Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin wurde am 15.11.1988 bei einem vom Zweitbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Das vom Zweitbeklagten gelenkte und gehaltene Fahrzeug ist bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversichert.
Mit Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 28.11.1991 wurde festgestellt, daß die Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand für alle nachteiligen Folgen aus diesem Verkehrsunfall haften; der Haftpflichtversicherer jedoch nur bis zur Höhe der Haftungssummen aufgrund des abgeschlossenen Versicherungsvertrages.
Mit der beim Erstgericht am 24.7.1992 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin den Ersatz nachstehender Beträge:
Abschleppkosten S 408
Wertersatz für das beim Unfall zerstörte Radio S 2.000
Honorar für eine Ordination bei
Prim. Dr.Kurt R***** vom 24.9.1990 S 600
Honorar für ein HNO-Gutachten vom 16.10.
1990 S 1.200
Honorar für ein HNO-Gutachten vom 26.2.1991 S 1.200
Kosten einer Septo-Rhinoplastik vom 13.3.
1991 S 40.000
Zahnarztkosten aufgrund einer Rechnung vom
17.2.1989 S 6.000
Zahnregulierungskosten S 54.000
Kosten für Kontaktlinsen und Augentropfen
laut Honorarnote vom 5.2.1991 S 6.210
Schmerzengeldrest (nach einer Akontozahlung
von S 100.000) S 150.000
Kosten für Fahrten zu ambulanten Behandlungen
und Begutachtungen S 6.000
S 267.618.
Die Beklagten erhoben die Einrede der Verjährung, weil durch eine Feststellungsklage nur die Verjährungsfrist solcher Ansprüche unterbrochen werde, die bei Klagseinbringung noch nicht fällig seien. Hinsichtlich der Zahnregulierungskosten über S 54.000 und der Zahnarztkosten über S 6.000 wurde auch die Kausalität des Unfallsereignisses bestritten und hinsichtlich der Kosten für die Nasenoperation die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin mit der Begründung eingewendet, daß diese Kosten vom Sozialversicherungsträger zu übernehmen seien.
Die Klägerin vertrat dem gegenüber die Ansicht, daß aufgrund des Feststellungsurteils die 30-jährige Verjährungsfrist gelte. Darüber hinaus habe die Erstbeklagte die im Schreiben des Klagevertreters vom 2.4.1991 konkret geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht abgelehnt, so daß der Lauf der Verjährungsfrist nach § 23 KHVG gehemmt sei.
Mit Zwischenurteil vom 27.11.1992 erkannte das Erstgericht die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach als zu Recht bestehend.
Dieses Urteil wurde aufgrund der Berufung der Beklagten, soweit es den aus dem Titel der HNO-Gutachten vom 16.10.1990 und 26.2.1990 geltend gemachten Klagsanspruch betrifft (S 2.400 sA), einschließlich des darauf entfallenden vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben und die Klage hinsichtlich dieses Teilbetrages zurückgewiesen. Im übrigen wurde das Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (Beschluß vom 18.3.1993).
In der Folge dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren um S 12.000 an Zahnregulierungskosten und um S 3.000 an Reisekosten aus. Insgesamt begehrte sie nunmehr (nach einer weiteren Einschränkung) die Zahlung von S 278.000 sA.
Nunmehr erklärte das Erstgericht die Beklagten für schuldig, der Klägerin den Betrag von S 207.008 samt Zinsen zu bezahlen, das Mehrbegehren von S 70.992 wurde rechtskräftig abgewiesen.
Der vom Erstgericht zugesprochene Betrag errechnet sich wie folgt:
Ordination Dr.R***** vom 24.9.1990 S 600
Septo-Rhinoplastik vom 13.3.1991 S 40.000
Abschleppkosten S 408
Ersatz für Radio S 2.000
Zahnkrone S 6.000
restliches Schmerzengeld S 150.000
Fahrtkosten S 5.000
S 1.000
Ersatz für Kontaktlinsen S 2.000
zusammen S 207.008.
Das Erstgericht verneinte die Berechtigung des Einwandes der Verjährung mit der Begründung, daß durch die Feststellungsklage die Verjährungsfrist unterbrochen worden sei. Den Anspruch auf Ersatz der Zahnregulierungskosten sowie den Ersatzanspruch für weiche Kontaktlinsen verneinte es. Die Klagslegitimation der Klägerin wurde bejaht.
Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich eines weiteren Betrages von S 40.000,-- sA ab; im übrigen, also hinsichtlich eines Betrages von S 167.008 samt Zinsen wurde die Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen, wohl aber der Rekurs an den Obersten Gerichtshof.
Zum Aufhebungsbeschluß führte das Berufungsgericht aus, die Rechtssache sei noch nicht spruchreif, weil die Berechtigung des von den Beklagten erhobenen Verjährungseinwandes noch nicht geprüft werden könne. Bereits im Aufhebungsbeschluß vom 18.3.1993 (erster Rechtsgang) sei ausgesprochen worden, daß selbst dann, wenn das Feststellungsurteil eine Einschränkung auf künftige Schäden nicht enthalte, die Einbringung der Feststellungsklage nur die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbreche, hinsichtlich der bereits fälligen Ersatzansprüche aber die Verjährungsfrist weiter laufe; weiters sei in diesem Beschluß ausgesprochen worden, daß nach § 23 Abs 2 KHVG (nunmehr § 27 Abs 2 KHVG) eine Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt sei. Das Erstgericht habe diese ihm überbundene Rechtsansicht nicht beachtet. Es werde daher im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu treffen haben, aufgrund derer die Fälligkeit der einzelnen Ansprüche beurteilt werden könne; weiters seien auch Feststellungen darüber notwendig, welche Ansprüche die Klägerin zu welchem Zeitpunkt gegenüber den Beklagten geltend gemacht habe und geltend machen konnte, welche Ansprüche also der Erstbeklagten gegenüber angemeldet und wie weit diese durch die Erstbeklagte schriftlich abgelehnt wurden. Es fehle auch eine Feststellung darüber, wann für die Klägerin eine Überblickbarkeit ihres Schmerzumfanges gegeben war.
Den Beklagten sei zuzugeben, daß der Oberste Gerichtshof auch ausgeführt habe, daß die Verjährung auch dann nicht eintrete, wenn nach Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die Klage eingebracht werde. Hätte das Erstgericht die im Aufhebungsbeschluß erteilten Aufträge erfüllt, wäre auch hervorgekommen, wie weit zwischen den Streitteilen Vergleichsgespräche stattgefunden haben oder nicht.
Schließlich fehle auch eine Feststellung über den Zeitpunkt der Einbringung der Klage, die zum Feststellungsurteil führte.
Wegen des Umfanges der nötigen Ergänzungen und Erörterungen und weil Weiterungen im Verfahren nicht ausgeschlossen werden könnten, scheide eine Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung durch das Berufungsgericht aus.
Zum abändernden Teil seiner Entscheidung führte das Berufungsgericht aus, daß die Klägerin hinsichtlich der Kosten für eine Rhinoplastik in der Höhe von 40.000 S zur Klage nicht legitimiert sei, weil der diesbezügliche Anspruch auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil in der Frage, welche Ansprüche ein Feststellungsurteil decke, das keine Einschränkung auf künftige Schadensfolge enthalte, wie auch in der Frage der Verjährung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 519 Abs 2 ZPO liege.
Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird beantragt, den Untergerichten eine andere Rechtsauffassung aufzutragen.
Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, den Rekurs als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Parteien ist zulässig, weil es keine eindeutige Rechtsprechung zum Zusammentreffen zwischen der Fortlaufshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG und der Ablaufshemmung durch Vergleichsverhandlungen gibt, er ist aber nicht berechtigt.
Die beklagten Parteien vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es wäre dem Berufungsgericht leicht möglich gewesen, die fehlenden Feststellungen durch Verlesung einzelner Protokolle und Gutachten zu treffen und die Rechtssache endgültig zu erledigen. Aus den vorliegenden Gutachten ergebe sich, daß sämtliche Schmerzengeldansprüche bereits am 6.6.1989 abschätzbar waren, spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es der Klägerin möglich gewesen, ihre Forderungen geltend zu machen.
Weiters wenden sich die Beklagten gegen die Rechtsansicht, die
Verjährung sei gemäß § 23 Abs 2 KHVG bis zur Zustellung einer
schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den
Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt. Diese Rechtsauffassung würde
bedeuten, daß es in der Hand des Geschädigten liege, durch Abbruch
von Vergleichsverhandlungen - in dem er zu einem unterbreiteten Anbot
einfach nicht mehr Stellung nimmt - den Ablauf der Verjährung ad
infinitum hinauszuschieben. § 23 KHVG solle lediglich vermeiden, daß
der Geschädigte zur Hintanhaltung der Verjährung zu gerichtlichen
Schritten genötigt werde, solange er davon ausgehen könne, daß die
Versicherung seinen Anspruch prüfe. Die Fortlaufshemmung ende jedoch
jedenfalls, sobald sich die Versicherung vergleichsbereit erkläre und
Vergleichsverhandlungen durchgeführt werden. Es obliege dem
Geschädigten, in diesem Fall bei Scheitern der
Vergleichsverhandlungen innerhalb angemessener Frist die Klage zu
überreichen.
Da im vorliegenden Fall Vergleichsverhandlungen geführt wurden und
die klagende Partei auf das Schreiben der erstbeklagten Partei vom
24.1.1991 innerhalb angemessener Frist nicht reagierte, sei Verjährung der Ansprüche des Klägers eingetreten.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Bei der Hemmungsbestimmung des § 27 Abs 2 KHVG 1994 (diese Bestimmung
entspricht dem § 23 KHVG 1987) handelt es sich um eine
Fortlaufshemmung dergestalt, daß nach dem Fortfall des
Hemmungsgrundes der bei Eintritt des Hemmungsgrundes noch nicht
abgelaufene Teil der Verjährungszeit abzulaufen hat, um die
Verjährung herbeizuführen (SZ 48/33 = ZVR 1976/51; ZVR 1976/291; ZVR
1985/50). Von dieser Fortlaufshemmung ist die Ablaufshemmung durch
Vergleichsgespräche zu unterscheiden. Bei Vergleichsverhandlungen
über die Abwicklung von Schadenersatzansprüchen handelt es sich weder
um eine Unterbrechung noch um eine Fortlaufshemmung der Verjährung,
sondern um einen von der Rechtsprechung herausgebildeten besonderen
Fall einer Ablaufshemmung. Die Verjährung tritt dann nicht ein, wenn
nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die
Klage eingebracht wird (SZ 48/33; Schubert in Rummel2, Rz 2 zu § 1501
mwN). Die Fortlaufshemmung nach § 27 Abs 2 KHVG und die
Ablaufshemmung durch Vergleichsgespräche bilden zwei verschiedene Hemmungsgründe und ist nicht einzusehen, weshalb die in § 27 Abs 2 KHVG gesetzlich angeordnete Fortlaufshemmung bei Vergleichsgesprächen nicht gelten sollte. Dem Argument des Rekurses der beklagten Parteien, es liege in der Hand des Geschädigten, durch Abbruch von Vergleichsverhandlungen - indem er zu einem unterbreiteten Anbot der Versicherung einfach nicht mehr Stellung nimmt - den Ablauf der Verjährung ad infinitum hinauszuschieben, ist entgegenzuhalten, daß die Versicherung ihr Anbot befristen kann und wenn sie dies nicht tut, die Regelung des § 862 Satz 2 ABGB Platz greift.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, daß durch die Einbringung der Feststellungsklage, der später stattgegeben wurde, nur die Verjährung aller zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen wurde (SZ 60/137; EFSlg 69.177 uva), und zwar auch dann, wenn das Feststellungsurteil keine Beschränkung auf künftige Leistungen enthält (2 Ob 108/88).
Der erkennende Senat billigt sohin die im Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes vertretene Rechtsansicht.
Auch der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Rückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung kann nicht entgegengetreten werden, weil das Berufungsgericht auch eine ergänzende Erörterung für nötig erachtete (siehe Kodek in Rechberger, Rz 6 zu § 496 mwN).
Der in der Rekursbeantwortung vertretenen Ansicht, die Verjährungsfrist könne nicht zu laufen beginnen, bevor der Ersatzanspruch bereits eingetreten ist, kann in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden. Wie der erkennende Senat erst jüngst in der Entscheidung 2 Ob 2019/96t ausgeführt hat, verbietet es der der Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechtes, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen. Ist ein, wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, sind alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und ist dieser dem Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (siehe auch 1 Ob 41,42/94).
Unrichtig ist auch die in der Rekursbeantwortung der klagenden Partei
vertretene Rechtsansicht, daß vor Abschluß der Heilbehandlung und der
Schmerzfreiheit keine endgültige Schadensbeurteilung möglich sei; in
die globale Bemessung des Schmerzengeldanspruches sind nämlich auch
die künftigen, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden
Schmerzen einzubeziehen. Eine Teilbemessung kann der Verletzte nur
dann begehren, wenn bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster
Instanz die Entwicklung des Leidenszustandes nicht mit erforderlicher
Sicherheit zu beurteilen ist, der Eintritt künftiger Schmerzen also
nicht vorhersehbar ist oder deren Ausmaß nicht abschätzbar ist
(Apathy, KommzEKHG, Rz 38 zu § 13 mwN; siehe auch EFSlg 69.177).
Dem unberechtigten Rekurs der beklagten Parteien war somit ein Erfolg
zu versagen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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