OGH 8Ob2075/96x

OGH8Ob2075/96x18.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Otto Ortner und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Klemens Dallinger, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Schullerstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der "B***** GmbH & Co KG *****, und "B***** GmbH *****, wegen S

474.370 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13.Juli 1995, GZ 3 R 91/95-7, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30.Jänner 1995, GZ 30 Cg 339/94v-5, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

22.671 (einschließlich S 3.778,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Masseverwalter in dem am 19.3.1994 über das Vermögen der "B***** GmbH & Co KG und deren Komplementärin, der "B***** GmbH eröffneten Konkursverfahren.

Die klagende Partei hatte von Anfang 1989 bis Februar 1994 die spätere Gemeinschuldnerin mit der Durchführung der Verzollung der von ihr eingeführten Waren beauftragt. Diese trat dabei im Zollverfahren vor dem Zollamt als Anmelderin im eigenen Namen auf und beglich die an sie gerichteten Zollvorschreibungen durch Zahlungen auf ein auf sie lautendes Abgabenkonto beim Zollamt. Über die ihr vorgeschriebenen Einfuhrabgaben legte das Speditionsunternehmen an die klagende Partei Rechnungen, welche ihm von dieser teils vor, teils nach Abführung dieser Abgaben an die Finanzbehörde bezahlt worden sind.

Anläßlich einer Abgabenüberprüfung für den Zeitraum 12.9.1989 bis 21.3.1991 durch die Betriebsprüfungsstelle Zoll der Finanzlandesdirektion am 12.6.1991 wurde festgestellt, daß infolge teilweise unrichtiger Einreihung der importierten Waren unter den Zolltarif während des Prüfungszeitraumes zu hohe Abgabenbeträge vorgeschrieben und von der späteren Gemeinschuldnerin (in Erfüllung des Auftrages der klagenden Partei) bezahlt worden sind. Der sich aus dieser Überzahlung ergebende Erstattungsbetrag wurde erst mit Bescheid vom 18.4.1994 des Zollamtes mit S 474.370 festgesetzt.

Zu diesem Zeitpunkt, nämlich seit Anfang Februar 1994, war das Auftragsverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Speditionsunternehmen bereits beendet und über dieses und das Unternehmen ihrer Komplementärin das Konkursverfahren eröffnet.

Anfang April 1994 informierte das Zollamt die klagende Partei (als Empfängerin der importierten Waren) über das zu ihren Gunsten bestehende Abgabenguthaben und forderte sie auf, die Zustimmung des Beklagten als Masseverwalter des gemeinschuldnerischen Speditionsunternehmens zur direkten Überweisung des Erstattungsbetrages an sie einzuholen. Trotz eines entsprechenden Aufforderungsschreibens des Rechtsvertreters der klagenden Partei erteilte der Masseverwalter die gewünschte Zustimmung zur Direktüberweisung nicht. Das Zollamt überwies den Betrag von S

474.370 in der Folge an den Beklagten, auf dessen Konto es am 24.5.1994 einging und dort noch unterscheidbar vorhanden ist.

Die klagende Partei begehrt mit der vorliegenden Klage vom Masseverwalter als Empfänger des Erstattungsbetrages dessen Weiterleitung an sie und stützt ihren Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung der Masse, Schadenersatz sowie alle sonstigen erdenklichen Rechtsgründe.

Der beklagte Masseverwalter wendete dagegen ein, eine Bereicherung der Konkursmasse liege nicht vor: Diese habe vom Zollamt lediglich das erhalten, was ihr im Zeitpunkt der Konkurseröffnung als Forderung tatsächlich zugestanden sei. Irgendwelche Treuhandverhältnisse seien nie begründet worden. Da sich der gesamte Sachverhalt, auf den sich das Klagevorbringen beziehe, bereits Jahre vor Konkurseröffnung verwirklicht habe, könnten auch alle Ansprüche der klagenden Partei nur vor Konkurseröffnung entstanden sein und stellten damit bloße Konkursforderungen dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat den Standpunkt, die nach Konkurseröffnung auf das Konto des Beklagten in seiner Eigenschaft als Masseverwalter erfolgte Rückzahlung des entrichteten Betrages von S 474.370 sei durch die Republik Österreich in Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber der Gemeinschuldnerinn erfolgt. Wohl sei die Gemeinschuldnerin aus dem seinerzeitigen Auftragsverhältnis zur Herausgabe der dem Auftraggeber seinerzeit überhöht verrechneten Barauslagen verpflichtet, doch entspreche dieser Abwicklungspflicht lediglich eine Konkursforderung. Die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruches scheitere daran, daß die Zahlung der Republik Österreich an den Masseverwalter in Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber der Masse erfolgt sei. Ein Schadenersatzanspruch gegen den Masseverwalter scheitere daran, daß diesen keine Verpflichtung zur Weiterleitung des von der Republik Österreich erhaltenen Betrages treffe, ein Eintritt in den seinerzeitigen Auftragsvertrag durch den Masseverwalter sei nicht erfolgt.

Infolge Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht das Urteil im Sinn der Klagsstattgebung ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, daß den Beklagten eine Mitwirkungspflicht treffe. Die mangelnde Mitwirkung des Beklagten an der Weiterleitung des Erstattungsbetrages an die klagende Partei begründe Schadenersatzansprüche ihm gegenüber. Der Beklagte sei (nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zwischen Gemeinschuldnerin und klagender Partei) zur Entgegennahme des von der Finanzbehörde auszuzahlenden Rückzahlungsbetrages an von der klagenden Partei zu viel bezahlten Abgaben nicht mehr legitimiert gewesen. Nur während aufrechter Vertragsbeziehung zwischen der klagenden Partei als Importeurin und der späteren Gemeinschuldnerin als beauftragte Spediteurin sei letzterer die Stellung einer indirekten Stellvertreterin ihrer Auftraggeberin zugekommen und diese damit auch zum Inkasso rückfließender Überzahlungen berechtigt gewesen. Seien aber dem Masseverwalter als gesetzlichen Vertreter der Gemeinschuldnerin Zahlungen Dritter (hier: der Republik Österreich) angeboten worden, die (im Innenverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und der klagenden Partei) jedenfalls nicht der Gemeinschuldnerin, sondern ausschließlich deren früheren Auftraggeberin zugestanden seien, sei er (in Erfüllung nachvertraglicher Pflichten der Gemeinschuldnerin gegenüber ihrer früheren Auftraggeberin) dazu verpflichtet, alle erforderlichen Handlungen zu setzen und Erklärungen abzugeben, damit die angebotene Leistung direkt der rechtmäßigen Empfängerin zufließen könne. Die Verletzung dieser Pflichten durch den Masseverwalter führte zu einem Schadenersatzanspruch der durch die Unterlassung des Beklagten geschädigten klagenden Partei, deren Schaden im Entfall der Rückzahlung des Erstattungsbetrages an sie liege.

Schadenersatzansprüche wegen pflichtwidrigen, innerhalb des Wirkungskreises liegenden Verhaltens des Masseverwalters seien aber gemäß § 46 Abs 1 Z 5 KO Masseforderungen.

Der Zufluß des Rückerstattungsbetrages an den Beklagten stelle zudem auch eine Bereicherung der Masse dar und löse eine Masseforderung der klagenden Partei gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO aus: Im hier vorliegenden Zivilprozeß sei ausschließlich auf das Innenverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten als Vertreter der Gemeinschuldnerin abzustellen. Danach könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die Klägerin an die Gemeinschuldnerin alle für sie abgeführten Beträge voll bezahlt habe. Das Inkasso durch den Masseverwalter habe daher zu einer Bereicherung der Masse geführt, weil diese durch den Geldzufluß seitens der Finanzbehörde mehr erhielt als ihr rechtens jemals zugestanden sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen der "besonderen Kasuistik des Einzelfalles" nicht zu.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Zu Recht macht der beklagte Masseverwalter geltend, daß der Entscheidung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, weil derartige Fälle im Zusammenhang mit dem Auftrag zur Anmeldung von Waren zur Verzollung durch einen Spediteur, der später insolvent wird, jederzeit auftreten könnten. Da es hiezu an oberstgerichtlicher Rechtsprechung mangelt, ist die Revision demnach zulässig; sie ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Sowohl die Streitteile als auch die Vorinstanzen stellen die Frage in den Vordergrund, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um eine Konkurs- oder Masseforderung handelt. Der beklagte Revisionswerber meint, die spätere Gemeinschuldnerin sei bereits im Zeitpunkt der Überzahlung der Zollschuld und nicht erst durch den Eingang des Rücküberweisungsbetrages bei ihr bereichert worden, weshalb bereits zum erstgenannten Zeitpunkt die Forderung der klagenden Partei entstanden sei. Da dieser Zeitpunkt vor Konkurseröffnung liege, stehe der klagenden Partei nur eine Konkurs- und keine Masseforderung zu. Der beklagte Masseverwalter habe nach Ansicht des Berufungsgerichtes keinen Anspruch auf Rückforderung der überhöht abgeführten Zollschuld gegen die Republik Österreich gehabt, somit könne ihm aber auch keine Mitwirkungspflicht bei der Forderungseintreibung durch die klagende Partei auferlegt werden und aus diesem Grund scheide eine Schadenersatzpflicht wegen verweigerter Mitwirkung aus.

Auf diese Argumentation ist nicht einzugehen, denn der klagenden Partei steht jedenfalls ein Aussonderungsanspruch gemäß § 44 KO zu.

Bei der Verzollung handelt es sich um eine vom Spediteur im Rahmen des Speditionsvertrages vorzunehmende Geschäftsbesorgung (vgl § 25 AÖSp), auf welche grundsätzlich die Bestimmungen über den Auftrag anzuwenden sind (SZ 58/146 ua). Die spätere Gemeinschuldnerin wurde für die klagende Partei als indirekte Stellvertreterin tätig (Verzollung im eigenen Namen und auf Rechnung der klagenden Partei).

Soweit keine abweichenden Regelungen bestehen, finden gemäß § 407 Abs 2 HGB auf die Rechte und Pflichten des Spediteurs die für den Kommissionär geltenden Vorschriften Anwendung; beide werden ja als indirekte Stellvertreter tätig. Zu den auf den Spediteur anzuwendenden Bestimmungen zählt auch § 392 Abs 2 HGB (Schütz in Straube HGB2 Rz 16 zu § 407; GroßKommHGB Anm 16 zu § 407; Schlegelberger HGB5 Bd VI Anm 26, 26 g zu § 407 ua). Hiernach gelten Forderungen aus dem Ausführungsgeschäft sowie aus den damit zusammenhängenden Hilfs- und Nebengeschäften wie Verzollung (Schütz aaO Rz 32; GroßKomm aaO Anm 7 zu § 392), auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhältnis zwischen Kommittenten und Kommissionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommittenten. Der Kommittent kann der Pfändung durch die Gläubiger des Kommissionärs widersprechen (§ 37 EO); im Konkursverfahren über das Vermögen des Kommissionärs kann der Kommitent die Forderung gemäß § 44 KO aussondern (Rsp 1928/262; Griß-Reiterer in Straube HGB2 Rz 8 zu § 392; ausführlich in diesem Sinn für den Spediteur Schlegelberger aaO).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, gilt die Rückforderung aus der überzahlten Abgabenschuld im Verhältnis zwischen klagender Partei und Spediteur als Forderung der klagenden Partei, die diese aussondern kann. § 392 Abs 2 HGB ist analog auch auf dasjenige anzuwenden, das der Kommissionär in Erfüllung des Ausführungsgeschäftes erwirbt (SZ 59/105; Avancini in Kastner - FS 1 ff; Griß-Reiterer aaO Rz 3); im vorliegenden Fall also der Geldbetrag, den die Republik Österreich an den Beklagten überwies. Da nach den getroffenen Feststellungen dieser auf das Konto des Beklagten überwiesene Betrag dort noch unterscheidbar vorhanden ist, kann er ausgesondert werden (SZ 10/356; 32/161; 59/228; vgl auch die Ausführungen zur Mengenvindikation in SZ 48/21; 50/42 und ecolex 1994, 812). Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn das Auftragsverhältnis im Zeitpunkt der Rücküberweisung der überhöht abgeführten Abgabenschuld auf das Konto des Beklagten bereits beendet war und er aus diesem Grund zur Empfangnahme des Geldbetrages im Verhältnis zur klagenden Partei gar nicht mehr berechtigt war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 51, 50 ZPO.

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