OGH 10ObS2072/96w

OGH10ObS2072/96w26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Lang (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Erich Huhndorf (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert S*****, ohne Beschäftigungsangabe, ***** vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, wegen Feststellung und Krankengeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Juni 1995, GZ 7 Rs 33/95-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.November 1994, GZ 5 Cgs 66/94w-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 8.3.1994 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag des Klägers auf Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 4. bis 31.1.1994 und des daraus resultierenden Anspruches auf Krankengeld, auch wenn dieser wegen Entgeltfortzahlung ruhe, unter Bezugnahme auf § 120 Abs 1 Z 2 ASVG im Zusammenhang mit Z 33 und 36 der Krankenordnung ab.

In der rechtzeitigen Klage begehrt der Kläger 1. die Feststellung, daß er vom 4. bis 31.1.1994 infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei, 2. Krankengeld für den genannten Zeitraum nach den Bestimmungen des ASVG. Er sei am 4.1.1994 an Grippe erkrankt und bettlägerig gewesen. Da die Ordination seines Hausarztes, Dr.Paul K***** (in der Folge Dr.K) vom 1. bis 9.1.1994 unbesetzt gewesen sei, habe er dort am 10.1. telefonisch um rückwirkende Krankmeldung ersucht, die von der Ordinationshilfe mit 7.1. vorgenommen worden sei. Den Kontrolltermin am 20.1. habe er wegen eines Rückfalls nicht wahrnehmen können und dies telefonisch der genannten Ordinationshilfe mitgeteilt. Am 27.1. sei er in die Ordination gegangen und von der Ordinationshilfe per 31.1. gesundgeschrieben worden. Mit Dr.K habe er nicht gesprochen. Am 28.1. habe er von seinem Dienstgeber ein Entlassungsschreiben erhalten. Dadurch sei er darauf aufmerksam geworden, daß mit der Krankmeldung etwas schiefgelaufen sei. Zu dieser Zeit sei ihm auch ein Schreiben der Gebietskrankenkasse zugegangen. Deren Kontrollor, der angeblich am 18.1. an seiner Wohnungstür geläutet habe, habe er nicht gehört. Eine angeblich an seiner Wohnungstür hinterlegte Einladung zum Bezirksstellenarzt habe er nicht vorgefunden. Nach der Entlassung habe er vom Dienstgeber kein Entgelt mehr erhalten.

Die Beklagte beantragte die "Zurückweisung" der Klage. Sie wendete ein, daß das Telefon der vom 1. bis 9.1.1994 unbesetzten Ordination Dr.Ks zur Wiener Ärztezentrale umgestellt gewesen sei. An der Ordinationstafel seien zwei praktische Vertragsärzte in der näheren Umgebung namhaft gemacht gewesen. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten behauptet, er habe sich am 10.1. telefonisch an die Ordination Dr.Ks gewendet, um ab 4.1. wegen Grippe und Bettlägerigkeit "krankgemeldet" zu werden. Dabei sei er für den 20.1. in die Ordination bestellt worden. Diesen Termin habe er wegen eines Rückfalles nicht einhalten können, was er an diesem Tag der Ordinationshilfe telefonisch mitgeteilt habe. Am 27.1. sei er in der Ordination gewesen und von der Ordinationshilfe problemlos mit 31.1. abgeschrieben worden. Nach Angabe Dr.Ks habe seine Ordinationshilfe am 10.1. die Krankmeldung ausgefüllt und den Kläger für den 20.1. in die Ordination bestellt. An diesem Tag sei er nicht erschienen, eine telefonische Meldung sei nicht erinnerlich. Dr.K habe dies an einem der folgenden Tage der Bezirksstelle 21 der Beklagten auf telefonische Anfrage mitgeteilt. Da die Krankmeldung vom 10.1. noch bei der Ordinationshilfe in Evidenz gelegen sei, habe sie irrtümlich und auf Wunsch des Klägers den Krankenstand bis 31.1. bestätigt. Am 18.1. habe ein Mitarbeiter der Beklagten den Kläger um 12.20 Uhr besuchen wollen. Da ihm nicht geöffnet worden sei, habe er an der Wohnungstür eine Einladung zum Bezirksstellenarzt für den 19.1. hinterlassen, der der Kläger nicht entsprochen habe. Der Kläger habe auch keinen telefonischen Kontakt zur Bezirksstelle aufgenommen. Deshalb sei der Krankenstand mit 19.1. ex officio beendet worden. Davon seien der Kläger und sein Dienstgeber mit einem Schreiben vom 25.1. verständigt worden. Da der Kläger in der Zeit vom 4. bis 31.1.1994 ärztliche Hilfe im Rahmen der Krankenbehandlung nicht in Anspruch genommen habe, sei seine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht nachweisbar. Auch seine Ortsanwesenheit an der Krankmeldungsadresse habe nicht festgestellt werden können.

Das Erstgericht wies beide Begehren ab.

Es stellte im wesentlichen fest: Der am 20.7.1961 geborene Kläger war bis 28.1.1994, an welchem Tag er das Entlassungsschreiben erhielt, bei einer Wiener Autofirma als Ersatzteilverkäufer beschäftigt. Bis vor acht Jahren wohnte der Kläger im 8.Bezirk. Seither bewohnt er allein eine etwa 100 m2 große Wohnung mit Telefonanschluß im

21. Bezirk. Den praktischen Arzt Dr.K suchte der Kläger 1988 und zuletzt Ende 1991 auf. Ab Beginn 1994 hatte er für den Monat Jänner vollen Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 AngG gegenüber seinem Diensgeber. Ab dem 4.1.1994 (Dienstag) blieb der Kläger der Arbeit fern, da er sich wegen eines grippalen Infektes krank und arbeitsunfähig fühlte. Als er am 5.1. in der Ordination Dr.Ks anrief, erfuhr er über die Ärztezentrale, daß der genannte Arzt erst wieder am 10.1. (Montag) ordiniere. Der Kläger wandte sich weder an einen Vertretungsarzt noch an einen anderen praktischen Arzt, sondern meldete sich am 10.1. bei der Ordinationshilfe Dr.Ks telefonisch krank. Ohne persönliche ärztliche Untersuchung wurde von Dr.K am genannten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung ausgestellt, und der Kläger für den 20.1. (Donnerstag) bestellt. An diesem Tag teilte er der Ordinationshilfe Dr.Ks telefonisch mit, er könne den Untersuchungstermin nicht einhalten, weil es ihm nicht gutgehe. Daraufhin wurde er von der Ordinationshilfe aufgefordert, in den nächsten Tagen persönlich in die Ordination zu kommen. Das tat er am 27.1., sprach jedoch nur mit der Ordinationshilfe und ließ sich mit 31.1. vom Krankenstand abschreiben. Bei diesem Ordinationsbesuch wurde er von Dr.K nicht untersucht und es gab auch kein persönliches Gespräch mit diesem Arzt. Die Abschreibung vom Krankenstand erfolgte ausschließlich auf Grund der Kontaktaufnahme mit der Ordinationgehilfin. Am 18.1. versuchte ein Kontrollor der Beklagten, den Kläger aufzusuchen, fand aber die Wohnung verschlossen. Er hinterließ an der Wohnungstür eine Einladung zum Bezirksstellenarzt für den 19.1. Der Kläger ignorierte diese Einladung. Der Krankenstand wurde von der Beklagten am 25.1. mit 19.1. für beendet erklärt. Davon wurden der Kläger und dessen Dienstgeber verständigt. Aufgrund der Krankenstandsbeendigungserklärung und des Nichtantrittes der Arbeit wurde der Kläger fristlos entlassen. Das Entlassungsschreiben wurde ihm am 28.1.1994 zugestellt. Die Beklagte hat die Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Krankheit für die Zeit vom 10.1. bis 19.1.1994 anerkannt. Eine "darüber hinausgehende" Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 4. bis 31.1.1994 ist nicht nachgewiesen. Im Normalfall dauert ein Krankenstand bei einem grippalen Infekt etwa eine Woche.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes seien die Klagebegehren nicht berechtigt, weil dem Kläger der Beweis nicht gelungen sei, daß er im klagegegenständlichen Zeitraum arbeitsunfähig infolge Krankheit gewesen sei. Bis zum Erhalt des Entlassungsschreibens fehle ihm auch das rechtliche Interesse am Feststellungsbegehren, weil er nach § 8 AngG einen Entgeltfortzahlungsanspruch hätte. Deshalb sei auch das Leistungsbegehren nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer in Verbindung mit dem gesamten Akteninhalt überzeugenden und lebensnahen Beweiswürdigung. Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß Dr.K die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit vom 10. bis 19.1.1994 bestätigt und die Beklagte die Arbeitsunfähigkeit in dieser Zeit anerkannt habe. Da der Vertragsarzt Dr.K das nach § 120 ASVG erforderliche Vorliegen einer Krankheit ab dem 19.1.1994 nachträglich verneint habe, sei die zuvor irrtümlich erteilte Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit bis 31.1.1994 gegenstandslos geworden. Den Beweis, daß der Kläger in der Zeit vom

4. bis 9.1. und vom 19. bis 31.1.1994 arbeitsunfähig infolge Krankheit gewesen sei, habe er nicht erbracht. Das Feststellungsbegehren sei schon wegen der Subsidiarität gegenüber dem für denselben Zeitraum erhobenen Leistungsbegehren abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist - entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - auch bei Fehlen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil es beim Krankengeld um wiederkehrende Leistungen in Sozialrechtssachen geht (SSV-NF 7/67; 8/2 und 120). Der Revisionswerber beantragt, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben. Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 502 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit).

Die Rechtsrüge versagt schon aus folgenden Gründen:

Pflichtversicherte sowie aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene nach § 122 Anspruchsberechtigte haben nach § 138 Abs 1 ASVG aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld. Der Anspruch auf Krankengeld ruht aber ua, solange der Versicherte auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 vH der vollen Geld- und Sachbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hat (§ 143 Z 3 erster Halbsatz ASVG). Selbst wenn der Kläger vor dem 10.1. und nach 18.1.1994 arbeitsunfähig infolge Krankheit gewesen wäre und Anspruch auf Krankengeld hätte, würde dieser Anspruch ruhen. Der Kläger wäre nämlich dann durch Krankheit an der Leistung seiner Dienste verhindert gewesen und hätte als Angestellter seinen Anspruch auf Entgelt mindestens bis zur Dauer von sechs Wochen behalten (§ 8 Abs 1 und § 9 Abs 1 AngG). Schon aus diesem Grund ist das Leistungsbegehren abzuweisen.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zur Abweisung des Feststellungsbegehrens ist richtig (§ 48 ASGG). Deshalb ist auf die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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