OGH 4Ob2055/96a

OGH4Ob2055/96a30.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Niederreiter, Dr. Graf und Dr. Griss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH Niederlassung Österreich, ***** vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) M***** GmbH, ***** 2.) Dr. Viktor W*****, Geschäftsführer, ebendort, beide vertreten durch Dr. Viktor Wolczik und andere Rechtsanwälte in Baden, wegen Unterlassung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 800.000, Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000, Revisionsrekursinteresse S 250.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen Punkt 1 des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 13. Februar 1996, GZ 4 R 21/96b-14, womit Punkt I des Beschlusses des Landesgerichtes Wels vom 5. Dezember 1995, GZ 3 Cg 221/95z-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Revisionsrekurses endgültig, die Klägerin hat hingegen die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Lizenznehmerin an Markenrechten der Firma L*****. Zugunsten dieses Unternehmens sind in Österreich eine Vielzahl von Wort- und Bildmarken zur Kennzeichnung von Bekleidungsgegenständen (Hosen) registriert.

In dem beim Landesgericht Wels zu 8 Vr 1041/95 gegen die Erstbeklagte wegen Markenverletzung geführten Strafverfahrens wurden am 25.9.1995 44 Hosen, die die Marke L***** trugen, sichergestellt und in gerichtliche Verwahrung übernommen. Am 9.11.1995 ordnete das Landesgericht Wels an, diese Hosen der Erstbeklagten wieder auszufolgen.

Mit der Behauptung, daß die bei der Erstbeklagten beschlagnahmten, mit dem Kennzeichen der Firma L***** & Co versehenen Hosen, nicht von markenberechtigten Personen stammten, beantragt die Klägerin die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr registrierte Marken von L***** & Co zu verwenden, sowie die an den noch vorhandenen 44 Hosen angebrachten gefälschten Marken durch Vernichtung der Hosen zu beseitigen. Weiters erhebt die Klägerin ein Zahlungs- und ein Urteilsveröffentlichungsbegehren. Zur Sicherung des Beseitigungsbegehrens beantragt die Klägerin, den Beklagten die Verfügung über diese - damals noch vom Landesgericht Wels verwahrten - Hosen bis zur Rechtskraft des Urteils in diesem Verfahren zu untersagen; der Republik Österreich möge aufgetragen werden, die Hosen nicht an die Beklagten auszufolgen und nichts zu unternehmen, was eine Exekutionsführung der Klägerin auf diese Hosen vereiteln oder erschweren könnte.

Die Beklagten äußerten sich zum Sicherungsantrag nicht.

Das Erstgericht verbot den Beklagten zur Sicherung des Anspruchs auf Beseitigung von Marken der Firma L***** & Co von den im Eigentum der Erstbeklagten stehenden, derzeit beim Landesgericht Wels verwahrten 44 Hosen gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von S 25.000 durch die Klägerin über diese Hosen bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens zu verfügen (Punkt I). Gegen die Republik Österreich erließ es das beantragte Drittverbot (Punkt II). Die behauptete Fälschung oder Verfälschung von Marken sei zwar nicht bescheinigt. Diese Bescheinigung könne jedoch durch eine Sicherheitsleistung ersetzt werden.

Das Rekursgericht bestätigte Punkt I der einstweiligen Verfügung des Erstgerichts (Punkt 1 des Beschlusses), wies den Rekurs gegen Punkt II der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes zurück (Punkt 2 des Beschlusses) und sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen Punkt 1 seiner Entscheidung zulässig, gegen Punkt 2 jedoch nicht zulässig sei.

Der Klägerin könne ein Beseitigungsanspruch nicht von vornherein abgesprochen werden. Der Beseitigungsanspruch gemäß § 15 UWG setze neben der Verfügungsmacht des Unterlassungspflichtigen nur noch das Fortbestehen eines gesetzwidrigen Störungszustandes voraus. Wohl bilde das bloße Vorhandensein von Restbeständen einer markenverletzenden Ware beim Unterlassungspflichtigen keinen gesetzwidrigen Zustand im Sinne des § 15 UWG, falls diese Ware nicht (mehr) feilgehalten und verkauft werde. Befinde sich eine Ware aber noch im geschäftlichen Verkehr, dann bestehe auch der Anspruch auf Beseitigung. Das sei hier anzunehmen:

Die Erstbeklagte habe verfälschte Markenware zum Verkauf angeboten. Nach dem Verkauf von 121 Stück seien ihr zunächst 44 Stück geblieben, welche in einem Strafverfahren beschlagnahmt worden seien. Durch die - nunmehr wieder aufgehobene - Beschlagnahme sei der Beklagten die Verfügungsmacht über die Ware nur vorübergehend entzogen gewesen. Damit sei die Ware aber nicht aus dem Verkehr gezogen worden. Die für den Verkauf notwendigen Artikelnummern und Preisschilder seien nicht entfernt worden. Der Beklagten sei es auch freigestanden, während der Beschlagnahme Bestellungen von Kunden entgegenzunehmen. Da die beschlagnahmten Hosen nunmehr wieder in die Verfügungsmacht der Erstbeklagten gelangt seien, befänden sie sich auch wieder im geschäftlichen Verkehr. Selbst wenn der Beseitigungsanspruch hier nicht die von der Klägerin angestrebte Vernichtung umfassen sollte, dürfe nicht übersehen werden, daß der Oberste Gerichtshof Beseitigungsbegehren schon wiederholt dahin präzisiert habe, daß wettbewerbswidrige Exemplare "aus dem Verkehr zu ziehen" seien. Ein Beseitigungsanspruch in diesem Sinn könne der Klägerin im Hinblick darauf, daß sich die Beklagten zum Sicherungsantrag nicht geäußert hätten, im Provisorialverfahren nicht abgesprochen werden. Diese Zustimmungsfiktion gelte auch für die dem Zweitbeklagten vorgeworfene fahrlässige Beteiligung am Wettbewerbsverstoß. Die Argumentation der Rekurswerber, wonach das Einkaufen und Verkaufen von einigen hundert Hosen von zu geringer Bedeutung für einen Geschäftsführer sei, sei daher nicht zielführend.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen Punkt 1 der Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Beklagten wenden sich gegen die Auffassung des Rekursgerichts, daß die beschlagnahmten Hosen, die ihnen vom Strafgericht wieder ausgefolgt wurden, wieder Gegenstände des geschäftlichen Verkehrs geworden seien. Erst mit dem (neuerlichen) Feilhalten und Verkaufen solcher Erzeugnisse wäre ein neuerlicher Eingriff in die Markenrechte der Klägerin verbunden. Die im Hauptverfahren angestrebte Vernichtung der Hosen bezwecke nichts anderes als eine zusätzliche Sicherung des ohnehin auch angestrebten Unterlassungsgebots, solle doch den Beklagten auf diese Weise ein abermaliger Verkauf solcher gefälschter Hosen und damit eine Wiederholung der beanstandeten Zeichenverletzung schon rein faktisch unmöglich gemacht werden. Zur Hintanhaltung künftiger, ungewisser Rechtsverletzungen sei aber nicht der Beseitigungsanspruch sondern der Unterlassungsanspruch bestimmt, den zu sichern die Klägerin nicht beantragt habe. Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Gemäß § 15 UWG umfaßt der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, die Beseitigung des den Vorschriften des Gesetzes widerstreitenden Zustandes zu verlangen. Diese Bestimmung wurde in den Materialien zum UWG (RV 464 BlgNR 1.GP) mit dem Hinweis begründet, daß sich das widerrechtliche Verhalten in manchen Fällen nicht in einer vorübergehenden Handlung erschöpft, sondern ein dauerhafter Zustand, wie zum Beispiel bei wahrheitswidrigen Anpreisungen auf einem Plakat oder auf einer Aufschriftstafel, geschaffen werde; in solchen Fällen umfasse der Unterlassungsanspruch auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu verlangen. Der JA (913 BlgNR 1.GP) fügte hinzu, daß der Anspruch auf Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes ein Spezialfall des Anspruches auf Unterlassung sei und daher diesem "systematisch angereiht gehöre". Die Frage, ob ein Anspruch auf Unterlassung (ieS) oder auf Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes bestehe, hänge einzig und allein von der Natur der schädigenden Wettbewerbshandlung ab, nämlich davon, ob sich die Handlung in ihrer jedesmaligen Begehung auswirke und daher nur Schutz gegen Wiederholung geboten werden müsse, oder ob die Handlung einen schädigenden Dauerzustand schaffe, dessen Beseitigung verlangt werden müsse (ÖBl 1990, 132 - Die wärmste Wäsche der Welt). Wer durch einen Gesetzesverstoß einen störenden Zustand geschaffen hat, stört weiter, solange dieser Zustand andauert; seine Verpflichtung zu handeln, folgt aus seinem vorangegangenen Verhalten. Wenn sich das widerrechtliche Verhalten des Störers nicht in einer vorübergehenden, abgeschlossenen Handlung erschöpft, sondern einen Dauerzustand herbeigeführt hat, umfaßt deshalb der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustandes zu fordern, soweit dem Störer die Verfügung hierüber zusteht (ÖBl 1990, 132 - Die wärmste Wäsche der Welt mwN). Wo die Nichtbeseitigung gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist, läuft der Beseitigungsanspruch mit dem Unterlassungsanspruch parallel. Trifft das nicht zu, kann das zur Selbständigkeit des Beseitigungsanspruches von dem damit nicht "gleichgerichteten" Unterlassungsanspruch führen. Ist aber die Nichtbeseitigung mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung gleichlautend, dann liegt ein Zuwiderhandeln gegen eine bloß auf Unterlassung und nicht auch auf Beseitigung lautendes Gebot auch dann vor, wenn der Verpflichtete einen den Vorschriften des Gesetzes widersprechenden Zustand nicht beseitigt (ÖBl 1990, 132 - Die wärmste Wäsche der Welt mwN). Daraus wurde in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung abgeleitet, daß der Verletzte auf Grund eines nur auf Unterlassung lautenden Exekutionstitels jedenfalls wegen Zuwiderhandelns gegen die Unterlassungspflicht Zwangsvollstreckung nach § 355 EO führen könne, wenn der Verpflichtete bereits vor der Schaffung des Exekutionstitels vorhandene Störquellen nicht beseitigt, sondern sie beläßt.

Schon in der Entscheidung ÖBl 1965, 38 - VDO hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß das bloße Vorhandensein von Waren, die mit einer irreführenden (und markenrechtsverletzenden) Aufschrift versehen sind, neben dem Anspruch auf Unterlassung des Inverkehrbringens dieser Gegenstände auch den Anspruch auf Beseitigung der beanstandeten Bezeichnung begründet. In der Entscheidung ÖBl 1982, 24 - Dunlop, mit der die Revisionsrekurswerber (wörtlich) argumentieren, wurde dagegen ausgesprochen, daß durch den zurückliegenden Verkauf markenverletzender Gegenstände eine für die Begründung des Beseitigungsanspruches erforderliche fortlaufende Störung nicht geschaffen werde, sodaß in solchen Fällen kein gesonderter Anspruch auf Beseitigung solcher Gegenstände, die noch beim Verletzer lagern, bestehe. Erst das Feilhalten und Verkaufen solcher Erzeugnisse wäre ein (neuerlicher) Eingriff in die Markenrechte. Bezwecke die angestrebte Vernichtung der Lagerbestände nichts anderes als eine zusätzliche Sicherung des Unterlassungsgebotes, sei nur der Anspruch auf Unterlassung weiterer Störungshandlungen gegeben.

Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, daß neben der Unterlassung auch die Beseitigung der wettbewerbswidrigen Gegenstände gefordert werden kann, wenn das widerrechtliche Verhalten des Störers einen Dauerzustand herbeigeführt hat; dann umfaßt der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustands zu fordern, soweit dem Störer die Verfügung hierüber zusteht (MR 1991, 209 mwN aus Literatur und Rechtsprechung - vgl auch ÖBl 1982, 69 - Andre Heller). Insoweit laufen die beiden Ansprüche ja nicht parallel. Auch der strafrechtliche Kennzeichenschutz umfaßt das Recht, daß die etwa vorhandenen Vorräte nachgemachter Marken oder unbefugt angefertigter Bezeichnungen vernichtet und die unbefugt angebrachten Marken und Bezeichnungen von den im Besitz des Verurteilten befindlichen Gegenständen auch dann beseitigt werden, wenn dies die Vernichtung des Gegenstandes zur Folge hat (§ 54 Abs 1 MSchG). Entgegen der in ÖBl 1982, 24 - Dunlop ausgesprochenen Auffassung ist daher daran festzuhalten, daß derjenige, der gefälschte Markenware vertrieben hat, auf Antrag des Verletzten die noch vorhandenen, mit der unrichtigen Marke bezeichneten Warenvorräte zu beseitigen hat. Die für den Beseitigungsanspruch erforderliche fortdauernde Störung wird - im Zusammenhalt mit der zurückliegenden Markenrechtsverletzung - schon durch das Vorhandensein der Eingriffsgegenstände im Betrieb des Beklagten, wo sie regelmäßig zu keiner anderen Verwendung als dem Verkauf bestimmt sein können, bewirkt (vgl auch ÖBl 1976, 24; SZ 53/35 = ÖBl 1980, 97 - österr Lebensmittelbuch; MR 1993, 232 - Jahresbonifikation; 4 Ob 28/94). Daß über die vom Strafgericht wieder ausgefolgten Hosen in anderer, nicht gegen das Gesetz verstoßende Weise disponiert worden sei, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

Der Beseitigungsanspruch kann auch zur Vernichtung bestimmter Gegenstände führen, sofern die Beseitigung nicht anders möglich ist (ÖBl 1976, 24). Ob die Möglichkeit besteht, die widerrechtlich benützten Kennzeichen von den noch vorhandenen Hosen zu entfernen, wird im Hauptverfahren zu klären sein. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Beseitigungsanspruch im Provisorialverfahren noch nicht endgültig zu versagen sei, ist daher beizupflichten. Daß die zur Sicherung des Beseitigungsanspruchs beantragte Maßnahme in einem Unterlassungsgebot besteht, ist nicht zu beanstanden, ist doch das Gebot, über die gegenständlichen Hosen zu verfügen, geeignet, den seinerzeit mit Urteil erworbenen Anspruch auf Beseitigung zu sichern.

Gegen die Annahme der Haftung des zweitbeklagten Geschäftsführers durch das Berufungsgericht richten sich die Ausführungen im Revisionsrekurs nicht.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50 ZPO, jene über die der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

Stichworte