OGH 1Ob2079/96h

OGH1Ob2079/96h4.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.Hubert D*****, und 2. Renate H*****, beide vertreten durch Dr.Manfred Pochendorfer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei P*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Norbert Huber, Rechtsanwalt in Mattighofen, wegen S 346.000,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes (Berufungsinteresse S 169.369,- -) vom 8.Februar 1996, GZ 6 R 230/95-28, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 26.Juli 1995, GZ 1 Cg 110/94-19, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die meritorische Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte die Forderung der klagenden Parteien mit S 175.000,-- als zu Recht bestehend, die Gegenforderungen der beklagten Partei bestünden mit S 5.361,-- zu Recht. Demnach wurde die beklagte Partei schuldig erkannt, den klagenden Parteien S 169.369,-- sA zu bezahlen; das Mehrbegehren im Betrag von S 186.361,-- sA wurde abgewiesen.

Die beklagte Partei erhob gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils Berufung; im übrigen blieb die Entscheidung des Erstgerichts unangefochten. In ihrer Berufungsbeantwortung brachten die klagenden Parteien vor, die beklagte Partei habe auf das Erheben einer Berufung verzichtet; es sei telefonisch ein beiderseitiger Rechtsmittelverzicht vereinbart worden. Demnach sei das von der beklagten Partei dennoch erhobene Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als unzulässig zurück. Gegen Ende der Berufungsfrist habe eine Angestellte des Beklagtenvertreters über dessen Auftrag in der Kanzlei des Klagevertreters angerufen und einer dort angestellten Kanzleikraft mitgeteilt, daß (seitens der beklagten Partei) auf eine Berufung verzichtet werde. Darüber habe die Angestellte des Klagevertreters eine entsprechende Notiz verfaßt, die sie diesem weitergegeben habe. Am nächsten Tag habe der Klagevertreter den Beklagtenvertreter schriftlich um Überweisung des mit Urteil zuerkannten Betrags ersucht. Einige Tage später sei seitens des Beklagtenvertreters dem Klagevertreter telefonisch mitgeteilt worden, daß doch eine Berufung eingebracht werde. Nach diesem Sachverhalt habe die beklagte Partei auf die Berufung verzichtet. Sollte der Kanzleiangestellten des Beklagtenvertreters bei der Wiedergabe der ihr aufgetragenen Erklärung über einen (tatsächlich nicht abgegebenen) Rechtsmittelverzicht ein Fehler unterlaufen sein, müßten diesen der Beklagtenvertreter und damit auch die beklagte Partei gegen sich gelten lassen.

Der dagegen erhobene Rekurs der beklagten Partei ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 472 Abs 1 ZPO ist die Berufung insbesondere dann unzulässig, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, die auf die Berufung gültig Verzicht geleistet hat. Auf das Recht der Berufung kann auch außergerichtlich verzichtet werden (RZ 1992/8; ÖBl 1990, 217; 3 Ob 697/82; EvBl 1975/50 uva; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1703; derselbe IV 86; Kodek in Rechberger ZPO Rz 2 zu § 472). Der außergerichtliche Rechtsmittelverzicht muß dem Prozeßgegner, dessen gesetzlichen Vertreter oder dessen Prozeßbevollmächtigten gegenüber erklärt werden; eine einseitige Erklärung genügt (EvBl 1980/179; Fasching IV 87). Auch der außergerichtliche Rechtsmittelverzicht ist eine Prozeßerklärung, weshalb dessen Widerruf oder Anfechtung ausgeschlossen ist (RZ 1995/41; RZ 1992/8; 3 Ob 1042/88; 3 Ob 697/82; 6 Ob 778/80; EvBl 1963/386; Fasching IV 23, Kodek aaO). Der von den klagenden Parteien behauptete Rechtsmittelverzicht der beklagten Partei wurde nach den Feststellungen des Gerichts zweiter Instanz zwar ausdrücklich (RZ 1995/41; EvBl 1975/50 uva), aber nicht wirksam abgegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist nämlich nur der schriftliche Rechtsmittelverzicht verbindlich (3 Ob 1042/88, 6 Ob 261/59; RZ 1958, 154; 4 Ob 96/57; 3 Ob 845/54; 3 Ob 653/54; SZ 24/319). Daß die klagenden Parteien den von ihnen behaupteten Rechtsmittelverzicht in der Berufungsbeantwortung vorbrachten (EvBl 1975/50; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1703), kann an der Tatsache nichts ändern, daß die festgestellte Rechtsmittelverzichtserklärung selbst dem Erfordernis der Schriftlichkeit nicht entspricht. Infolge umfassender rechtlicher Überprüfung des Einwands der beklagten Partei, daß kein wirksamer Rechtsmittelverzicht vorliege (siehe S.2 des Rekurses), ist der Mangel der Schriftlichkeit - obwohl nicht ausdrücklich geltend gemacht - wahrzunehmen.

In Stattgebung des Rekurses ist die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben, das über die Berufung meritorisch zu entscheiden haben wird.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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