OGH 5Ob86/92

OGH5Ob86/9210.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wider die Antragsgegnerin ***** Z*****anstalt, ***** vertreten durch Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erhöhung des Bauzinses infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7.Jänner 1992, GZ 41 R 793/91-13, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17.September 1991, GZ 44 Msch 45/91-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Vertrag vom 16.12.1963 wurde der Antragsgegnerin an der der Antragstellerin gehörenden Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches L***** ein Baurecht zum vereinbarten jährlichen, nicht wertgesicherten Bauzins von S 69.713,60 eingeräumt.

Die Antragstellerin begehrt die Entscheidung, daß der angemessene Bauzins für das Baurecht an dieser Liegenschaft ab 1.1.1991 jährlich S 115.099,50 wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1986 (Ausgangsbasis Jänner 1991) betrage, mit der Begründung, die Vertragsparteien hätten sich auf die Bezahlung eines wertgesicherten Bauzinses geeinigt, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine Wertsicherung hätte vereinbart werden dürfen (ON 1 und 5). Es sei weder seitens des Bundesministeriums für Finanzen noch seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten ein schlüssiger oder ausdrücklicher Verzicht auf eine Erhöhung des Bauzinses für den Fall einer gesetzlichen Möglichkeit der Erhöhung desselben abgegeben worden; auch im Zeitpunkt der Erklärung gemäß Schreiben vom 19.12.1988 (Reduzierung des Bauzinses um 50 % für die nächsten zehn Jahre) hätten die Mitarbeiter dieser Bundesministerien von der bevorstehenden BauRG-Nov 1990 keine Kenntnis gehabt; ebensowenig sei auf die Wertsicherung des Bauzinses verzichtet worden (ON 7 mit Beweisanboten hiefür).

Die Antragsgegnerin begehrte die Abweisung dieses Antrages mit der wesentlichen Begründung, der im Baurechtsvertrag vereinbarte Bauzins sei nicht eingehoben worden. Bereits vor Vertragsabschluß sei mit Rücksicht auf die Förderungsbedürftigkeit der Antragsgegnerin vorläufig für die ersten zehn Jahre der Bauzins auf die Hälfte, nämlich auf S 34.857 jährlich reduziert worden. Im Jahre 1978 sei eine neuerliche Ermäßigung des Bauzinses auf denselben Betrag für weitere zehn Jahre eingeräumt worden, schließlich auch noch im Jahre 1988 für die nächsten zehn Vertragsjahre. Es zeige sich daher, daß die Antragstellerin durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, eine erhebliche Bauzinserhöhung durchzusetzen, hievon aber bewußt wegen der besonderen Förderungswürdigkeit der Antragsgegnerin Abstand genommen habe. Wegen dieser wiederholten Ermäßigung des Bauzinses sei im Hinblick auf die besondere Förderungswürdigkeit der Antragsgegnerin anzunehmen, daß nach den Umständen eine Wertsicherung seinerzeit selbst dann nicht vereinbart worden wäre, wenn sie gesetzlich zulässig gewesen wäre. Nach Art III Abs. 5 Z 4 der BauRG-Nov 1990 könne der Grundeigentümer für die Zukunft die Erhöhung des Bauzinses auf ein angemessenes Ausmaß sowie eine Wertsicherung unter anderem nur dann verlangen, wenn nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden sei, angenommen werden könne, daß im Falle der seinerzeitigen Zulässigkeit eine Wertsicherung vereinbart worden wäre. Gerade diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil ansonsten nach Ablauf des jeweiligen zehnjährigen Ermäßigungszeitraumes durch Vorschreibung eines neuen, höheren Bauzinses - innerhalb des vereinbarten Rahmens - eine Wertsicherung seitens der Antragstellerin hätte geltend gemacht werden können (ON 6).

Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin ab.

Dieser Entscheidung wurde vom Erstgericht folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Mit Vertrag vom 16.12.1963/18.2.1964 wurde der Antragsgegnerin von der Antragstellerin an der oben genannten Liegenschaft ein Baurecht zu einem jährlichen, nicht wertgesicherten Bauzins von S 69.713,60 eingeräumt.

Mit Schreiben vom 16.4.1988 begehrte die Antragsgegnerin die Ermäßigung des Bauzinses auf die Hälfte, nämlich auf S 34.857, für weitere zehn Jahre unter Hinweis darauf, daß sie ihre Räumlichkeiten und Einrichtungen für die schweißtechnische Ausbildung der Schüler der Höheren technischen Lehranstalt zur Verfügung stelle. Die Antragstellerin war damit einverstanden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes an die Erfordernisse einer schlüssigen Willenserklärung im (festgestellten) Verhalten der Antragstellerin ein schlüssiger Verzicht auf die Geltendmachung einer Erhöhung des Bauzinses liege. Die Antragstellerin habe nämlich für weitere zehn Jahre nicht einmal den seinerzeit vereinbarten Bauzins verlangt. Damit habe sie schlüssig auf jedwede Möglichkeit der Erhöhung des Bauzinses für zehn Jahre verzichtet. Aus dem Horizont eines objektiven Erklärungsempfängers könne die Zustimmungserklärung der Antragstellerin zum Begehren der Antragsgegnerin auf Bauzinsermäßigung nur in dieser Weise verstanden werden.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die im Jahre 1988 zugesicherte Reduzierung des Bauzinses für die nächsten zehn Jahre lasse ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den eindeutigen Schluß zu, die Antragstellerin habe damit auch für den Fall einer ihr damals unbekannten Gesetzesänderung und für alle Zukunft, insbesondere auch für die Zeit nach 1998 auf eine Erhöhung des Bauzinses verzichtet. Daß nur die Hälfte des vereinbarten Bauzinses begehrt worden sei, ließe ebenso den Schluß zu, der jeweils höchstzulässige Bauzins werde nicht zur Gänze, sondern nur zu 50 % begehrt, sodaß ab der gesetzlichen Möglichkeit der Erhöhung des Bauzinses eben die Hälfte des demnach angemessenen Zinses begehrt werde.

Es komme aber gar nicht darauf an, ob im Jahre 1988 ein schlüssiger Verzicht auf die Erhöhung des Bauzinses abgegeben worden sei:

Gemäß Art III Abs. 5 der mit 1.7.1990 in Kraft getretenen BauRG-Nov 1990 (BGBl 1990/258) könne der Grundeigentümer vom Bauberechtigten für die Zukunft die Erhöhung des Bauzinses auf ein angemessenes Ausmaß sowie eine Wertsicherung verlangen, soweit

1. der Baurechtsvertrag vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden sei,

2. der Bauzins offenbar unangemessen sei,

3. der Baurechtsvertrag keine oder eine solche Vereinbarung über die Wertsicherung des Bauzinses enthalte, die dem § 3 Abs. 2 BauRG in der Fassung dieses Bundesgesetzes nicht entspreche, und

4. nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden sei, angenommen werden könne, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre, wenn sie zulässig gewesen wäre.

Der Gesetzgeber habe den Grundeigentümern einen befristeten Anspruch auf Anpassung der Bauzinsvereinbarung entsprechend dem seinerzeitigen hypothetischen Parteiwillen geben wollen. Ein Anspruch auf Erhöhung des Bauzinses solle nach dem Bericht des Justizausschusses nicht bestehen, wenn der Grundeigentümer seinerzeit etwa aus Gründen der Wirtschaftsförderung oder aus sozialen Gründen - und nicht wegen des gesetzlichen Verbotes - auf eine Wertsicherung verzichtet habe (JA 1264 BlgNR 17.GP).

Ein solcher Fall liege hier vor. Bereits vor dem Zustandekommen des Baurechtsvertrages habe die den Vertragsentwurf übersendende Bundesgebäudeverwaltung der Antragsgegnerin mitgeteilt, daß bezüglich des im Vertrag festgesetzten Bauzinses mit Rücksicht auf die Förderungsbedürftigkeit des Vereins vorläufig für die ersten zehn Jahre ein jährlicher Bauzins von bloß 2 % des Verkehrswertes, somit S 34.857, eingeräumt werde (von der Antragstellerin nicht bestrittene Beilage 7). Wegen dieser schon vor Beginn des Vertragsverhältnisses erteilten Zusage könne angenommen werden, daß auch aus Gründen der Wirtschafsförderung und nicht wegen des gesetzlichen Verbotes der Wertsicherung auf eine solche verzichtet worden sei. Gerade wirtschaftliche Förderungswürdigkeit hätte der Gesetzgeber - wie aus dem Bericht des Justizausschusses hervorgehe - bei Schaffung der Bestimmung des Art III Abs. 5 Z 4 der BauRG-Nov 1990 im Auge gehabt:

Diese Bestimmung nehme auf die Umstände, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden sei, Bedacht.

Es könne daher nicht angenommen werden, daß die Parteien seinerzeit bei Zulässigkeit einer Wertsicherung eine solche vereinbart hätten.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob der im Hinblick auf die Förderungswürdigkeit abgegebene Verzicht auf den angemessenen Bauzins auch die Annahme rechtfertige, daß auf eine Wertsicherung verzichtet worden sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, ihrem Begehren stattzugeben.

Die Antragsgegnerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne des in seinem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Entscheidung über die Erhöhung des seinerzeit ohne Wertsicherung vereinbarten Bauzinses von S 69.713,60 im Sinne des Art III Abs. 5 BauRG-Nov 1990 unbeschadet der von Anfang an - zuletzt bis 1998 - der Antragsgegnerin von der Antragstellerin eingeräumten Ermäßigung des Bauzinses auf S 34.857. Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, daß die zuletzt weiterhin gewährte Ermäßigung des Bauzinses - ohne eine Erhöhung des nominalen Betrages von S 34.857 zumindest im Rahmen des vereinbarten Betrages von S 69.713,60 zur zumindest teilweisen Wertanpassung - nur so verstanden werden kann, daß diese Ermäßigung weiterhin ohne Rücksicht auf den geänderten Geldwert bis 1998 gewährt wird. Freilich ist damit nichts darüber ausgesagt, ob die Antragstellerin nach diesem Zeitpunkt nicht einen entsprechend aufgewerteten (vollen) Bauzins zu begehren berechtigt ist. Es kann aber auch aus diesem nach Vertragsabschluß gesetzten Verhalten für sich allein nicht darauf geschlossen werden, daß die Antragstellerin schon seinerzeit bei Vertragsabschluß eine Wertsicherung vereinbart hätte, falls eine solche zulässig gewesen wäre.

Art III Abs. 5 Z 4 BauRG-Nov 1990 läßt die Erhöhung des Bauzinses bei Erfüllung der anderen in den Z 1-3 dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen zu, wenn nach den Umständen, unter denen der Baurechtsvertrag geschlossen worden ist, angenommen werden kann, daß eine Wertsicherung vereinbart worden wäre, wenn sie zulässig gewesen wäre.

Nach dieser Gesetzesbestimmung ist also die Erhöhung des Bauzinses nicht als Regelfall so konzipiert, daß die Erhöhung nur bei Vorliegen dagegen sprechender Umstände, zB der im Ausschußbericht angeführten Fälle des Verzichtes auf die Wertsicherung aus Gründen der Wirtschaftsförderung oder aus sozialen Gründen etc, zu unterbleiben hätte. Das Gesetz verlangt vielmehr das Vorliegen von Umständen, aus denen auf die Vereinbarung einer Wertsicherung bei seinerzeitiger Zulässigkeit einer solchen geschlossen werden kann. Diese Gesetzesstelle schließt nicht aus, daß auch im Falle eines besonders motivierten Verzichtes im Sinne des Ausschußberichtes eine Erhöhung des Bauzinses nicht möglich ist. Ein solcher Verzicht kann auch durch schlüssiges Verhalten geschehen, wobei allerdings bei Annahme stillschweigenden Verzichtes stets besondere Vorsicht geboten ist (JBl 1979, 318), ein stillschweigender Verzicht also nur angenommen werden darf, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß er ernstlich gewollt war (MGA ABGB33 § 1444/E 17).

Die im Ausschußbericht angeführten Zweifelsfälle dürfen, weil ja nicht der Inhalt der Erläuterungen, sondern der Gesetzestext auszulegen ist, nicht in der Weise verallgemeinert werden, daß die Erhöhung des Bauzinses die Regel wäre, die nur bei Hinzutreten weiterer Umstände nicht zum Tragen käme.

Ist aber die Erhöhung des Bauzinses zur Wertanpassung (infolge seinerzeit unterbliebener Wertsicherungsvereinbarung) nur zulässig, wenn Umstände im Sinne des Art III Abs. 5 Z 4 BauRG-Nov 1990 vorliegen, so ist die davon ihr Erhöhungsrecht ableitende Antragstellerin hiefür nach den allgemeinen Grundsätzen behauptungs- und beweispflichtig: Sie hat die anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen. Auf das Wissen der Organe der Antragstellerin (Beamte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten oder des Bundesministeriums für Finanzen) über die bevorstehende BauRG-Nov 1990 im Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Ermäßigung des Bauzinses kommt es - wie das Rekursgericht zutreffend ausführte - nicht an, weil nur die im Zeitpunkt des Abschlusses des Baurechtsvertrages gegebenen Umstände für die Beurteilung maßgebend sind, aus welchem Grund die Vereinbarung einer Wertsicherung des Bauzinses unterblieb. Nicht ausschlaggebend sind hingegen die Umstände, die später für die Ermäßigung des Bauzinses maßgebend waren.

Im fortzusetzenden Verfahren wird den Parteien Gelegenheit zu geben sein, im Sinne der überbundenen Rechtsansicht ein Vorbringen zu erstatten und Beweise anzubieten. Je nachdem, welche Verfahrensergebnisse zur Frage der für das Unterbleiben der Vereinbarung einer Wertsicherung bei Abschluß des Baurechtsvertrages maßgebenden Umstände vorliegen, wird sodann entweder der Antrag der Antragstellerin abzuweisen oder das Verfahren auch betreffend das Ausmaß der Bauzinserhöhung und die Art der Wertsicherung fortzusetzen sein.

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