OGH 3Ob2085/96f

OGH3Ob2085/96f27.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Madeleine L*****, vertreten durch Dr.Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Rudolf Z*****, vertreten durch Mag.Dr.Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen (§ 354 EO) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 21.November 1995, GZ 46 R 748/95-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 10.April 1995, GZ 11 E 2561/92-33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird im stattgebenden Teil und im Kostenpunkt aufgehoben; in diesem Umfang wird dem Rekursgericht die neue Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 20.12.1991, GZ 1 Cg 98/86-86, bewilligte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Titelgericht der betreibenden Partei gegen die verpflichtete Partei zur Erzwingung des vollstreckbaren Anspruches, über die Verwaltung des Vermögens der am 5.4.1983 verstorbenen Irene F***** für die Zeit vom 1.3.1980 bis 5.4.1983 schriftlich Rechnung zu legen, das heißt, einen ziffernmäßig genauen Bericht über die Verwendung der dem Verpflichteten zugeflossenen Werte, detailliert unter Angabe des Verwendungszweckes der Zahlungen, ordnungsgemäß zusammengestellt, formell vollständig, unter dem einzelnen Ausweis der Einnahmen und Ausgaben unter Vorlage der Belege zu erstatten, und zwar in Ansehung

a) des Hauses in Wien 18, W*****straße *****,

b) der Firma Blasius F*****,

c) des bei der ATAG, A***** Treuhand AG *****, in der Schweiz angelegten Vermögens, vor allem über die Behebung von 1980-1981 von SFR 81.000,--, 1981-1982 von SFR 284.000,-- und am 22.3.1983 von SFR 86.700,--,

d) des Bankkontos lautend auf Irene F***** bei der Kreissparkasse *****, BRD, Zweigstelle ***** mit der Kontonummer *****,

und nach Vorlage der Rechnung einen Eid dahin zu leisten, daß seine Angaben richtig und vollständig sind, die Exekution gemäß § 354 EO.

Ungeachtet einer vom seinerzeitigen Rechtsvertreter des Verpflichteten am 22.1.1992 dem Exekutionsgericht Wien übermittelten (ON 3), vom Verpflichteten vor diesem Gericht am 5.2.1992 eidlich bekräftigten (ON 5) Rechnungslegung erwirkte die betreibende Partei zuletzt den Strafbeschluß vom 8.2.1995 (ON 20), mit dem über den Verpflichteten eine Geldstrafe von S 25.000,-- verhängt und ihm eine weitere Geldstrafe von S 50.000,-- für den Fall angedroht wurde, daß er der titelmäßigen Rechnungslegungsverpflichtung nicht binnen 4 Wochen nachkomme. Dieser Beschluß wurde dem (Rechtsvertreter des) Verpflichteten am 13.2.1995 zugestellt. Nach Ablauf der Vierwochenfrist langte am 15.3.1995 ein am 7.3.1995 datierter Schriftsatz des Verpflichteten beim Erstgericht ein, mit dem eine "Rechnungslegung samt Beilagenkonvolut (ON 26)" zweifach vorgelegt und die Anberaumung einer Eidestagsatzung beantragt wurde. (Diese Eingabe wurde der betreibenden Partei sodann erst am 18.4.1995 zugemittelt.)

Am 20.3.1995 (ON 27) stellte die betreibende Partei unter Hinweis auf den Ablauf der Rechnungslegungsfrist den Antrag, über den Verpflichteten die angedrohte Geldstrafe von S 50.000,-- zu verhängen und ihm für den Fall, daß er der Rechnungslegungspflicht nicht binnen weiterer vier Wochen nachkomme, Haft in der Dauer von 14 Tagen anzudrohen (sowie ihr zur Hereinbringung der Antragskosten die Fahrnisexekution zu bewilligen). Das Erstgericht verfügte die Zustellung der Rechnungslegung samt Beilagen an den Vertreter der betreibenden Partei (ON 30), nahm am 28.3.1995 dem ohne Vorladung zur Eidesleistung erschienenen Verpflichteten den Eid über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung (ON 26) ab (ON 31) und wies mit Beschluß vom 10.4.1995 (ON 33) den Strafantrag der betreibenden Partei (ON 27) ab, weil der Verpflichtete - wenn auch etwas verspätet - eine formell vollständige Rechnung gelegt habe und daher eine Beugestrafe nicht mehr über ihn zu verhängen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß verhängte das Gericht zweiter Instanz im teilweiser Stattgebung des Rekurses der betreibenden Partei über den Verpflichteten die beantragte Geldstrafe von S 50.000,-- und drohte ihm für den Fall neuerlicher Säumnis mit der Rechnungslegung binnen weiterer vier Wochen eine weitere Geldstrafe von S 60.000,-- an (das Mehrbegehren der betreibenden Partei, dem Verpflichteten Haft in der Dauer von 14 Tagen anzudrohen und ihr die Fahrnisexekution zur Hereinbringung der Antragskosten zu bewilligen, wies es ab, eine Äußerung der verpflichteten Partei zum Rekurs der betreibenden Partei wies es zurück). Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da der Verpflichtete gegenüber der betreibenden Partei nicht innerhalb der im Strafbeschluß (ON 20) gesetzten Frist Rechnung gelegt habe, hätte das Erstgericht - selbst bei formeller Vollständigkeit seiner Rechnungslegung - die angedrohte Geldstrafe verhängen müssen; denn nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (3 Ob 12/93 ua) handle es sich bei den Strafen nach den §§ 354, 355 EO nicht um reine Beugestrafen, vielmehr komme ihnen auch ein repressiver, unterdrückender Charakter zu. Lege der Verpflichtete nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist dem Gericht gegenüber Rechnung und behaupte die Erfüllung des betriebenen Anspruches, so könne diese (verspätete) Rechnungslegung nicht zum Anlaß genommen werden, den noch offenen Strafantrag der betreibenden Partei abzuweisen. Im Falle einer solchen verfristeten Rechnungslegung obliege es vielmehr dem Verpflichteten, die Erfüllung des betriebenen Anspruches zu behaupten und die Einstellung der Exekution gemäß § 40 EO zu beantragen. Ein derartiger Antrag sei sodann der betreibenden Partei - schon aus Zweckmäßigkeitsgründen - zur Äußerung zuzustellen. Sei sodann nach dem Ergebnis dieser Einvernahme die Entscheidung von der Ermittlung und Feststellung streitiger Tatumstände abhängig, sei der Verpflichtete mit seinem Einstellungsantrag gemäß § 40 Abs 2 EO auf den Rechtsweg zu verweisen. Schon wegen der eingetretenen Säumnis mit der Vorlage der Rechnungslegung sei dem Strafantrag der betreibenden Partei zu entsprechen, ohne daß die gegen die - vom Erstrichter angenommene - formelle Vollständigkeit dieser Rechnungslegung vorgetragenen Argumente des Rekurses zu prüfen seien. Eine Haftstrafe sei dem Verpflichteten allerdings nicht anzudrohen, weil der dafür maßgebliche Sachverhalt nicht gemäß § 361 EO bewiesen sei. Im weiteren Verfahren werde der Verpflichtete unter Hinweis auf die vorgelegte Rechnungslegung, allenfalls nach Ergänzung derselben in einzelnen Punkten, die Einstellung der Exekution gemäß § 40 EO zu beantragen haben, worüber sodann das oben dargestellte Verfahren abzuführen sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung - erkennbar nur gegen den ihn belastenden Teil derselben - erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig und berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat unzutreffend die in der Rechtsprechung des erkennenden Senates den im Rahmen der Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen gemäß § 355 EO verhängten Strafen seit der Entscheidung 3 Ob 12/93 (= SZ 66/74 = ecolex 1993, 686 ua; aufrechterhalten in weiteren Entscheidungen wie 3 Ob 8/94, 3 Ob 13/95 ua) beigemessenen Repressiv- / Unterdrückungscharakter auch auf die Strafen im Rahmen der Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen gemäß § 354 EO erstreckt. Vielmehr entspricht es herrschender Ansicht, daß die gemäß § 354 EO zu vollziehenden Geld- und Haftstrafen keinen repressiven, sondern nur einen auf die künftige Willensbeugung des Verpflichteten abzielenden (Beuge-)Zweck haben (EvBl 1995/125 mwN). Daran ist auch festzuhalten. Unter diesem Aspekt kommt aber im vorliegenden Fall der Frage, ob die - wenn auch gegenüber dem Gericht knapp, gegenüber der betreibenden Partei erheblich - verspätete, aber (offenbar Intentionen beider Parteien entsprechend gegenüber dem Gericht erstattete) Rechnungslegung des Verpflichteten formell vollständig und damit im Sinne der herrschenden Auffassung (für viele RPflSlgE 1983/27; 1976/134; SZ 25/99 ua; Heller/Berger/Stix 2567 ff) anspruchserfüllend (-vernichtend) war, entscheidende Bedeutung zu. Soll nämlich der Beugecharakter einer beantragten aber noch nicht verhängten Strafe gemäß § 354 EO nicht sinnentleert sein, so kann nach titelgemäßer vollständiger Erbringung der betriebenen unvertretbaren Handlung eine Strafverhängung ihren allgemein anerkannten Zweck nicht mehr erreichen. Da aus der Lösung der erheblichen Rechtsfrage über den Beugecharakter der Strafen nach § 354 EO zur abschließenden Entscheidung über den Strafantrag der betreibenden Partei (ON 27) die Notwendigkeit der näheren Prüfung der gegen die formelle Vollständigkeit der Rechnungslegung im Rekurs vorgetragenen Argumente besteht, ist zur näheren Prüfung der einzelnen Ausspruchsgrundlagen mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen (§§ 78 EO, 528a, 510 Abs 1 letzter Satz ZPO). Eine sofortige Überprüfung der von der betreibenden Partei bestrittenen vollen Erfüllung der Judikatschuld durch den Obersten Gerichtshof wurde, sollte das Rekursgericht die Ansicht des Erstgerichtes teilen, eine Instanz eröffnen, die sie bei Konformatbeschlüssen nicht einrufen könnte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 78 (74) EO, 52 ZPO.

Stichworte