OGH 12Os165/91

OGH12Os165/9120.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weixelbraun als Schriftführer in der Strafsache gegen Arnold Walter Johann Friedrich K***** u.a. wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Arnold Walter Johann Friedrich K*****, Manfred Alois S***** und Hubert K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 23.Oktober 1991, GZ 35 Vr 2212/90-100, sowie über die Beschwerde des Angeklagten K***** gegen den gemäß § 494 a Abs. 7 StPO gefaßten Widerrufsbeschluß, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das gefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 erster Fall StGB (Punkt I. des Urteilssatzes) und in den sie betreffenden Strafaussprüchen sowie demgemäß auch der hinsichtlich des Angeklagten K***** gemäß § 494 a Abs. 7 StPO gefaßte Verlängerungsbeschluß aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Angeklagten werden mit ihren Berufungen, der Angeklagte K***** überdies mit seiner Beschwerde gegen den erwähnten Beschluß auf die obige Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 28.August 1968 geborene Arnold Walter Johann Friedrich K*****, der am 20.September 1964 geborene Manfred Alois S***** und der am 10.Juli 1960 geborene Hubert K***** wurden ua des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 erster Fall StGB schuldig erkannt (Punkt I des Urteilssatzes), weil sie - zusammengefaßt wiedergegeben - im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Ralph L***** Ende Oktober 1990 die beiden tschechoslowakischen Staatsangehörigen Helena N. und Zlata H***** dadurch der gewerbsmäßigen Unzucht in Österreich zuführten "bzw" dazu anwarben, daß sie sie von Prag, wo sie auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, nach Salzburg brachten, wo sie sie an Animierlokale, in denen sie auch als Prostutierte tätig sein sollten, vermittelten.

In ihren dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden reklamieren die Angeklagten der Sache nach schwergewichtigen Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) in Ansehung des Schuldvorwurfs, sie hätten die beiden Ausländerinnen in Österreich der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt und/oder dazu angeworben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rügen sind begründet.

Der Begriff des "Zuführens" zur gewerbsmäßigen Unzucht setzt eine wesentlich massivere Einwirkung auf das Schutzobjekt voraus als das Zuführen zu einer einzelnen unzüchtigen Handlung im Sinne der §§ 213, 214 StGB. Zuführen im Sinne des § 217 StGB verlangt vielmehr eine gezielte Einflußnahme auf das Schutzobjekt in Richtung einer Umwandlung von dessen gesamter Lebensführung, und zwar dahin, daß die betreffende Person diese zwecks (nunmehriger oder weiterer) Ausübung der Prostitution (iS dieser Strafbestimmung) in einen für sie fremden Staat verlagert. Dabei genügt ein bloßes Verleiten (zB Beraten) zur Herstellung des Tatbestandes ebensowenig wie die bloße Unterstützung einer zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat entschlossenen Person, etwa durch Befördern, Bezahlung der Reisekosten oder Zimmersuche, weil Zuführen eben mehr als bloße Hilfe bedeutet und die Einflußnahme, soll sie dem Begriff des Menschenhandels entsprechen, mit Rat und Tat geschehen muß. Vorliegend von essentieller Bedeutung ist ferner, daß das Angebot oder das Inaussichtstellen der (freiwilligen) Möglichkeit von Prostutitionsausübung, zB für Tänzerinnen, den Tatbestand nicht erfüllt (siehe zu all dem Pallin in WK Rz 5 und 5 a zu § 217 StGB und die dort angeführte Literatur und Judikatur).

"Anwerben" hinwieder bedeutet hier: Jemanden zur Ausübung der Prostitution (im Ausland) verpflichten.

Die Beschwerdeführer - namentlich die Angeklagten K***** und S***** - weisen nun mit Recht darauf hin, daß anhand der weitgehend unsubstantiierten Urteilskonstatierungen die Frage, ob die vorsatzgesteuerten Aktivitäten der Angeklagten und der dadurch bewirkte (oder zumindest angestrebte) Erfolg bei der oben umrissenen Rechtslage den Tatbestand nach § 217 Abs. 1 StGB realisieren, nicht beantwortet werden kann. Bleibt doch nicht nur im Dunkeln, welche gezielte Einflußnahme die Angeklagten auf den Willen der Mädchen ausübten und worin ihre Vermittlungstätigkeit in Ansehung jener beiden Clubs bestand, in denen Helene N. und Zlata H***** - nach Ansicht des Erstgerichts - der gewerbsmäßigen Unzucht tatsächlich nachgingen (Jasmin-Club der Evelyn S***** und - nicht weiter spezifizierter - Club in Hallein), sondern wird darüber hinaus in keiner Weise konkretisiert, wie die Vereinbarungen zwischen den Lokalinhabern und den Mädchen über deren Tätigkeit in dem von den Angeklagten zunächst ins Auge gefaßten Nachtclub beschaffen sein sollten (Roma-Club des Felix P***** - auch P*****) und wie sie an ihren späteren Arbeitsplätzen tatsächlich gestaltet waren (Jasmin-Club; Club in Hallein). Da durch § 217 StGB die betreffenden Frauen namentlich davor bewahrt werden sollen, in Abhängigkeit von anderen zu geraten und ihre sexuelle Dispositionsfreiheit zu verlieren (Pallin aaO Rz 1), sind in bezug auf die - alternative (vgl SSt 53/47) - Begehungsart des "Anwerbens" vor allem exakte Konstatierungen darüber erforderlich, welche Dienstverträge mit den Mädchen abgeschlossen werden sollten bzw abgeschlossen wurden, und zwar insbesondere dahin, ob sie darnach in den betreffenden Clubs wohnten und ob (sowie allenfalls inwieweit) sie zumindest faktisch verpflichtet waren, Gästen des Lokals sexuell zu Willen zu sein, oder ob ihnen von den Dienstgebern lediglich die Möglichkeit eingeräumt wurde, mit Gästen freiwillig und nach ihrem Gutdünken Separees zwecks Ausübung entgeltlicher Unzucht aufzusuchen. Völlig ungeklärt blieb in diesem Zusammenhang ferner, ob die in den fraglichen Clubs beschäftigten Mädchen als Prostituierte registriert zu werden pflegten und - falls dies zutrifft - ob auch Zlata H***** (Gabi) bereits registriert war, als sie im Jasmin-Club arbeitete, und wie es sich diesbezüglich mit "Helena" im Halleiner Club verhielt.

Da die aufgezeigten Feststellungsmängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung der betreffenden Schuldsprüche vorzugehen (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, in eine meritorische Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens einzugehen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die Beseitigung der Strafaussprüche, der Angeklagte K***** überdies mit seiner Beschwerde auf die Kassierung des damit bekämpften Beschlusses zu verweisen.

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