OGH 4Ob2075/96t

OGH4Ob2075/96t30.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Neslihan A*****, geboren am *****, wegen Regelung der Obsorge, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Mehri A*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26.Februar 1996, GZ 43 R 1008/95v-66, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Eltern der mj. Neslihan A***** sind türkische Staatsbürger; Neslihan A***** hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Das anwendbare Recht bestimmt sich nach dem Personalstatut des Kindes (§ 24 IPRG vor Rz 1; Schwimann in Rummel, ABGB**2 § 24 IPRG Rz 2 mwN). Gemäß Art 263 des Bürgerlichen Gesetzbuches der Türkei üben die Eltern die elterliche Gewalt während der Ehe gemeinsam aus; bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Vater. Nach dem Haager Minderjährigenschutzabkommen (BGBl 1975/446), dem sowohl Österreich als auch die Türkei angehören (Schwimann aaO § 24 IPRG vor Rz 1), haben die Behörden des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, das Recht, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen zu treffen, wobei im Heimatrecht des Kindes begründete gesetzliche Gewaltverhältnisse in allen Vertragsstaaten anzuerkennen sind (Art 3 leg cit). Das Haager Minderjährigenschutzabkommen führt zum Gleichlauf von Jurisdiktion und anzuwendendem Sachrecht (Schwimann aaO § 27 IPRG Rz 6 mwN).

Für die Obsorgezuteilung ist nach ständiger Rechtsprechung die Erziehungskontinuität von wesentlicher Bedeutung. Der Pflegeplatz ist nur zu wechseln, wenn dies aus besonders wichtigen Gründen im Interesse des Kindes angebracht erscheint (EFSlg 75.180; 75.181 ua). Bei einer erstmals zu treffenden Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge künftig allein zustehen soll, kann die Erziehungskontinuität nicht ausschlaggebend sein (JBl 1994, 41 = EFSlg 71.892). Es besteht kein Grundsatz, daß Kinder bestimmten Alters oder bestimmten Geschlechtes dem einen oder anderen Elternteil zuzuweisen sind; nur wenn bei beiden Elternteilen gleichwertige Verhältnisse vorliegen, ist der Betreuung von Kleinkindern durch deren Mutter der Vorzug zu geben (EFSlg 66.102; 66.103; 75.179 ua). Maßgebend ist immer das Kindeswohl (stRsp ua JBl 1994, 41 = EFSlg 71.881).

Mit dieser Rechtsprechung steht die angefochtene Entscheidung im Einklang. Nach den Feststellungen sind die Verhältnisse bei Vater und Mutter gleichwertig; dem Vorteil der Betreuung des nunmehr fünfjährigen Mädchens durch die Mutter steht der schwerwiegende Nachteil gegenüber, daß das Kind aus seiner vertrauten Umgebung gerissen würde. Die Entscheidung der Vorinstanzen entspricht daher dem Kindeswohl, das immer und vor allem auch dann maßgebend ist, wenn erstmals über die Obsorge entschieden wird.

Stichworte