OGH 7Ob1/88

OGH7Ob1/8821.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***

L***-B***-V***, Innsbruck,

Wilhelm-Greil-Straße 10, vertreten durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei mj. Thomas L***, geboren am 3. Oktober 1975, Oberperfuß, Ailing 102, vertreten durch die Eltern Anton und Monika L***, wohnhaft ebendort, diese vertreten durch Dr. Heinz Bauer und Dr. Harald E. Hummel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 640.630,-- s.A., infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Oktober 1987, GZ 1 R 250/87-17, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Juni 1987, GZ 14 Cg 368/86-11, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Revisionsverfahrens S 1.548,-- (darin S 154,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4. September 1983 hat der Beklagte beim Spielen zwei Objekte, die Otto M*** und Josef S*** gehörten, in Brand gesetzt. Als Feuerversicherer der beiden Geschädigten hat die Klägerin Otto M*** S 365.200,-- und Josef S*** S 490.544,-- bezahlt. Außerdem hat sie Josef S*** aus einer bestehenden Haushaltsversicherung weitere S 20.545,-- überwiesen. Durch diese Zahlungen, die die Leistungspflicht der Klägerin aus den Versicherungen erschöpften, waren die Schäden der beiden Genannten nicht zur Gänze abgedeckt. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten, die I*** U***- U*** S*** AG, ist für die Restschäden

aufgekommen, indem sie Otto M*** S 374.292,-- und Josef S*** S 173.978,-- (diesem aus einer mit ihm bestehenden Feuerversicherung) überwies. Ferner zahlte sie an Josef S*** S 53.436,-- (diesen Betrag aus der Haftpflichtversicherung für den Beklagten). Schließlich hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren einen Teilbetrag von S 235.659,-- anerkannt und an die Klägerin überwiesen.

Die Deckungssumme des Beklagten aus der Haftpflichtversicherung beträgt S 2,000.000,--.

Nach der auf Grund der erfolgten Teilzahlung vorgenommenen Klagseinschränkung verlangt die Klägerin, gestützt auf § 67 VersVG, von der Beklagten noch S 640.630,-- s.A.

Einvernehmlich gehen die Parteien davon aus, daß im vorliegenden Fall lediglich ein Schadenersatzanspruch nach § 1310 dritter Fall ABGB in Frage kommt.

Die Beklagte wendete ein, infolge teilweiser Deckung des Schadens durch einen eigenen Versicherer der Geschädigten müsse eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 vorgenommen werden. Da sie bereits die Hälfte der Schäden ersetzt habe, bestehe kein weiterer Anspruch der Klägerin mehr.

Das Erstgericht hat der Klägerin, unter Abweisung eines Mehrbegehrens von S 327.952,19, S 312.677,81 s.A. zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Entscheidung dahin abgeändert, daß es der Klägerin S 344.192,86 s.A. zusprach und das Mehrbegehren von S 296.437,14 abwies.

Rechtlich gingen beide Vorinstanzen davon aus, daß eine zur Deckung verpflichtete Haftpflichtversicherung des Schädigers als ein Vermögen anzusehen sei, das bei der Billigkeitsentscheidung nach § 1310 dritter Fall ABGB berücksichtigt werden müsse. Ebenso müsse aber auch eine Versicherung des Geschädigten, die den Schaden ganz oder teilweise decke, Berücksichtigung finden. Eine schematische Teilung im Verhältnis 1 : 1 scheide hiebei jedoch im allgemeinen aus. Vielmehr sei der Haftpflichtversicherer nur insoweit zum Ersatz des Schadens in Anspruch zu nehmen, als es dem Verhältnis des Deckungsfonds zum eingetretenen Schaden entspreche. Die Differenz zwischen den vorinstanzlichen Entscheidungen ist lediglich darauf zurückzuführen, daß das Erstgericht die Deckungssumme aus der Haftpflichtversicherung von S 2,000.000,-- im Hinblick auf das Vorhandensein zweier Geschädigter bei der Berechnung des Deckungsfonds halbierte, während das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertrat, es handle sich in Wahrheit um zwei unabhängig voneinander zu berechnende Schadensfälle, weshalb in beiden Fällen die volle Deckungsssumme herangezogen werden müsse. Bezüglich des abändernden Teiles seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Keine der von den Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revisionen ist gerechtfertigt.

A) Zu der Revision der Klägerin:

Daß es sich beim Anspruch aus einer freiwilligen Haftpflichtversicherung des Schädigers um ein Vermögen im Sinne des § 1310 ABGB handelt, das bei den Billigkeitserwägungen im Sinne dieser Gesetzestelle zu berücksichtigen ist, ist ständige Judikatur (SZ 45/69, VersR 1977, 486 uva.) und wird auch vom Beklagten nicht mehr bestritten. Inzwischen wurde jedoch nach eingehender Überprüfung dieser Rechtsfrage von der Judikatur klargelegt, daß jene Erwägungen, die zu dem dargestellten Rechtssatz geführt haben, nämlich daß es nicht der Billigkeit widerspricht, wenn der Schädiger zur Ersatzleistung verhalten wird, falls ihn eine solche Ersatzleistung wirtschaftlich nicht belastet, auch für den Geschädigten gelten müssen. Eine eigene Versicherung des Geschädigten, die dessen Schäden ganz oder teilweise deckt, muß daher ebenso in Billigkeitserwägungen miteinbezogen werden, wie die Haftpflichtversicherung des Schädigers (SZ 52/168, RZ 1982/67, ZVR 1984/323 ua.). Das in der Revision der Klägerin dagegen vorgebrachte, auf § 67 VersVG gestützte Argument ist nicht stichhaltig. Nach der genannten Gesetzesstelle gehen nur bestehende Schadenersatzansprüche auf den Versicherer über. Ein Schadenersatzanspruch nach § 1310 dritter Fall ABGB entsteht nur nach Maßgabe entsprechender Billigkeit. Wenn daher Billigkeitserwägungen dazu führen, daß der Geschädigte nur teilweisen Ersatz vom Schädiger verlangen kann, geht nach § 67 VersVG nur dieser Teil auf den Versicherer über. Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes der vom erkennenden Senat gebilligten Judikatur des Obersten Gerichtshofes entspricht, erweist sich die Revision der Klägerin als nicht gerechtfertigt. Daß aber im Falle der Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes die Aufteilung auf die beiden Parteien richtig vorgenommen worden ist, gesteht die Klägerin in der Revision ausdrücklich zu.

B) Zu der Revision des Beklagten:

Einziges Argument dieser Revision ist nach wie vor die Rechtsansicht, im Falle des Vorhandenseins von Versicherungen auf beiden Seiten habe grundsätzlich eine Schadensaufteilung im Verhältnis 1 : 1 zu erfolgen. Eine solche Schadensaufteilung wurde tatsächlich in mehreren Entscheidungen vorgenommen (SZ 52/168, ZVR 1985/7, RZ 1982/67). Aus den beiden letztgenannten Entscheidungen kann jedoch für die Rechtsansicht des Beklagten nichts gewonnen werden, weil dort ausdrücklich ausgeführt wurde, daß diese Art der Aufteilung nur im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Schadens vorgenommen wurde, weil in solchen Fällen der mit einer genauen Errechnung des Aufteilungsschlüssels verbundene Mehraufwand nicht gerechtfertigt wäre. Die in SZ 52/168 vorgenommene Aufteilung wurde dort nicht näher begründet. In weiteren Entscheidungen (insbesondere JBl. 1982/149 und VersR 1980, 881) wurde ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Billigkeitsentscheidung nicht nach einem bestimmten Schema zu fällen sei, man hiebei vielmehr die Umstände des konkreten Falles berücksichtigen müsse. Dies führe zu dem Ergebnis, daß die Haftpflichtversicherung nur insoweit zum Ersatz des Schadens heranzuziehen sei, als es dem Verhältnis des durch beide Versicherungen entstandenen höheren Deckungsfonds zum eingetretenen Schaden entspricht. Dies erscheint auch dem erkennenden Senat als dem Billigkeitsgebot des § 1310 dritter Fall ABGB am entsprechendsten. Das Argument des Beklagten, hiedurch würde jener Geschädigte bevorzugt, der sein Objekt nicht ausreichend versichert, geht an der Sache vorbei. Die Ersatzleistung nach § 1310 dritter Fall ABGB ist keine Belohnung oder Bestrafung für ausreichende Schadensvorsorge. Vielmehr ergibt sich aus der Tatsache, daß der Wegfall einer wirtschaftlichen Belastung für eine der beiden Parteien von ausschlaggebender Bedeutung für die Billigkeitsentscheidung ist, daß also dann, wenn auf Seite des Geschädigten überhaupt keine Versicherung vorliegt, allenfalls mit einer Schadenersatzpflicht des Schädigers in voller Höhe auch nach § 1310 dritter Fall ABGB gerechnet werden muß. Eine Reduktion dieser Schadenersatzverpflichtung tritt erst dadurch ein, daß der Geschädigte selbst versichert ist. Dies zeigt aber, daß der teilweise oder gänzliche Wegfall einer Versicherung auf Seite des Geschädigten immer nur zu einer Erhöhung seines Schadenersatzanspruches, nie aber zu einer Verringerung gegenüber dem durch eine Haftpflichtversicherung gedeckten Schädiger führen kann.

Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes auch in diesem Punkte der vom erkennenden Senat gebilligten Judikatur des Obersten Gerichtshofes entspricht, erweist sich auch die Revision des Beklagten als nicht gerechtfertigt.

Der Einwand des Beklagten, nach Ansicht des Berufungsgerichtes hätte seine Haftpflichtversicherung an Otto M*** bereits um S 47.789,27 zu viel bezahlt, was zu einer Reduktion des zugesprochenen Betrages führen hätte müssen, übersieht, daß im vorliegenden Fall in Wahrheit zwei voneinander getrennte Forderungen geltend gemacht werden. Es kann unerörtert bleiben, inwieweit die Beklagte berechtigt wäre, gegen einen auf die Klägerin gemäß § 67 VersVG übergegangenen Anspruch eine Gegenforderung geltend zu machen, die sich aus einem Rückforderungsanspruch gegen eine andere Partei ergibt. Voraussetzung wäre auf jeden Fall vorerst die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches wegen irrtümlicher Zahlung. Eine solche Geltendmachung ist im erstgerichtlichen Verfahren nicht erfolgt. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht einen solchen angeblichen Rückforderungsanspruch nicht in Betracht gezogen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO. Der Klägerin war lediglich die Differenz zwischen den Kosten der beiden Revisionsbeantwortungen zuzusprechen.

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