OGH 7Ob514/96

OGH7Ob514/9611.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K*****, vertreten durch Dr.Robert Mogy, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei mj.Bettina P*****, vertreten durch ihre Mutter Theresia P*****, diese vertreten durch Dr.Frank Kalmann und Dr.Karlheinz De Cillia, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 176.216 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. Dezember 1995, GZ 5 R 257/95-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5.Oktober 1995, GZ 27 Cg 117/95-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft mit dem Haus O*****, die er an Susanne Z***** verpachtet hat. Am 24.4.1993 spielten deren am 21.1.1988 geborener Sohn Günther Z***** und die am 3.10.1984 geborene Beklagte in einem Nebengebäude, in dem sich eine aufgelassene Kegelbahn befand. Die Kinder fanden dort lose herumliegende Streichhölzer. Günther Z***** hatte zuvor von Helmut F***** eine leere Zündholzschachtel erhalten. Beide Kinder spielten nun mit den Zündhölzern und zündeten Papier an. Als sich das dadurch entstandene Feuer ausbreitete, liefen sie davon. Durch den Brand im Nebengebäude entstand ein Schaden, dessen Höhe durch einen Gutachter mit insgesamt S 961.374 (Gebäudeschaden S 805.974 und Aufräumkosten S 155.400) ausgemittelt wurde.

Der Kläger war bei der I*****-AG feuerversichert. Infolge der Unterversicherung ersetzte diese nur 65 % des im Gutachten ausgewiesenen Schadensbetrages, nämlich insgesamt S 608.931 (hievon S 84.000 Aufräumkosten). Der Kläger versuchte erfolglos, den Ersatz des Restschadens von der damals mit der Aufsicht der Kinder betrauten Irene K*****, von Helmut F***** und von Günther Z***** zu erlangen.

Die Beklagte war im Rahmen einer Hausratsversicherung bei der I*****-AG haftpflichtversichert. Der Kläger klagte von ihr zunächst einen Teilbetrag von S 100.000 zu 22 C 653/95 des Erstgerichtes ein. Hierüber erging am 19.5.1995 ein Anerkenntnisurteil. In der Folge leistete die Beklagte durch ihren Haftpflichtversicherer eine weitere Zahlung von S 76.227, so daß der Kläger etwa die Hälfte des behaupteten, von der Feuerversicherung nicht gedeckten Restschadens ersetzt erhielt.

Der Kläger begehrt nunmehr den Betrag von S 176.216 als noch offene Differenz auf den vom Gutachter ausgemittelten Schadensbetrag, wobei er seinen Anspruch sowohl auf den ersten als auch auf den dritten Fall des § 1310 ABGB stützt.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Es könne ihr kein Verschulden angelastet werden, weil ihr die Fähigkeit gefehlt habe, die Gefährlichkeit des Spielens mit Streichhölzern zu erkennen. Zudem sei dem Kläger ein Mitverschulden anzulasten, weil er dafür Sorge hätte tragen müssen, daß das Objekt nicht unterversichert ist. Nach § 1310 dritter Fall ABGB hafte die Beklagte aufgrund der bestehenden Haftpflichtversicherung, aber nur zur Hälfte, weil Günther Z***** den Brand mitverursacht habe. Der Gebäudeschaden werde mit S 805.974 außer Streit gestellt, die Höhe der Aufräumungskosten werden jedoch bestritten.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß die Forderung des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es stellte weiters fest, daß die Beklagte ein ihrem Alter entsprechendes Bild abgebe und keine Auffälligkeiten aufweise und vertrat die Ansicht, daß der Beklagten die Gefährlichkeit des Spielens mit brennenden Zündhölzern einsehbar gewesen sein müsse. Sie hafte daher gemäß § 1302 ABGB solidarisch für den ganzen Schaden. Eine Schadensteilung komme aber auch nach § 1310 dritter Fall ABGB nicht in Betracht, weil von den beiden Schädigern nur zugunsten der Beklagten Versicherungsdeckung bestehe.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, daß die Frage des subjektiven Verschuldens der Beklagten unklar geblieben sei. Aufgrund des in den Feststellungen des Erstgerichtes wiedergegebenen, in der Tagsatzung am 25.9.1995 gewonnenen Eindruckes des Erstrichters von der Beklagten ließen sich noch keine brauchbaren Schlüsse auf eine zur Tatzeit vorgelegene Schuldeinsicht ziehen. Es sei nicht von einem abstrakten Maßstab für bestimmte Altersgruppen auszugehen, sondern es seien die Fähigkeiten des jeweiligen Schädigers bezüglich der konkreten Handlungen im Einzelfall zu prüfen. Das Erstgericht hätte die Parteien gemäß § 182 ZPO zur Behauptung konkreter Umstände zu dieser Frage anleiten müssen. Ob nach § 1310 dritter Fall ABGB voller Ersatz gebühre, könne schon deshalb nicht beurteilt werden, weil die Höhe der zugunsten der Beklagten vorhandenen Deckungssumme ungeklärt sei. Die Entscheidung des Erstgerichtes berge die Gefahr in sich, daß damit der zugunsten der haftpflichtversicherten Beklagten bestehenden Gesamtdeckungsrahmen überschritten werde. Es bedürfe daher noch der Kenntnis des versicherungsmäßigen Deckungsumfanges, um eine sachgerechte Anwendung der nach Lehre und Rechtsprechung bestehenden Billigkeitsregeln zu gewährleisten. Der Rekurs sei zulässig, weil hinsichtlich der Frage des subjektiven Verschuldens nach Erfahrungssätzen auch eine andere Lösung denkbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist jedoch mangels des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Rekurs bekämpft insbesondere die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Beklagte trotz des zweiten Verursachers für den ganzen Schaden hafte. Die Frage, ob mehrere Mittäter im Rahmen der Billigkeitserwägungen nach § 1310 ABGB nach Kopfteilen zur Haftung heranzuziehen sind oder ob auch hier der Grundsatz der Solidarhaftung nach § 1302 ABGB zu gelten hat, wurde vom erkennenden Senat jüngst in seiner Entscheidung vom 18.10.1995, 7 Ob 31/95, im letzteren Sinn beantwortet. Da die Rechtsprechung die Haftung eines Minderjährigen nach § 1310 ABGB gerade unter dem Gesichtspunkt bejaht, daß ein Haftpflichtversicherungsschutz den minderjährigen Schädiger selbst vor wirtschaftlichen Folgen seiner zum Schaden führenden Handlungsweise bewahrt, besteht jedenfalls dann kein Anlaß, von dem im § 1302 ABGB verankerten Grundsatz der solidarischen Haftung mehrerer zusammenwirkender Schädiger abzuweichen, wenn eine solche Haftpflichtversicherung zugunsten des in Anspruch genommenen Minderjährigen besteht.

Wie der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits ausgeführt hat, ist die Ersatzleistung nach § 1310 dritter Fall ABGB keine Belohnung oder Bestrafung für ausreichende Schadensvorsorge. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache, daß der Wegfall einer wirtschaftlichen Belastung für eine der beiden Parteien von ausschlaggebender Bedeutung für die Billigkeitsentscheidung ist, daß also dann, wenn auf Seite des Geschädigten überhaupt keine Versicherung vorliegt, allenfalls mit einer Schadenersatzpflicht des Schädigers in voller Höhe auch nach § 1310 dritter Fall ABGB gerechnet werden muß. Eine Reduktion dieser Schadenersatzverpflichtung tritt erst dadurch ein, daß der Geschädigte selbst versichert ist. Dies zeigt aber, daß der teilweise oder gänzliche Wegfall einer Versicherung auf Seite des Geschädigten immer nur zu einer Erhöhung seines Schadenersatzanspruches, nie aber zu einer Verringerung gegenüber dem durch eine Haftpflichtversicherung gedeckten Schädiger führen kann (7 Ob 1/88 = VR 1988/122).

Wie die zweite Instanz zutreffend dargelegt hat, ist die Frage, inwieweit der Schaden in der zugunsten der Beklagten bestehenden Haftpflichtversicherung Deckung findet, von Bedeutung, weil eine mangelnde Deckung im Rahmen der dann anzustellenden Billigkeitserwägungen (vgl Reischauer in Rummel2 II, Rz 10 zu § 1310 ABGB) zu einer entsprechenden Kürzung der Ersatzleistung führen könnte. Dann wäre aber auch die Frage von Bedeutung, ob der Beklagten subjektiv überhaupt ein Verschuldensvorwurf gemacht werden könnte. Auch zu dieser Frage läßt die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz keine Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erkennen (vgl die Zusammenstellung bei Reischauer aaO, Rz 4 zu § 1310 ABGB).

Zweck des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluß zugrundeliegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof aber nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tasächlich notwendig ist (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 519 ZPO mwN). Der Rekurs war daher zurückzuweisen.

Der Kläger hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung mangels eines Hinweises auf die Unzulässigkeit des Rekurses selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).

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