OGH 6Ob2080/96t

OGH6Ob2080/96t23.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Ehmayr, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gudrun P*****, und Martin P*****, beide in Obsorge und vertreten durch die Mutter, Emma P*****, infolge Revisionsrekurses des Vaters, Dr.Felix P*****, vertreten durch Dr.Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 31.Jänner 1996, GZ 21 R 1070/95i-27, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 2.Oktober 1995, GZ P 152/87-24, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der beiden Kinder wurde 1987 im Einvernehmen geschieden. Nach der getroffenen Vereinbarung gemäß § 55a EheG stehen die elterlichen Rechte der Mutter alleine zu. Der Vater verpflichtete sich ab 1.10.1987 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 2.500,-- S je Kind. Die Mutter bezieht die Familienbeihilfe (P.1. bis 3. des Scheidungsvergleiches (= ON 4). Diese Punkte der Scheidungsvereinbarung wurden pflegschaftsgerichtlich genehmigt (ON 2). Nach der weiters im Scheidungsverfahren geschlossenen Vereinbarung übertrug der Vater seine Liegenschaftshälfte zu gleichen Teilen an die Mutter und die beiden Kinder (diese erhielten also je ein Sechstel der gesamten Liegenschaft) ins Eigentum. Die Mutter verpflichtete sich in der Scheidungsvereinbarung, sämtliche Zahlungen für die Liegenschaft, wie Betriebskosten, Erhaltungs- und Instandhaltungskosten, die die beiden Kinder als Anteilseigentümer treffen, "in ihre alleinige Zahlungspflicht zu übernehmen und beide Kinder vollkommen schad- und klaglos zu halten, und zwar bis zu deren Großjährigkeit" (P. 10. des Scheidungsvergleiches ON 4). Auf der Liegenschaft, die schon vor der Scheidungsvereinbarung zur Hälfte im Eigentum der Mutter stand, lasteten Pfandrechte verschiedener Banken. Die Rückzahlungsverpflichtung übernahm die Mutter (P. 7. des Vergleichs). Auf der Liegenschaft befindet sich ein Einfamilienhaus mit 160 m2 Wohnfläche, in dem die Mutter und die beiden Kinder seit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft leben.

Am 6.3.1995 stellte die Mutter den Antrag, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.4.1995 auf 4.000,-- S monatlich je Kind zu erhöhen (ON 14). Der Vater sprach sich gegen eine Erhöhung seiner Verpflichtung aus (ON 22).

Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsantrag statt. Es stellte im wesentlichen fest, daß der Sohn über kein Einkommen verfüge, Schüler sei und in einem Schulinternat lebe. In der schulfreien Zeit werde er im Haushalt der Mutter gepflegt und erzogen. Die Tochter sei Schülerin und habe im Sommer 1995 ein zwölfwöchiges Praktikum in einem Hotel absolviert. Das Einkommen des Kindes sei "nicht belegt", die Mutter behaupte dazu aber glaubhaft einen Verdienst der Tochter von ca 20.000,-- S. Das Kind habe die Kosten für Wohnung und Verpflegung sowie für auswärtige Freizeitgestaltung sowie Fahrtkosten, die Anschaffung von Berufskleidung und Schuhwerk zu tragen gehabt. Die Tochter werde im Haushalt der Mutter gepflegt und erzogen. Der erste Stock des Hauses sei vorübergehend vermietet worden, derzeit benütze die Familie das Haus aber wieder alleine. Die Liegenschaft sei erheblich mit Hypotheken belastet. Für die Rückzahlung komme die Mutter alleine auf, ebenso für alle weiteren Kosten wie Steuern, Abgaben und Gebühren, Versicherungen und Instandhaltungskosten. Der Vater lebe bescheiden in einer kleinen Wohnung. Er verfüge über kein Vermögen mit Ausnahme einer Beteiligung an einer im Aufbau befindlichen Gesellschaft in der Tschechischen Republik. Er habe im Zeitraum November 1994 bis April 1995 eine Pension von 150.378,27 S netto bezogen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Erstgericht noch fest, daß das Haus als Einfamilienhaus konzipiert sei und daß eine abgeschlossene Wohnung sich nicht ohne erheblichen Aufwand einrichten lasse.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge. Es bestätigte die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn und hob die Entscheidung des Erstgerichtes hinsichtlich der Tochter zur Verfahrensergänzung auf. Es beurteilte die erstinstanzlichen Feststellungen rechtlich dahin, daß die Leistungsfähigkeit des Vaters zu je 20 % des monatlichen Nettoeinkommens von 22.000,-- S zu bejahen sei. Auch wenn die Festsetzung der Geldalimentationspflicht des Vaters im Rahmen des Scheidungsvergleiches nicht den finanziellen Fähigkeiten entsprochen habe, sei dieser Umstand bei einer späteren Neubemessung der Geldunterhaltsverpflichtung nicht zu berücksichtigen, weil sich aus dem Scheidungsvergleich nicht erkennen lasse, über welches anrechenbare Einkommen der Vater damals verfügt habe. Die Anrechnung von Naturalunterhalt auf den Geldunterhalt könnte nur dann erfolgen, wenn sowohl der obsorgeberechtigte Elternteil als auch das Pflegschaftsgericht einer Anrechnung zugestimmt hätten. Eine Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes liege nicht vor. Es sei daher von einer Nichtanrechnung des "Wohnwertes" der Liegenschaft auszugehen. Die unterhaltsberechtigten Kinder seien grundsätzlich nicht verpflichtet, ihr eigenes Vermögen heranzuziehen (zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse). Unterhaltsberechtigte Kinder unterlägen nicht der Anspannungstheorie. Allenfalls erzielbare Mieteinkünfte würden überwiegend durch steuerliche Belastungen und Aufwendungen für die Liegenschaft aufgebraucht werden. Eine neue Unterhaltsfestsetzung sei wegen geänderter Verhältnisse infolge gestiegener Bedürfnisse der Minderjährigen zulässig. Die Lebensverhältnisse des Vaters würden bei der Unterhaltsfestsetzung durch die Anwendung der Prozentwertmethode berücksichtigt. Hinsichtlich der Unterhaltsfestsetzung für die Tochter fehle es an entsprechenden Erhebungen zum Einkommen der Minderjährigen. Es müßten die Einkünfte aus der Ferialpraxis und die Aufwendungen der Minderjährigen im Zusammenhang mit der Ausübung dieser Praxis festgestellt werden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, ob bzw inwieweit die unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit an unterhaltsberechtigte Kinder durch den Unterhaltspflichtigen als Naturalunterhaltsleistung zur Verminderung der Geldunterhaltsverpflichtung führen könne, an Bedeutung das vorliegende Verfahren übersteige und diesbezüglich oberstgerichtliche Judikatur nicht habe vorgefunden werden können.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Vater die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, daß die Unterhaltserhöhungsanträge der Kinder abgewiesen werden; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Schwerpunkt der Rekursausführungen ist der Standpunkt des Vaters, daß die Zuwendung von Liegenschaftsanteilen an die Kinder als Naturalunterhalt zu werten und auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen sei. In dieser Frage ist die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz jedoch frei von Rechtsirrtum. Es verwies zutreffend darauf, daß eine im Rahmen des Scheidungsverfahrens geschlossene Vereinbarung der Eltern mit dem vom Vater behaupteten Inhalt der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte (EFSlg 67.824), die jedoch nicht vorliegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Anrechnungsvereinbarung bei der Zuwendung von Liegenschaftsanteilen, die pfandrechtlich erheblich belastet waren, überhaupt hätte erteilt werden können. Es ist von einer unentgeltlichen Vermögenszuwendung an die Kinder auszugehen, die auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters nur insofern von Einfluß sein kann, als das Vermögen einen Ertrag abwirft, der als Eigeneinkünfte der Kinder die Unterhaltsverpflichtung des Vaters mindern könnte (§ 140 Abs 3 ABGB). Es ist dem Vater beizupflichten, daß nicht nur tatsächlich erzielte Einkünfte aus nutzbarem Vermögen, sondern auch unterbliebene, aber zumutbarerweise erzielbare Einkünfte zu berücksichtigen sind. Die Anrechnung fiktiver Mieteinnahmen setzt aber voraus, daß eine Vermietung von Räumlichkeiten durch die unterhaltsberechtigten Kinder zumutbar wäre (6 Ob 569/91 = EFSlg 65.058). In der zitierten Vorentscheidung vertrat der erkennende Senat die Auffassung, daß eine Vermietung grundsätzlich dann unzumutbar ist, wenn der Unterhaltsberechtigte die Wohnung in Eigennutzung genommen hat. Dieser Fall liegt hier vor. Der Vater vermißt zur faktischen Möglichkeit einer teilweisen Vermietung des Einfamilienhauses Feststellungen, behauptete aber im Verfahren erster Instanz nicht, daß eine vermietbare abgeschlossene Wohneinheit schon zur Verfügung stünde und führte im wesentlichen nur die Größe der Wohnfläche (160 m2) und die Existenz einer zweiten Küche ins Treffen. Wenn keine jederzeit und ohne vorherige Investitionen für eine Teilvermietung geeignete Wohneinheit zur Verfügung steht, ist die Frage der Zumutbarkeit der Schaffung eines derartigen vermietbaren Objektes keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, die eine Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigen könnte. Eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende rechtliche Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen liegt nicht vor. Daß der Vater derzeit selbst nur über bescheidene Wohnverhältnisse verfügt, ist nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Die Kinder sind keineswegs verpflichtet, dem unterhaltspflichtigen Vater durch Einschränkung ihrer eigenen Wohnbedürfnisse entgegenzukommen. Der nach der Anspannungstheorie gültige Rechtssatz, daß der Unterhaltspflichtige bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse nicht frei, sondern verpflichtet ist, ein Einkommen zu erzielen, das ihn in die Lage versetzt, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen, ergibt sich aus der Bestimmung des § 140 Abs 1 ABGB, wonach die Eltern zur Deckung der Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften beizutragen haben. Dieser Grundsatz ist nicht uneingeschränkt auf das unterhaltsberechtigte Kind übertragbar, weil es an einer gesetzlichen Bestimmung fehlt, die dem Kind die Pflicht auferlegte, nach seinen Kräften den Unterhaltspflichtigen zu entlasten (7 Ob 640/92, 7 Ob 577/94).

Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen.

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