OGH 4Ob2081/96z

OGH4Ob2081/96z16.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei T*****gesellschaftmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr.Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Dezember 1995, GZ 2 R 1088/95g-12, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.Oktober 1995, GZ 15 Cg 201/95a-5, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen; die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und die halben Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung hat sie vorläufig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 28.494,90 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 4.749,15 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 6.9.1987 schlossen Hans Liner, Roland G***** und Fred S***** als Musikgruppe "Atlantis" mit der Beklagten einen Produktionsvertrag ab. In der Folge trennten sich Hans Liner und Roland G***** von Fred S*****, welcher die Musikgruppe "Atlantis" mit anderen Musikern weiterführte. Auch in dieser Besetzung stand "Atlantis" bei der Beklagten unter Vertrag. Hans Liner gründete die "Hans Liner-Band", welche ebenfalls mit der Beklagten einen Produktionsvertrag abschloß. Beide Gruppen waren nur mäßig erfolgreich.

Am 12.3.1993 schloß die Musikgruppe "Atlantis" in neuer Besetzung mit der Klägerin einen Produktionsvertrag ab. Ihr gehörte wieder Hans Liner an, während sich Fred S***** nicht mehr beteiligte. Die Klägerin brachte zwei Compact-Discs heraus, die unter der Bezeichnung "Eine Hand voll Himmel" und "Heiß und kalt" in Verkehr gebracht wurden. In Presseberichten wurde prognostiziert, daß "Atlantis" mit dieser Neuerscheinung "mit riesigen Schritten auf 'Gold' zugehe"; sie gehöre zu den erfolgreichsten Musikgruppen Österreichs; ihr neuer "Ohrwurm" "Eine Hand voll Himmel" durchwandere derzeit sämtliche Hitparaden.

Im Frühjahr 1995 brachte die Beklagte unter der Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner, 20 neue Top-Volltreffer" eine Musikkassette und eine Compact-Disc mit Titeln heraus, welche einerseits die Musikgruppe "Atlantis" (in der damaligen Besetzung, das heißt ohne Hans Liner) und andererseits die Hans Liner-Band 1991 oder 1992 produziert hatte:

An keiner der Aufnahmen wirkten die Musikgruppe "Atlantis" und Hans Liner gemeinsam mit. Der Beklagten war bekannt, daß die Musikgruppe "Atlantis" in der neuen Besetzung bei der Klägerin unter Vertrag steht.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres im wesentlichen inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung "für die Dauer dieses Rechtsstreites, sohin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter einem eingebrachte Klage" zu untersagen, die zu Katalog-Nummer 251095-MC und 351095-CD hergestellten Tonträger mit der Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner - 20 neue Top-Volltreffer" zu produzieren und in den Verkehr zu bringen.

Mit der Aufmachung der Compact-Disc wolle die Beklagte den Eindruck erwecken, daß die Musiker der Gruppe "Atlantis" gemeinsam mit Hans Liner "20 neue Volltreffer" aufgenommen hätten. Zu einer Abbildung der Musikgruppe "Atlantis" sei eine Aufnahme von Hans Liner hinzukopiert worden. In der Beschreibung werde nicht darüber aufgeklärt, wer die Interpreten der einzelnen Titel seien.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Der Tonträger mit der Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner - 20 neue Top-Volltreffer" enthalte bisher unveröffentlichte Titel. Die Produktion sei als Sampler (CD mit mehreren Künstlern) veröffentlicht worden.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, "für die Dauer des Rechtsstreites zu 15 Cg 201/95a, längstens jedoch bis 31.12.1996", die zu Katalog-Nummer 251095-MC und 351095-CD hergestellten Tonträger unter der Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner - 20 neue Top-Volltreffer" in den Verkehr zu bringen; das Mehrbegehren, der Beklagten auch die Produktion dieser Tonträger zu untersagen, wies es ab.

Die Aufmachung der Tonträger sei zur Irreführung geeignet, weil unerwähnt bleibe, daß es sich um bisher unveröffentlichte, jedoch aus

1991 oder 1992 stammende Produktionen der Musikgruppe "Atlantis" einerseits und der Hans Liner-Band andererseits handle. Die Beklagte sei jedoch berechtigt, Tonträger mit diesen Titeln herzustellen und auch in Verkehr zu bringen, wenn auch unter anderer Aufmachung. Das Mehrbegehren sei daher abzuweisen.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es der Beklagten "für die Dauer des vorliegenden Rechtsstreites, längstens jedoch bis 31.12.1996" verbot, die zu Katalog-Nummer 251095 (Musikkassetten) und 351095 (CD) hergestellten Tonträger zu produzieren und in den Verkehr zu bringen, sofern diese mit der Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner - 20 neue Top-Volltreffer" versehen sind.

Die Aufmachung der Tonträger sei nach ihrem Gesamteindruck zur Irreführung geeignet. Ein erheblicher Teil der Verkehrskreise setze "neu" nicht mit "bisher unveröffentlicht" gleich; "neu" seien kürzlich aufgenommene Musikstücke. Die Klägerin bestreite nicht das Recht der Beklagten, Tonträger mit den in den Jahren 1991 und 1992 aufgenommenen Titeln herzustellen und in Verkehr zu bringen; sie wende sich nur gegen die Produktion und den Vertrieb unter einer irreführenden Bezeichnung. Schon die Erzeugung in Verkaufsabsicht sei wettbewerbsrelevant; der Beklagten sei daher auch die Produktion der Tonträger unter der irreführenden Bezeichnung zu verbieten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Beklagte macht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend. Der Spruch der angefochtenen Entscheidung sei in sich widersprüchlich; es könne nicht verboten werden, "hergestellte" Tonträger zu produzieren. Nicht der Tonträger sei mit einer Bezeichnung versehen, sondern das CD- oder MC-Inlet. Es sei unklar, was durch den Spruch der einstweiligen Verfügung eigentlich verboten werde.

Eine Entscheidung ist nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig, wenn sie (ua) mit sich selbst in Widerspruch steht. Dieser Nichtigkeitsgrund erfaßt nur einen Widerspruch im Urteilsspruch selbst, nicht auch einen Widerspruch in den Gründen oder zwischen Spruch und Gründen (Fasching, Lehrbuch**2 Rz 1760 mwN).

Der Beklagten wird mit der angefochtenen Entscheidung verboten, "die

zu ... hergestellten Tonträger zu produzieren und in den Verkehr zu

bringen, sofern diese mit der Bezeichnung ... versehen sind". Es ist

nun zwar richtig, daß "hergestellte" Tonträger nicht mehr produziert werden können; das Rekursgericht hat aber mit "die zu ... hergestellten Tonträger" nur näher bestimmt, welche Tonträger das Verbot erfaßt. Die Entscheidung ist daher weder nichtig noch mangelhaft. Auf die Auffassung des Rekursgerichtes, daß der Beklagten auch die Produktion der Tonträger untersagt werden könne, ist bei der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß die Aufmachung der Tonträger nicht zur Irreführung geeignet sei. Bei Tonträgern heiße "neu" immer "unveröffentlicht". Die Angaben auf dem CD- und MC-Inlet seien wahr. Wie die Bezeichnung "Atlantis & Hans Liner" zu verstehen sei, sei keine Rechtsfrage. Die Klägerin beanstande nur das CD- und MC-Inlet, nicht auch den Tonträger. Diesen habe die Beklagte schon 1991 und 1992 hergestellt.

Nach ständiger Rechtsprechung verstößt eine Ankündigung gegen § 2

UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung

durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit einen

irrigen Eindruck erwecken kann. Bei Mehrdeutigkeit eines Ausdrucks

muß der Ankündigende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich

gelten lassen (stRsp ÖBl 1993, 161 = ecolex 1993, 760 = WBl 1994, 31

- "Verhundertfachen Sie Ihr Geld" uva). Auch eine an sich richtige

Behauptung kann, insbesondere durch die Form, in die sie gekleidet

wird, oder durch den Gebrauch irreführender Wendungen, gegen § 2 UWG

verstoßen, wenn ihr, trotz sachlicher Richtigkeit, vom

Adressatenkreis etwas Unwahres entnommen werden kann. Maßgebend ist

der Wortlaut und die ihm beigelegte Bedeutung, wobei der

Gesamteindruck entscheidend ist, den die Ankündigung auf einen nicht

ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise macht (RdW 1993, 76

= ecolex 1993, 253 = WBl 1993, 164 - Naturkautschuk; s auch ecolex

1992, 35 = WBl 1992, 99 - Nur kurze Zeit).

Die Frage, welche Wirkung eine Werbeaussage auf die beteiligten Verkehrskreise hat, ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihrer Beurteilung die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen; sie ist aber immer dann eine Tatfrage, wenn dies nicht der Fall ist (ÖBl 1982, 123 - Staatlich befugter Konsulent; ÖBl 1990, 170 - Tolle Duos; JBl 1993, 330 - Webpelz [Berka]; ecolex 1993, 178 = WBl 1993, 96 - Neueröffnung; MR 1993, 116 = WBl 1993, 337 - Reichweitenrekord; MR 1995, 189 - Österreichs größte Qualitäts-Zeitung ua).

Für die Beurteilung, ob die Aufmachung von Compact-Discs und Musikkassetten zur Irreführung geeignet ist, reichen die Erfahrungen des täglichen Lebens aus. Die Vorinstanzen haben diese Frage daher zu Recht als Rechtsfrage behandelt. Auch ihre Beurteilung, daß die Bezeichnung der Compact-Discs und Musikkassetten mit "Atlantis & Hans Liner - 20 neue Top-Volltreffer" den Eindruck erweckt, die Tonträger enthielten Aufnahmen der Musikgruppe "Atlantis" in der nunmehrigen Besetzung (das heißt mit Hans Liner), kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Zur Irreführung geeignet ist die Aufmachung daher unabhängig davon, ob unter "neu" im Zusammenhang mit Musikstücken "unveröffentlicht" verstanden wird.

Wettbewerbswidrig handelt die Beklagte, weil sie die Tonträger in einer Aufmachung vertreibt, die zur Irreführung geeignet ist. Nur dieses Verhalten kann ihr untersagt werden. Die Herstellung der Tonträger ist, für sich allein genommen, nicht wettbewerbswidrig, weil sie, anders zB als die Erzeugung sklavisch nachgeahmter Ware (ÖBl 1964, 89 - Steiff), nicht als Vorbereitungshandlung für das beanstandete Verhalten (hier: Vertrieb in irreführender Aufmachung) gewertet werden kann. Tonträger werden auch nicht "unter einer bestimmten Bezeichnung" hergestellt, sondern die Compact-Discs und Musikkassetten werden, nachdem sie hergestellt sind, in bestimmter (hier: zur Irreführung geeigneter) Weise aufgemacht.

Dem Revisionsrekurs war teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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