OGH 11Os59/96

OGH11Os59/964.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Waldner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Peter P***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. November 1995, GZ 2 d Vr 12.581/94-20, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Peter P***** des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (Punkt A) sowie der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (B) und der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB (C) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, er habe

(zu A) am 24. Februar und 21. April 1994 in Wien und Biedermannsdorf mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Angestellte der I***** Versicherungs AG durch die Vorgabe, der versicherte PKW Cadillac Seville STS, behördliches Kennzeichen M*****, sei am 21. Februar 1994 bzw am 19. April 1994 in Wien-Favoriten von unbekannten Tätern gestohlen worden, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Ausbezahlung einer Schadenersatzleistung von 797.000 S, zu verleiten versucht, welche die Versicherung in einem 500.000 S übersteigenden Betrag schädigen sollte,

(zu B) am 21. Februar und 19. April 1994 in Wien zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten des Bezirkspolizeikommissariates Favoriten durch die Behauptung, der genannte PKW sei am 21. Februar 1994 zwischen 10,00 Uhr und 19,50 Uhr bzw am 19. April 1994 zwischen 14,10 Uhr und 21,50 Uhr in Wien 10 von unbekannten Tätern gestohlen worden, die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 StGB, wissentlich vorgetäuscht, und

(zu C) am 20. April 1994 vor einer Verwaltungsbehörde, nämlich der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkskommissariat Favoriten, als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache zu AZ ***** und AZ ***** durch die Behauptung, der genannte PKW sei von unbekannten Tätern gestohlen worden, falsch ausgesagt.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf die Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ist der Angeklagte bereits unter dem Aspekt der Verfahrensrüge (Z 4) im Recht.

In der Hauptverhandlung stellte der Angeklagte den Antrag auf Vernehmung der Zeugen Obermajor F***** und Oberinspektor J***** (aus Bratislava) zum Beweis dafür (213), daß der Zeuge Dr. Ladislav S***** "in Autoschiebereien im Zusammenhang mit der Fa D*****", über die auch im gegenständlichen Fall 30.000 S von der Versicherung herausgelockt worden seien, "verwickelt gewesen" und (deswegen) Ende 1994 vom Dienst bei der Preßburger Polizei suspendiert worden sei. Diesen Antrag wies das Schöffengericht mit der Begründung ab, die für Ende 1994 behauptete Suspendierung sei erst lange Zeit nach den (dem Angeklagten vorgeworfenen) Taten erfolgt und die Vernehmung von Angehörigen einer angeblich korrupten Polizei könne nichts zur Wahrheitsfindung beitragen; überdies bestünden keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Zeugen, es handle sich somit offensichtlich nur um haltlose Unterstellungen.

Durch die begehrte Beweisaufnahme sollte demnach die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. S***** (208 ff), auf dessen Angaben das Erstgericht die den Schuldspruch tragenden Feststellungen im wesentlichen stützte (US 7 ff), in Frage gestellt werden. Den in diese Richtung zielenden Antrag des Angeklagten konnte daher das Erstgericht ohne Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte umsoweniger abweisen, als ihm gerade bei der hier aktuellen Beweisführung keine nach den Umständen gangbare Möglichkeit einer Erschütterung der in Rede stehenden Zeugenaussage in ihrem (ihn belastenden) Beweiswert abgeschnitten werden durfte.

Anders als in dem von der Beschwerde kritisierten Zwischenerkenntnis hätten die Tatrichter demnach den beantragten Zeugenvernehmungen nicht von vornherein jede Bedeutung absprechen dürfen, sondern im Lichte des Grundsatzes eines "fair trial", der - wie bereits dargelegt - gerade in einem Strafverfahren, in dem sich das Urteil im Ergebnis nur auf eine einzige Zeugenaussage zu stützen vermag, verlangt, daß die gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen vorgebrachten Argumente einer besonders sorgfältigen Überprüfung unterzogen werden (vgl 15 Os 150/92; Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 4 E 119, 120), die beantragten Vernehmungen durchführen müssen.

Aber auch die Mängelrüge (Z 5) ist im Recht, soweit sie unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe eine Erörterung der Zeugenaussage der Ehefrau des Angeklagten, Dr. Gabriela P*****, vermißt, wonach der Angeklagte am 21. Februar 1994 gegen 9,30 Uhr mit dem gegenständlichen PKW von Biedermannsdorf nach Wien gefahren sei (99; 185 ff); steht diese Aussage doch im Widerspruch zu den Angaben des Zeugen Dr. S*****, der den PKW bereits um 6,50 Uhr des genannten Tages in Preßburg gesehen haben will.

Da demnach die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Punkte der Beschwerde bedurfte.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

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