OGH 2Ob2127/96z

OGH2Ob2127/96z30.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Srdjan A*****, vertreten durch Dr.Thomas Wanek und Dr.Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs - AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Krist, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27.März 1996, GZ 35 R 26/96z-1, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit der am 14.10.1991 beim Bezirksgericht Liesing zu 3 C 6/93w, eingebrachten Klage begehrte der Kläger von Mato K***** - ihm konnte die Klage nicht zugestellt werden - und von der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer des LKW MAN, Kennzeichen *****, die Zahlung von S 50.596,80 mit der Begründung, durch das Alleinverschulden des Mato K***** sei ihm ein Schaden in dieser Höhe entstanden. K***** habe am 22.4.1991 eine Stop-Tafel mißachtet und sei mit dem ihm entgegenkommenden einbiegenden PKW des Klägers zusammengestoßen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es allein die Tatsachenfeststellung traf, es könne nicht festgestellt werden, daß sich am 22.4.1991 der vom Kläger behauptete Verkehrsunfall ereignet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte nach Beweiswiederholung und Beweisergänzung diese Entscheidung. Es traf Feststellungen über die Schäden am Fahrzeug des Klägers und des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten LKW und stellte schließlich fest, die Schäden am Fahrzeug des Klägers könnten unmöglich aufgrund eines Unfalles stammen, den der Kläger als Linksabbieger mit einem ihm entgegenkommenden geradeausfahrenden LKW erlitten habe.

Die außerordentliche Revision des Klägers gegen dieses Urteil wurde zurückgewiesen.

Am 24.5.1995 brachte der Kläger beim Berufungsgericht eine auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage ein, in der er sich gegen die Feststellung wendet, die Schäden könnten unmöglich auf einen Unfall zurückzuführen sein, den er als Linksabbieger mit einem ihm entgegenkommenden geradeausfahrenden LKW erlitten habe. Er sei nunmehr in Kenntnis neuer Tatsachen gelangt und habe Beweismittel aufgefunden deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren zur Klagsstattgebung geführt hätte. Bei den neuen Tatsachen handle es sich um folgende:

1.) Die Streifkontaktspur in der Höhe von 1,5 m auf dem LKW könne sehr wohl von der Kollision mit dem Fahrzeug des Klägers stammen, da der LKW im gebremsten Zustand vorne eingeknickt sei;

2.) durch die technisch mögliche Verhakung der beiden Fahrzeuge sei eine Schubumkehr am PKW des Klägers eingetreten, wodurch das Abbrechen des rechten Außenspiegels nach vorne erklärbar sei;

3.) aus der entstandenen Zierleistenverformung sei eine Aussage über die Anstoßrichtung technisch nicht möglich. Die vom Kläger behaupteten Schäden seien daher sämtliche unfallskausal.

Weiters sei es dem Kläger nunmehr gelungen, den Namen des Käufers seines beschädigten Fahrzeuges zu eruieren; dieser könne als Zeuge aussagen, daß die Schäden am Fahrzeug nach wie vor erkennbar seien. Der PKW könne nunmehr zur Befundaufnahme zur Verfügung gestellt werden. Außerdem habe der Kläger nunmehr die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos B***** über den leichten Vorschaden seines Fahrzeuges gefunden. Schließlich könne er eine Zeugin namhaft machen, deren Aussage beweisen könne, daß der gesamte Schaden an seinem PKW an einem Tag erfolgt sei, da der Kläger dieser Zeugin den verfahrensgegenständlichen Unfall am selben Tag geschildert habe.

Zum Beweis seines Vorbringens legte der Kläger ein Gutachten eines Sachverständigen vor und beantragte auch die Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen und die Durchführung eines Ortsaugenschein mit Besichtigung beider Fahrzeuge.

Das Berufungsgericht wies die Wiederaufnahmsklage zurück und vertrat die Ansicht, die vom Kläger behaupteten "neuen Tatsachen" stellten keine nova reperta im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar. Der Kläger rüge lediglich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Sachverständigen S***** bilde keinen Wiederaufnahmsgrund, weil es nicht auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode, die zur Zeit des Vorprozesses nicht bekannt war, zu anderen Ergebnissen gelange. Das Hervorkommen neuer wissentschaftliche Erkenntnismethoden sei vom Kläger nicht behauptet worden.

Die Behauptung des Klägers, nunmehr instand gesetzt worden zu sein, den damals beschädigten PKW für einen Augenschein zur Verfügung zu stellen, vermöge die Wiederaufnahme ebenfalls nicht zu begründen, weil der Kläger weder behauptet noch bewiesen habe, daß ihn kein Verschulden daran treffe, dieses Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses nicht geltend gemacht zu haben. Da der Kläger in der Wiederaufnahmsklage vielmehr jegliches Vorbringen unterlassen habe, welches unter Annahme seiner Richtigkeit dazu führen würde, daß die geltend gemachten Tatsachen im Vorprozeß auch ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten, bildeten die von ihm aufgezählten Beweismittel keinen Wiederaufnahmsgrund. Überdies habe der Kläger im Verfahren erster Instanz dem Erstgericht schriftlich bekanntgegeben, daß das Klagsfahrzeug bereits repariert wurde, weshalb eine Besichtigung der behaupteten Schäden nicht möglich sei. Wenn der Kläger aber selbst im erstinstanzlichen Verfahren die Besichtigung der Schäden als nicht mehr möglich bezeichnet habe, so liege darin jedenfalls ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO, das die Geltendmachung dieses neu aufgefundenen Beweismittels als Wiederaufnahmsgrund verhindere.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien aufzutragen, über die Wiederaufnahmsklage mit Urteil zu erkennen.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, das Berufungsgericht sei wider alle Erwartungen allein aufgrund fachtechnischer Überlegungen zum Ergebnis gekommen, daß die Schäden an seinem Fahrzeug unmöglich vom Unfall vom 22.4.1991 herrühren können. Erst durch das Urteil des Berufungsgerichtes habe der Kläger erkennen können, wie sehr das Gericht allein auf fachtechnische Schlußfolgerungen durch den Sachverständigen Bezug nahm. Diese Schlußfolgerungen hätten nur durch ein anderes Sachverständigengutachten widerlegt werden können, welches sofort in Auftrag gegeben und vom Sachverständigen S***** erstattet worden sei. Unter Vorlage dieses neuen Gutachtens sei die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO begehrt worden. Mit dem angefochtenen Beschluß sei die Wiederaufnahme abgelehnt worden, weil dieses neue Gutachten nicht auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode aufbaue; dabei sei der Begriff der neuen wissentlichen Erkenntnismethode unrichtig und viel zu eng verstanden worden. Der Begriff der neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode sei im Zusammenhang mit Vaterschaftsverfahren entwickelt worden um ungerechtfertigt angestrengten neuen Verfahren entgegentreten zu können. Es wäre jedoch eine grobe Ungerechtigkeit, Urteilen aufgrund von Sachver- ständigengutachten, die allein auf wissenschaftlichen (fachtechnischen) Erkenntnissen beruhen, nicht entgegentreten zu dürfen, wenn neue wissenschaftliche (fachtechnische) Erkenntnisse zum Ergebnis führen, daß das Sachverständigengutachten, das vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegt wurde, nicht richtig sei. Es müsse dem Geschädigten die Möglichkeit eröffnet werden, nach Erkennen der Relevanz fachtechnischer Fragen und Erlangung neuer fachtechnischer Erkenntnisse diese auch noch nachträglich für eine Wiederaufnahmsklage in die Beurteilung des Falles einbringen zu dürfen. Da der Kläger erst aufgrund des Urteiles des Berufungsgerichtes erkannte, wie sehr es auf die Widerlegung des Sachverständigengutachtens ankomme, könne es ihm auch nicht als Verschulden angelastet werden, erst nach Kenntnis des Urteils ein anderes Sachverständigengutachten eingeholt zu haben.

Es könne dem Kläger auch nicht vorgeworfen werden, daß er sich erst nach Kenntnis des Urteils des Berufungsgerichtes darum kümmerte, ob nicht trotz der vorgenommenen Reparatur seines Fahrzeugs doch noch Spuren der Beschädigung erkennbar seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Es vermögen aber weder die Unrichtigkeit eines im Vorprozeß erstatteten Gutachtens noch der Umstand, daß später ein anderer Gutachter ein abweichendes Gutachten erstattet hat, die Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu erfüllen (ZVR 1989/99). Lediglich ein Sachverständigengutachten, das auf einer zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannt gewesenen neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode aufbaut, stellt eine Wiederaufnahmsgrund dar (Fasching, LB2, Rz 2065; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 530; SZ 61/184; 1 Ob 46/95 ua). Da das vom Kläger mit der Wiederaufnahmsklage vorgelegte Sachverständigengutachten aber nicht auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethoden aufbaut, stellt der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund wegen Untauglichkeit der Bewilligung einer Wiederaufnahme entgegen, sodaß die Klage ohne Verhandlung mit Beschluß zurückzuweisen war (Kodek, aaO, Rz 1 zu § 538 mwN). Im übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§§ 526 Abs 3, 500a ZPO).

Es war sohin dem Rekurs des Klägers ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

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