Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Mai 1995, GZ 1 c E Vr 7.854/94-30, mit welchem die dem Verurteilten Roland S***** mit den Urteilen des Jugendgerichtshofes Wien vom 12. September 1990, GZ 18 a U 103/90-9, und vom 13.Dezem- ber 1991, GZ 2 a E Vr 525/91-14, gewährte Probezeit bei gleichzeitigem Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht jeweils auf fünf Jahre verlängert wurde, verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft sowie in der Bestimmung des § 494 a Abs 3 StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Roland S***** wurde mit den beiden Urteilen des Jugendgerichtshofes Wien vom 12.September 1990, GZ 18 a U 103/90-9, und vom 13.Dezember 1991, GZ 2 a E Vr 525/91-14, wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7, 146 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit zu jeweils bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Aus Anlaß der zweiten Verurteilung sah der Einzelrichter am 13.Dezember 1991 gemäß § 494 a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO vom Widerruf der zuvor gewährten bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.
Wegen des - innerhalb der Probezeiten - am 14.Juli 1994 begangenen Vergehens des versuchten Wider- standes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien Roland S***** schließlich mit Urteil vom 17.Mai 1995, GZ 1 c E Vr 7.854/94-30, zu einer gleichfalls bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe. Zugleich faßte der Einzelrichter den Beschluß, vom Widerruf der oben bezeichneten bedingten Strafnachsichten unter jeweiliger Verlängerung der Probezeiten auf fünf Jahre abzusehen.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde auf, daß dieser Beschluß mit dem Gesetz nicht in Einklang steht.
Im Zeitpunkt der Beschlußfassung war nämlich die im Verfahren 18 a U 103/90 des Jugendgerichtshofes Wien gewährte Probezeit bereits (seit 13. Dezember 1991) auf fünf Jahre verlängert (siehe oben) und die weitere Freiheitsstrafe (2 a E Vr 525/91 des Jugendgerichtshofes Wien) nach Ablauf der dreijährigen Probezeit mit Beschluß vom 7.April 1995, GZ 2 a E Vr 525/91-25, (rechtskräftig) endgültig nachgesehen.
Damit stand der vom Landesgericht für Straf- sachen Wien nach § 494 a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO getroffenen Entscheidung die materielle Rechtskraft dieser Beschlüsse entgegen.
Während der erstgenannte Beschluß aktenkundig war (S 19 und 53) und vom Einzelrichter offensichtlich übersehen wurde, blieb diesem die endgültige Strafnachsicht nur deshalb verborgen, weil er es unterlassen hatte, vor Beschluß- fassung in den Akt über die frühere Verurteilung - mag ihm dieser auch bis 18.Jänner 1995 zur Verfügung gestanden sein - (neuerlich) Einsicht zu nehmen; diese Vorgangsweise widersprach der Bestimmung des § 494 Abs 3 StPO, welche in formeller Beziehung eine solche Einsichtnahme jedenfalls dann verlangt, wenn die vom Gesetz anheimgestellte bloße Einsicht in eine Urteilsabschrift aus besonderen Gründen als Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht, etwa deshalb, weil - wie hier - im Hinblick auf den länger zurückliegenden Ablauf der Probezeit die durchaus naheliegende Möglichkeit einer zwischenzeitig beschlossenen endgültigen Strafnachsicht besteht.
Da sich die gesetzwidrige Verlängerung der im Verfahren 2 a E Vr 525/91 des Jugendgerichtshofes Wien bestimmten Probezeit zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, war der Beschluß ersatzlos zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).
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