 1 %) bis zuletzt 31.12.1992 verlängert worden. Als Äquivalent für die Senkung des Bauzinses und die ungenannt gebliebene Außerkraftsetzung der "sogenannten Wertsicherung" habe sich die Antragstellerin eine Vertretung im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin bedungen. Auch daraus ergebe sich, daß eine Steigerung des Bauzinses ernstlich nie gewollt gewesen sei. Dies stehe in Übereinstimmung mit dem Umstand, daß die Antragstellerin bis heute nie irgendeinen Versuch unternommen habe, den Bauzins in Entsprechung des Punktes 2 der Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957 zu erhöhen. Für den Baurechtsvertrag vom 18.2.1963 sei eine solche Zusatzvereinbarung nicht abgeschlossen worden und sei die Antragstellerin auch insofern (in Ansehung dieses Vertrages) ihrer Behauptungs- und Beweispflicht nicht nachgekommen. Schon vor Abschluß dieses zweiten Baurechtsvertrages habe die Antragstellerin damit rechnen können, daß auch bei diesem Baurechtsvertrag der Bauzins auf ein Viertel gesenkt werde. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Bauzinses gemäß Art III Abs 5 der BauRGNov 1990 seien aber auch deshalb nicht gegeben, da vorliegendenfalls soziale Erwägungen bei der Festsetzung des Bauzinses maßgebend gewesen seien. Jene Bauzinse, die nunmehr begehrt würden, stellten nicht ein angemessenes Ausmaß einer Erhöhung dar, sondern resultierten einfach aus dem Erhöhungsbetrag, der sich bei einer Indexklausel ergeben hätte.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze ab. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der erste Baurechtsvertrag wurde am 26.4.1957 vom damaligen Geschäftsführer der Antragsgegnerin Dr.Eduard R***** und am 13.9.1957 von der Antragstellerin unterzeichnet. Dieser Baurechtsvertrag erfuhr eine Ergänzung durch die Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957. Diese wurde von der Antragstellerin am 13.9.1957 unterfertigt, während vom damaligen Geschäftsführer der Antragsgegnerin die Unterfertigung im Zeitraum zwischen 13.9. und 3.10.1957 erfolgte. Mit dieser (in ihrem wesentlichen Wortlaut eingangs angeführten) Zusatzvereinbarung war zwischen den Vertragsparteien keine Wertsicherung im Sinne des "nunmehrigen Begehrens beabsichtigt". Es sollte damit lediglich eine Bedachtnahme auf geradezu außergewöhnliche Wertveränderungen vorgenommen werden. Die Parteien waren schon im Zuge der Vertragsverhandlungen zum Baurechtsvertrag 1957 übereingekommen, eine derartige Klausel in den Vertragstext aufzunehmen. Da jedoch zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Wertsicherung gesetzlich nicht möglich und es vom zuständigen Grundbuchsrichter abgelehnt worden war, eine Wertsicherungsklausel zu verbüchern, wurde die Vorgangsweise mit der Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957 gewählt. Am 13.9.1957, als seitens der Antragstellerin die Unterfertigung sowohl des Baurechtsvertrages als auch der Zusatzvereinbarung erfolgte, lagen bereits beide Urkunden in vom Geschäftsführer der Antragsgegnerin unterfertigter Form vor. In der Folge wurde allerdings noch ein sinnstörender Fehler berichtigt und eine stilistische Verbesserung vorgenommen. In den folgenden Jahren ist eine Wertsicherung im Sinne des Punktes 2 der Zusatzvereinbarung nie vorgenommen worden. Ob die Parteien stillschweigend von dieser Vereinbarung abgegangen sind oder diese nach wie vor in Geltung ist, kann nicht festgestellt werden.

Am 18.2.1963 schloß Dr.I***** als Nachfolger in der Geschäftsführung der Antragsgegnerin einen zweiten Baurechtsvertrag mit der Antragstellerin ab. Als jährlicher Bauzins war wiederum ein Betrag von 4 % des damaligen Verkehrswertes der Liegenschaft in der Höhe von S 2,367.400,--, das waren S 94.696,-- vereinbart; eine (in einer Zusatzvereinbarung enthaltene) Wertsicherungsklausel wurde zu diesem Baurechtsvertrag nicht abgeschlossen. Ob zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse für die beiden Baurechtsverträge auf eine Wertsicherung im Sinne des nunmehrigen Begehrens durch die Antragstellerin aus sozialen Gründen verzichtet worden ist, kann nicht festgestellt werden. Der Aufnahme einer Wertsicherungsklausel im Sinne einer inflationsbedingten Wertsteigerung hätte die Geschäftsführung der Antragsgegnerin weder im Jahr 1957 noch im Jahr 1963 zugestimmt.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des Art III Abs 5 der BauRGNov 1990 (BGBl 1990/258). Die zum (ersten) Baurechtsvertrag abgeschlossene Zusatzvereinbarung stelle eine unzulässige Vereinbarung im Sinne des § 3 Abs 2 BauRG dar, da sie durch den Wert von Grund und Boden bestimmt sei. Maßgeblich sei nur, ob die Parteien zum Zeitpunkt der jeweiligen Vertragsabschlüsse eine Wertsicherung im Sinne des nunmehrigen Begehrens vereinbart hätten, wenn eine solche Wertsicherung zulässig gewesen wäre. Da das Beweisverfahren ergeben habe, daß eine Wertsicherung von den Parteien in keinem der beiden Fälle vereinbart worden wäre, sei der Antrag schon aus diesem Grund abzuweisen und müsse auf die weiteren im Art III Abs 5 geforderten Voraussetzungen nicht mehr eingegangen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß insoweit auf, als darin der Antrag, den Bauzins für das Baurecht an der Liegenschaft in EZ ***** KG ***** (Baurechtsvertrag vom 25.4. [richtig wohl: 26.4.]/13.9.1957) ab 1.1.1993 angemessen nach dem Verbraucherpreisindex 1986 zu erhöhen, abgewiesen wurde, und trug dem Erstgericht insoferne die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im übrigen, nämlich in Ansehung der Abweisung des Antrages betreffend die Liegenschaft in EZ ***** ***** KG ***** (Baurechtsvertrag vom 18.2.1963) sowie der Abweisung des Erhöhungsbegehrens für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 31.12.1992 betreffend die Liegenschaft in EZ ***** KG ***** (Baurechtsvertrag vom 26.4./.13.9.1957), gab es dem Rekurs nicht Folge. Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht im Umfang der Bestätigung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses für nicht zulässig, im Umfang der Aufhebung für zulässig.

Zur Rechtsrüge betreffend den Baurechtsvertrag vom 26.4./.13.9.1957 führte das Rekursgericht folgendes aus:

Dieser Rechtsrüge könne jedenfalls insoweit kein Erfolg beschieden sein, als darin eine Erhöhung für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 31.12.1992 begehrt werde. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sei davon auszugehen, daß die zuletzt weiterhin gewährte Ermäßigung des Bauzinses nur so verstanden werden könne, daß diese Ermäßigung weiterhin ohne Rücksicht auf den geänderten Geldwert bis 31.12.1992 gewährt werde. Damit sei allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob die Antragstellerin nach diesem Zeitpunkt nicht einen entsprechend aufgewerteten Bauzins zu begehren berechtigt sei. Art III Abs 5 BauRGNov 1990 lasse die Erhöhung des Bauzinses bei Erfüllung aller in den Z 1 bis 4 dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen zu. Erforderlich sei demnach, daß nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden sei, angenommen werden könne, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre, wenn sie zulässig gewesen wäre. Eine weitere Voraussetzung bestehe darin, daß der Baurechtsvertrag keine oder eine solche Vereinbarung über die Wertsicherung des Bauzinses enthalte, die dem § 3 Abs 2 BauRG nicht entspreche. Art III Abs 5 Z 3 BauRGNov 1990 eröffne sohin die Möglichkeit einer Umwandlung bestehender Bodenwertklauseln, die nach § 3 Abs 2 BauRG idgF nicht saniert werden, in eine gesetzlich zulässige Wertsicherungsvereinbarung. Vorliegendenfalls stellten der eigentliche Baurechtsvertrag vom 26.4./13.9.1957 und die Zusatzvereinbarung vom 13.9.1957 eine von den Parteien als einheitliches Gebilde gedachte Vertragskonstruktion dar, weshalb davon auszugehen sei, daß die Voraussetzungen des Art III Abs 5 Z 3 zweiter Fall leg cit gegeben seien. Das Gesetz eröffne somit vorliegendenfalls die Möglichkeit der Umdeutung der nach wie vor unzulässigen Bodenwertklausel (Verbot der Bezugnahme der Wertsicherung auf den Wert von Grund und Boden) in eine (zulässige) Wertsicherungsklausel, ohne allerdings zu sagen, welche konkrete Wertsicherungsklausel anstelle der unzulässigen Bodenwertklausel anzunehmen sei. Auch die Bestimmung des Art III Abs 5 Z 4 vermöge hier keine Klarheit zu schaffen, heiße es doch darin nur, daß nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden sei, angenommen werden könne, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre, wenn sie zulässig gewesen wäre. Denkmöglich wäre, daß eine Erhöhung des Bauzinses nur dann in Betracht komme, wenn einerseits eine unzulässige Bodenwertklausel vereinbart worden sei, andererseits aber Umstände feststellbar seien, die darauf hindeuteten, daß die Parteien anstelle der tatsächlichen vereinbarten unzulässigen Bodenwertklausel eigentlich eine (jetzt) zulässige Wertsicherungsklausel vereinbart hätten. Ausgehend vom Grundsatz, daß ein Gesetz im Zweifel so ausgelegt werden müsse, daß der aufgestellten Norm ein Anwendungsgebiet zukomme, verbiete sich allerdings eine derartige Gesetzesauslegung, zumal Fälle, in denen die Parteien die unzulässige Bodenwertklausel anstelle einer seinerzeit gleichfalls unzulässigen Wertsicherungsklausel vereinbart hätten, bei Anlegung eines realistischen Maßstabes für das Rekursgericht nicht nachvollziehbar seien. Der (teilweise) Widerspruch zwischen den Z 3 und 4 des Art III Abs 5 BauRGNov 1990 könne daher nur in der Weise aufgelöst werden, daß im Falle des Nachweises des Abschlusses einer unzulässigen Bodenwertklausel nur mehr die weiteren Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle (Z 1 und Z 2) vorliegen müßten, um eine Erhöhung des Bauzinses auf ein angemessenes Ausmaß durchsetzen zu können. Dies bedeute vorliegendenfalls, daß der Antrag auf Erhöhung des Bauzinses für den ersten Baurechtsvertrag ab dem Zeitpunkt 1.1.1993 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung fehle allerdings eine ausreichende Feststellungsgrundlage insofern, als dem angefochtenen Sachbeschluß keine Tatsachenfeststellungen zum Ausmaß der Erhöhung zu entnehmen seien.

Zur Frage des Ausmaßes der Erhöhung sei grundsätzlich davon auszugehen, daß die eingetretene Wertsicherung ab dem Zeitpunkt der Vertragsschließung zu berechnen sei. Die Erhöhung des Bauzinses auf das "angemessene Ausmaß" könne sowohl unter Berücksichtigung der in § 6 ABGB normierten Auslegungsregeln (insbesondere der systematischen Interpretation) als auch bei verfassungskonformem Verständnis des Art III Abs 5 BauRGBNov nur bis zu dem Betrag erfolgen, der bei der Beurteilung der offenbaren Unangemessenheit des bisherigen Bauzinses als Vergleichsmaßstab herangezogen worden sei, also bis zu dem nach dem Verbraucherpreisindex aufgewerteten bisherigen Bauzins. Eine Erhöhung des seinerzeit vereinbarten Bauzinses in "angemessenem Ausmaß" bedeute eine dem inneren Geldwert entsprechende Aufwertung, die am Verbraucherpreisindex zu orientieren sei. Dieser an Hand des Verbraucherpreisindexes aufgewertete Betrag sei auch der Prüfung der Frage der Unangemessenheit des Bauzinses zugrunde zu legen, wogegen eine Heranziehung des aktuellen Marktwertes des Bauzinses als Vergleichsmaßstab zu unterbleiben habe. Zur Frage dieses nach dem Verbraucherpreisindex aufgewerteten Bauzinses zum Zeitpunkt 1.1.1993 fehlten jedoch die dem Tatsachenbereich zuzuordnenden erforderlichen Feststellungen und werde das Erstgericht das Verfahren insofern zu ergänzen haben. In diesem Zusammenhang vertrete das Rekursgericht die Ansicht, daß die tatsächlich vereinbarte Bodenwertklausel auch im Sinne einer allenfalls theoretisch denkbaren Begrenzung des Aufwertungsbetrages außer Betracht zu bleiben habe. Nur im Wege eines Sachbefundes zu gewinnende Feststellungen zur Frage des sich aus der tatsächlich geschlossenen Wertsicherungsklausel errechnenden Bauzinses könnten demnach unterbleiben. Als erörterungs- und aufklärungsbedürftig stelle sich schließlich auch die Frage der vom Baurecht umfaßten Einlagezahlen dar.

Der Aufhebungsbeschluß sei mit einem Rechtskraftvorbehalt zu versehen gewesen, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der "Umdeutung" einer unzulässigen Bodenwertklausel in eine zulässige Wertsicherungsklausel fehle.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Sachbeschluß des Erstgerichtes vollinhaltlich wiederherzustellen.

Die Antragstellerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung durch die Antragstellerin am 13.9.1957 sei die Zusatzvereinbarung noch nicht unterfertigt gewesen; die Zusatzvereinbarung einer Bodenwertklausel dürfe daher bei der Beurteilung des hypothetischen Parteiwillens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht herangezogen werden. Selbst dann lägen die Voraussetzungen für eine Anhebung des Bauzinses im Sinne des Art III Abs 5 BauRGNov 1990 nicht vor, weil entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes die Z 4 dieser Bestimmung nicht übergangen werden dürfe. Eine inflationsbedingte Wertsteigerung des Bauzinses wäre für die Antragsgegnerin aber nie in Frage gekommen. Schließlich regt die Rechtsmittelwerberin an, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der BauRGNov 1990 beantragen, weil sie den Vertrauensschutz beeinträchtige, in wohlerworbene Rechte eingreife und faktisch zurückwirke.

Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten.

Gemäß Art III Abs 5 BauRGNov BGBl 1990/258 kann der Grundeigentümer vom Bauberechtigten für die Zukunft die Erhöhung des Bauzinses auf ein angemessenes Ausmaß sowie eine Wertsicherung verlangen, soweit 1. der Baurechtsvertrag vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (1.7.1990) geschlossen worden ist, 2. der Bauzins offenbar unangemessen ist, 3. der Baurechtsvertrag keine oder eine solche Vereinbarung über die Wertsicherung des Bauzinses enthält, die dem § 3 Abs 2 BauRG in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht entspricht, und 4. nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden ist, angenommen werden kann, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre, wenn sie zulässig gewesen wäre.

Der Rechtsmittelwerberin ist zuzugeben, daß für eine Erhöhung des Bauzinses grundsätzlich alle vier der in der genannten Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen gegeben sein müssen und daß die anspruchsbegründenden Tatsachen vom Grundeigentümer zu behaupten und zu beweisen sind (5 Ob 86/92 = WoBl 1993/64 = NZ 1994, 208).

Die Z 3 der zitierten Bestimmung stellt dem Fehlen einer Wertsicherungsvereinbarung im Baurechtsvertrag das Vorhandensein einer Wertsicherungsvereinbarung, die dem § 3 Abs 2 BauRG in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht entspricht, gleich, das heißt einer Wertsicherungsvereinbarung, bei der das Ausmaß des Bauzinses durch die Bezugnahme auf den Wert von Grund und Boden bestimmt wird (Bodenwertklausel). Eine solche Bodenwertklausel ist in der Zusatzvereinbarung zum Baurechtsvertrag 1957 enthalten. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Parteien schon im Zuge der Vertragsverhandlungen zum Baurechtsvertrag 1957 übereingekommen sind, eine derartige Klausel in den Vertragstext aufzunehmen, und daß die Vorgangsweise mit einer Zusatzvereinbarung deshalb gewählt wurde, weil der Grundbuchsrichter die Verbücherung einer Wertsicherungsklausel abgelehnt hatte. Das Rekursgericht hat im Hinblick auf diese Vorgeschichte den Baurechtsvertrag 1957 und die Zusatzvereinbarung zu Recht als Einheit aufgefaßt.

Während es im ersten Fall der Z 3 (Fehlen einer Wertsicherungsvereinbarung) sodann auf den hypothetischen Parteiwillen, eine Wertsicherungsvereinbarung abzuschließen, im Sinne der Z 4 ankommt, bleibt hiefür im zweiten Fall der Z 3 (Vereinbarung einer dem § 3 Abs 2 BauRG nF nicht entsprechenden Wertsicherungsklausel) grundsätzlich kein Raum. Auch eine Bodenwertklausel ist nämlich - unabhängig von ihrer Unzulässigkeit auch nach neuer Rechtslage - eine Wertsicherungsvereinbarung. Da die Streitteile eine Bodenwertklausel in das Vertragswerk aufgenommen haben, steht damit ihr Parteiwille bei Vertragsabschluß, eine - irgendeine, nicht unbedingt eine "im Sinne des nunmehrigen Begehrens" - Wertsicherung zu vereinbaren, ohnehin eindeutig fest. Es bedarf dann - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - nicht mehr der zusätzlichen Feststellung von Umständen im Sinne der Z 4 (vgl 5 Ob 86/93 = JBl 1994, 473 = EvBl 1994/92 = ecolex 1994, 228). Eine ähnliche Argumentation eines Rekursgerichtes im Falle der Vereinbarung einer "Goldklausel" hat der erkennende Senat im übrigen in 5 Ob 44/95 = JBl 1996, 325 nicht beanstandet.

Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Rekursgerichtes zum Ausmaß der Erhöhung wird im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen. Diese Ausführungen sind durch die Rechtsprechung des erkennenden Senates gedeckt (5 Ob 86/93; 5 Ob 529/94 = JBl 1995, 126). Richtig ist auch, daß die seinerzeit vereinbarte Bodenwertklausel für das Ausmaß der nunmehrigen Erhöhung des Bauzinses keine Bedeutung hat.

Was schließlich die Anregung der Rechtsmittelwerberin, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung der BauRGNov 1990 wegen Verstoßes gegen § 5 ABGB und Art 5 StGG zu stellen, anlangt, so ist darin, daß sich die Änderung der Rechtslage auf "Altverträge" auswirkt, keine Verfassungswidrigkeit gelegen (vgl MGA ABGB34 § 5 E 1 bis 5, 7, 12 bis 14; Bydlinski in Rummel2 § 5 ABGB Rz 1, 2); eine Verletzung des Gleichheitsgebotes ist nicht zu erkennen. Vielmehr wurde mit der BauRGNov 1990 den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung getragen (vgl den JAB 1264 BlgStenProt NR 17. GP). Es besteht daher kein Anlaß, der Anregung der Rechtsmittelwerberin zu entsprechen (vgl auch 5 Ob 86/93).

Dem Rekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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