OGH 12Os13/96

OGH12Os13/9621.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Rauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard St***** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 31.Oktober 1995, GZ 36 Vr 3672/93-345, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Gerhard St***** wurde des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Demnach hat er zumindest vom 10.Mai 1991 bis März 1994 in Innsbruck gewerbsmäßig im Nachtlokal N***** Animierdamen aus dem Ausland, nämlich Maria S***** aus der ehemaligen CSSR, Aline A***** und Zigomar C*****, jeweils aus Brasilien, der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen, zugeführt, indem er mit ihnen Einstellungsgespräche führte, für sie Wohnungen besorgte, ihnen die Räumlichkeiten für die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht zeigte, die hiefür zu entrichtenden Preise festsetzte und sie mit anderen Prostituierten bekannt machte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt schon Berechtigung zu, soweit im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) eine wesentliche Verfahrensergebnisse betreffende Unvollständigkeit der Urteilsgründe geltend gemacht wird. Das Erstgericht konnte zwar seine für die Tatbestandsverwirklichung nach § 217 Abs 1 StGB wesent- lichen Feststellungen, daß die im Spruch bezeichneten Ausländerinnen in Innsbruck der gewerbsmäßigen Prostitution nachgingen, auf eine Reihe von Verfahrensergebnissen stützen, war dabei jedoch nach Maßgabe der in § 270 Abs 2 Z 5 StPO verankerten Begründungspflicht im Sinn der Beschwerdeargumentation auch zur Erörterung jener Verfahrensergebnisse verhalten, die den hier bekämpften Konstatierungen zuwiderliefen. Davon ausgehend hätte es aber in den Urteilsgründen einer Erörterung der Aussagen der in Rede stehenden Zeuginnen in der Hauptverhandlung bedurft, wonach sich diese auf bloße Animiertätigkeit und Tanzdarbietungen beriefen, die Prostitutionsausübung jedoch in Abrede stellten (253, 255, 271, 275/V). Da der solcherart zutreffend reklamierte Begründungsmangel eine ent- scheidende Tatsache betrifft, zeigt sich, ohne daß auf weitere Beschwerdeeinwände einzugehen ist, daß (mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine abschließende Sach- entscheidung des Obersten Gerichtshofes) die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§ 285 e StPO). Es war daher spruchgemäß mit Aufhebung des angefochtenen Urteils vorzugehen und der Angeklagte mit seiner außerdem erhobenen, nunmehr gegenstandslos gewordenen Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im Rahmen der Verfahrenserneuerung wird materiellrechtlich zu beachten sein, daß ein nach § 217 Abs 1 StGB faßbares "Zuführen" eine gezielte und massive Einflußnahme auf die tatbetroffene Person voraussetzt, die die Gefahr umfassender Abhängigkeit bis hin zum Verlust der sexuellen Dispositionsfreiheit aktualisiert, welche Kriterien im Fall einer bloßen Unterstützung zur Prostitution bereits Entschlossener für sich allein nicht erfüllt sind (12 Os 165/91). Auf eine entsprechende Klarstellung der dazu entscheidenden Tatsachengrundlagen wird hinzuwirken sein.

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