OGH 8ObS2001/96i

OGH8ObS2001/96i25.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag und Dr. Langer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Hans F*****, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Schwindgasse 5, 1040 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 16.433 S netto sA an Insolvenzausfallgeld (Revisionsinteresse 6.932 S netto sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. November 1995, GZ 10 Rs 130/95-10, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Mai 1995, GZ 1 Cgs 90/95b-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Antrag des Klägers auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 9. Februar 1995 wies die beklagte Partei ein Mehrbegehren des Klägers an Insolvenzausfallgeld von 17.374 S betreffend Urlaubsentschädigung und von 6.932 S betreffend Kündigungsentschädigung ab.

Mit der dagegen erhobenen Klage machte der Kläger 9.501 S an Urlaubsentschädigung und 6.932 S an Kündigungsentschädigung geltend.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete bezüglich des Anspruches auf Kündigungsentschädigung ein, daß dieser mit dem Grenzbetrag gemäß § 1 Abs 4 Z 1 IESG limitiert sei.

Das Erstgericht erkannte dem Kläger Insolvenzausfallgeld für 9.501 S an Urlaubsentschädigung zu und wies das Mehrbegehren von 6.932 S ab. Es ging unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 9 ObS 7/91 davon aus, daß auch die Kündigungsentschädigung mit dem Grenzbetrag limitiert sei.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung auch des Begehrens von 6.932 S ab und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 9 ObS 3/90 deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Betragsbegrenzung auf die Kündigungsentschädigung nicht anzuwenden sei. In der Entscheidung 9 ObS 7/91 sei der Oberste Gerichtshof auf die Frage, ob die Kündigungsentschädigung der betraglichen Beschränkung nach § 1 Abs 3 Z 4 und Abs 4 IESG unterliege, nicht eingegangen, doch habe er die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz 12 Rs 157/90, wonach auch die Kündigungsentschädigung der betraglichen Beschränkung unterliege, unter Hinweis auf deren zutreffende Begründung gemäß § 48 ASGG bestätigt.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig:

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage, ob die Sicherung der Kündigungsentschädigung der Höhe nach mit dem Betrag nach § 1 Abs 4 Z 1 IESG begrenzt ist, in der Entscheidung 9 ObS 3/90 ausdrücklich dahin Stellung genommen, daß diese Begrenzung nicht anzuwenden sei, weil es sich bei der Kündigungsentschädigung um einen pauschalierten Schadenersatz im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 IESG handle, die Betragsbegrenzung aber nur bei Entgeltansprüchen im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG eingreife. In der Entscheidung 9 ObS 7/91 hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Frage zwar nicht ausdrücklich Stellung genommen, doch hat er durch Hinweis auf die zutreffende Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichtes (Oberlandesgericht Linz, 12 Rs 157/90) auch dessen gegenteilige Rechtsauffassung, der Grenzbetrag sei auch nach der IESG-Novelle BGBl 1986/395 auf die Kündigungsentschädigung anzuwenden, gebilligt.

Die Revision ist auch berechtigt.

Nach der Rechtslage bis zur IESG-Novelle 1986, BGBl 1986/395, galt der Grenzbetrag gemäß § 1 Abs 3 Z 4 IESG "für nach Zeiträumen bemessene Ansprüche" und damit unbestrittenermaßen auch für die Kündigungsentschädigung (siehe Schwarz/Holler/Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz2 107). Mit der Neuregelung des Grenzbetrages durch die IESG-Novelle 1986 sollten vor allem auch - entsprechend dem Erkenntnis VfSlg 10.623 - Ansprüche, die periodisch abgerechnet werden, in die Begrenzung einbezogen werden (EBRV BlgNR 993 16.GP, 7); diesen erläuternden Bemerkungen, in denen von "Ansprüchen" die Rede ist, ist nicht zu entnehmen, daß - anders als bisher - die nach dem Entgelt bemessene Kündigungsentschädigung nicht erfaßt werden sollte. Dies ist dadurch erklärlich, daß es sich bei dem IESG um ein Sozialversicherungsgesetz handelt und im Sozialrecht auch die Kündigungsentschädigung als sozialversicherungspflichtiges Entgelt gewertet wird (siehe Teschner/Widlar, ASVG, § 11 Anm 2 b,

30. ErgLfg; Arb 10.189 = ZAS 1984/23 [Binder]; Hemmer, Kündigungsentschädigung ist sozialversicherungspflichtig, DRdA 1983, 43 f; VwSlg 11.452 [A]). Die im § 1 Abs 3 Z 4 IESG genannten Entgeltansprüche im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 ("Entgeltansprüche, insbesondere auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses") umfassen daher auch die Kündigungsentschädigung (anders VwGH ZfVB 1988/1496; Holler, Neuerungen im Bereich der Entgeltsicherung bei Insolvenz, ZAS 1987, 147 f [150]; Schwarz/Holzer/Holler/Reissner, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz3, 130; Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz 98 und 100).

Nur die Einbeziehung auch der Kündigungsentschädigung in den Entgeltbegriff des § 1 Abs 3 Z 4 IESG (bzw § 1 Abs 2 Z 1 IESG) führt zu einem sachgerechten, von Wertungswidersprüchen freien Ergebnis, da andernfalls der gemäß § 25 Abs 1 KO austretende Arbeitnehmer, anders als der vom Masseverwalter gekündigte, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter arbeitende Arbeitnehmer mit seinen den Grenzbetrag übersteigenden Ansprüchen gesichert wäre.

Der Revision war daher im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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