OGH 6Ob2027/96y

OGH6Ob2027/96y14.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schwarz, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 29.Oktober 1994 verstorbenen Rudolf Peter K*****, wegen Feststellung der Erbhofeigenschaft nach § 1 AnerbenG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der erblasserischen Witwe Margaretha Gisela K*****, vertreten durch Dr.Klaus Ender, Substitut des öffentlichen Notars Dr.Hermann Hager, Bezau, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 17.November 1995, GZ 2 R 325/95-46, womit infolge Rekurses der erblasserischen Witwe der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 23.Oktober 1995, GZ 1 A 195/94k-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Der am 29.10.1994 verstorbene Erblasser war Eigentümer eines Landwirtschaftsbetriebes in Vorarlberg, den er gemeinsam mit seiner Ehegattin führte. Neben dieser hinterließ er drei volljährige Kinder und eine 1983 geborene Enkeltochter nach einem vorverstorbenen Sohn. Der Erblasser setzte mit einem eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament vom 1.2.1994 seine Ehegattin zur Alleinerbin ein (zu ON 5). Diese gab am 28.12.1994 eine bedingte Erbserklärung ab (ON 21). Der Gerichtskommissär holte zur Klärung der Frage, ob ein Erbhof nach den Bestimmungen des Anerbengesetzes (idgF BGBl 1989/659) vorliege, die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ein. Danach beträgt die landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebes 14,45 ha. Der Betrieb liege "im guten Durchschnitt der Vorarlberger Betriebe", es handle sich um einen Erbhof (ON 15). Die vom Gerichtskommissär zur Ermittlung des Übernahmspreises gemäß § 11 AnerbenG beauftragten Sachverständigen stellten ein landwirtschaftliches Jahreseinkommen von 31.926,90 S fest und schlugen einen Übernahmspreis von 294.301,19 S vor (ON 22). Die erblasserische Witwe beantragte die Zuweisung des Erbhofes (S 3 in ON 29). Die nach dem Gesetz zu Erben berufenen Kinder des Erblassers haben im Verlassenschaftsverfahren gegen die Bejahung der Erbhofeigenschaft des Landwirtschaftsbetriebes teils keinen Einwand erhoben, teils dieser Feststellung ausdrücklich zugestimmt.

Das Erstgericht stellte fest, daß es sich bei den vom Erblasser hinterlassenen landwirtschaftlichen Anwesen um keinen Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG handle. Es stellte Schulden des Unternehmens in der Höhe von 1,148.804,18 S fest. Die vorhandenen Maschinen und Geräte repräsentierten einen Neuwert von 1,242.440,-- S und einen Zeitwert von 567.492,-- S. Die angenommene Nutzungsdauer liege zwischen 10 und 20 Jahren. Auf dem Hof seien im Jahr 1994 77.918 kg Milch produziert worden. Davon seien 25.000 kg an Kälber verfüttert worden. Der landwirtschaftliche Rohertrag habe im Jahr 1994 696.498,-- S betragen. Die Ausgaben inklusive der Abschreibung für Abnutzung hätten sich auf 664.571,10 S belaufen. Das landwirtschaftliche Einkommen errechne sich mit 31.926,90 S (jährlich). Der kapitalisierte Ertragswert des Hofes liege bei 638.538,-- S. Wenn in der Landwirtschaft (neben dem Betriebsführer) ein Landarbeiter beschäftigt und mit monatlich 12.570,-- S entlohnt werden müßte wäre ein negativer Betriebserfolg von 139.053,10 S die Folge. Im Wohnhaus des Landwirtschaftsunternehmens werde ein Laden vermietet, was 60.000,-- S jährliche Einnahmen erbringe. Die erblasserische Witwe beziehe eine Witwenpension von 3.546,20 S monatlich.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahin, daß das außerlandwirtschaftliche Einkommen nicht zu berücksichtigen sei. Gemäß § 1 AnerbenG müßten aus den Erträgnissen eines Erbhofes zwei erwachsene Personen angemessen erhalten werden können. Dies sei bei einem landwirtschaftlichen Einkommen von 31.926,90 S nicht der Fall. Die nunmehr bereits 66 Jahre alte erblasserische Witwe könne die Landwirtschaft ohne fremde Hilfe nicht alleine betreiben. Die Ertragsfähigkeit des Hofes sei in nicht einmal drei Jahrzehnte halbiert worden. Die Ertragseinbußen durch den Beitritt Österreichs zur EU seien dabei noch gar nicht berücksichtigt worden. Es könne durchaus sein, daß der Hof in der Vergangenheit einem Anerbenhof entsprochen habe. Maßgebend sei aber der Todeszeitpunkt des Erblassers.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der erblasserischen Witwe nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß beim festgestellten Durchschnittsertrag des Hofes von 31.926,90 S jährlich nicht zwei erwachsene Personen ausreichend erhalten werden könnten. Es sei zulässig, die Frage, ob ein Erbhof vorliege, mit abgesondertem Beschluß zu entscheiden. Nicht entscheidend sei, ob die Erben die Erbhofeigenschaft bejahten. Welche Rechtsnorm anzuwenden sei, sei von amtswegen durch den Richter zu prüfen und unterliege nicht der Parteiendisposition.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Frage der Parteiendisposition über das anzuwendende Recht sei in der Rechtsprechung unstrittig.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Witwe erkennbar die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, daß die Erbhofeigenschaft festgestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung auch berechtigt.

Zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels beruft sich die Rekurswerberin auf ein Recht der Parteien zur Disposition über die Anwendung des Anerbenrechtes. Zu dieser Frage fehle es an einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Dispositionsmöglichkeit ergebe sich aus verschiedenen den Parteien vom Gesetzgeber eingeräumten Wahlrechten, insbesondere aus den in § 8 AnerbenG dem Erblasser oder den Miterben eingeräumten Wahlrechten, weiters auch aus der Verzichtsmöglichkeit des Erben auf sein Anerbenrecht. Zu diesem Rekursvorbringen ist folgendes auszuführen:

Es ist richtig, daß das Anerbenrecht in weiten Bereichen dispositiv ist. Der Hofeigentümer ist in seiner Verfügungsfreiheit grundsätzlich weder unter Lebenden noch von Todes wegen beschränkt. Auch die Miterben sind im Verlassenschaftsverfahren weitgehend frei; ihre Einigung geht gesetzlichen Bestimmungen und richterlichen Anordnungen vor (Kathrein Anerbenrecht 15). Diese Dispositionsfreiheit bezieht sich jedoch ganz überwiegend auf Fälle, in denen durch Parteiendisposition die Anwendung des Sondererbrechts nach Anerbenrecht verhindert werden kann, dieses also nicht zur Anwendung gelangt, wie dies auch auf den Fall zutrifft, daß kein zur Übernahme bereiter Anerbe vorhanden ist oder die Erben ein Erbteilungsübereinkommen schließen (vgl die Auflistung der Fälle, in denen die Feststellung der Erbhofqualität in der Abhandlung entbehrlich ist, bei Meyer in NotZ 1959, 106). Auch aus dem Recht der Miterben, einen der ihren zum Anerben zu bestimmen, kann nicht abgeleitet werden, daß ihnen dieses Wahlrecht ohne jede weitere Voraussetzung zustünde, also völlig unabhängig davon, ob überhaupt ein Erbhof vorliegt. Aus dem Gesetzestext geht vielmehr hervor, daß das Wahlrecht den Miterben erst zusteht, wenn die Erbhofeigenschaft zuvor bejaht wurde. Dies steht im Einklang mit der öffentlich-rechtlichen Zielsetzung des Anerbenrechtes. Dieses soll aus volkswirtschaftlichen Gründen einer Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes entgegenwirken. Das öffentliche Recht und das Interesse der Allgemeinheit führen zur Annahme, daß das Anerbenrecht - soweit es nicht ausdrücklich Dispositonsfreiheit vorsieht - zwingender Natur und der Parteiendisposition entzogen ist (Koziol/Welser Grundriß10 I 37). Das anzuwendende Recht kann von den Parteien nicht außer Streit gestellt werden. Dies ergibt sich nicht nur aus der im außerstreitigen Verfahren herrschenden amtswegigen Untersuchungspflicht des Gerichtes (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG), sondern ganz allgemein daraus, daß selbst in Verfahrensarten, wo Außerstreitstellungen erfolgen können, es den Parteien verwehrt ist, über das anzuwendende Recht zu disponieren, also eine Rechtswahl zu treffen. Dies ist nur im vom Gesetz ausdrücklich geregelten internationalen Privatrecht möglich. Ob ein Gesetz anzuwenden ist, ist ein Akt der rechtlichen Beurteilung ("iura novit curia"). In dieser Frage ist eine Außerstreitstellung nicht zulässig (MietSlg XX/6; Rechberger/Simotta ZPR4 Rz 589; Rechberger in Rechberger ZPO Rz 1 zu § 267). Ob in der Abhandlung Anerbenrecht anzuwenden ist, bleibt daher der Parteiendisposition entzogen. Die Parteien können die amtswegige Untersuchungspflicht des Gerichtes nicht ersetzen und beispielsweise nicht verlangen, daß in der Abhandlung für einen Gewerbebetrieb (zB für ein Schlossereiunternehmen) anerbenrechtliche Vorschriften anzuwenden sind. Dem stehen die dargelegten Erwägungen entgegen.

Da ein Antrag auf Zuweisung eines Erbhofes vorliegt und das Gericht gegen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Bedenken hegte, war eine abgesonderte Beschlußfassung über die Erbhofeigenschaft zulässig und zweckmäßig (SZ 34/174).

Die Rekurswerberin bekämpft die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Erbhofeigenschaft wegen des festgestellten jährlichen Reinertrages von nur 31.926,90 S zu verneinen sei, einerseits unter Hinweis auf einige Gerichtsentscheidungen, in denen Landwirtschaftsbetriebe mit ebenfalls nur geringem Flächenausmaß zu beurteilen waren, andererseits unter Hinweis auf § 2 Kärntner ErbhöfeG 1990 (BGBl 1989/658), wonach unter einem Erbhof ein mit einer Hofstelle versehener Landwirtschaftsbetrieb mittlerer Größe, dessen Flächenmaß wenigstens 5 ha beträgt und dessen Durchschnittsertrag das Sechsfache des zur Erhaltung einer fünfköpfigen Familie Erforderlichen nicht übersteigt, zu verstehen sei.

Das hier anzuwendende Anerbengesetz (BGBl 1958/106) in seiner seit 1.1.1990 novellierten und seither auch auf Vorarlberg anzuwendenden Fassung (BGBl 1989/659) definiert einen Erbhof dahin, daß darunter ein mit einer Hofstelle versehener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb zu verstehen ist, ... der mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag hat (§ 1 Abs 1 AnerbenG). Ein bestimmtes Flächenmaß ist im Gegensatz zu dem in Kärnten geltenden Sonderrecht nicht tatbildlich. Nach der historischen Entwicklung und der deklarierten Absicht des Gesetzgebers dient das Anerbenrecht der Erhaltung eines krisenfesten, leistungsfähigen Bauernstandes. Der Gesetzgeber hat dabei immer auf die in den einzelnen Regionen bestehenden bäuerlichen Erbteilungsgewohnheiten und Übergabsgepflogenheiten, die dasselbe Ziel verfolgten, Bedacht genommen (für Tirol und Kärnten wurden jeweils gegenüber dem in den übrigen Bundesländern geltenden Anerbenrecht abweichende Regelungen getroffen, für Vorarlberg und Burgenland bestanden keine Sondervorschriften). Daraus folgt, daß aus dem nur für Kärnten gültigen Mindestflächenmaß kein Rückschluß auf die in anderen Bundesländern geltenden Voraussetzungen für das Vorliegen eines Erbhofes gezogen werden darf. Entscheidend ist hier nach der gesetzlichen Begriffsdefinition der Durchschnittsertrag des Betriebes, der zur angemessenen Erhaltung von zumindest zwei erwachsenen Personen ausreichen muß. Was unter "angemessen" zu verstehen ist, ist nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen (§ 1 Abs 3 AnerbenG).

Die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes ist nach objektiven Kriterien zu prüfen (SZ 58/206), es kommt also auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers (oder aber auch des präsumtiven Hofübernehmers) an (SZ 42/145). Diese von der Lehre geteilte Meinung (Zemen in NotZ 1985, 41 (44)) entspricht auch den Intentionen des Gesetzgebers (RV 518 der Beil XVII GP 7). Zur Frage, was unter den im Gesetz angeführten, nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Durchschnittsertrag zu verstehen ist, verweist die Rekurswerberin auf die in SZ 42/145 veröffentlichte Entscheidung. Danach sei von einem landwirtschaftlichen Einkommen als der Summe von Reinertrag, vermehrt um den Lohnanspruch der Besitzerfamilie, verringert um Schuldzinsen und Ausgedingsbelastungen auszugehen. Von dieser von der Rekurswerberin richtig zitierten Formel ging der Oberste Gerichtshof auch in mehreren nachfolgenden Entscheidungen aus (6 Ob 16/91 ua). Seit dem am 7.9.1958 in Kraft getretenen Anerbengesetz seien signifikante Veränderungen der zur Zeit der Gesetzwerbung festzustellenden betriebswirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der Landwirtschaft eingetreten. Diese nicht vorbedachten Veränderungen müßten in Grenzfällen zu einer Berücksichtigung der hypothetischen Ertragslage unter den Verhältnissen, die der Gesetzgeber als feststehend zugrundegelegt habe, führen (SZ 59/187; 6 Ob 16/91 mwN). Zur mit der Novellierung des Anerbenrechts geänderten Untergrenze des Anwendungsbereiches hat der erkennende Senat folgendes erwogen:

In der zitierten Regierungsvorlage zur Novellierung des Anerbengesetzes wird zu den Zielen des Gesetzesvorhabens folgendes ausgeführt:

"Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Landwirtschaft haben sich seit dem Inkrafttreten des Anerbengesetzes im Jahre 1958 tiefgreifend verändert. Das Bild eines sich weitgehend selbst versorgenden Betriebes mit zahlreichen Familienmitglieder und unselbständigen Arbeitskräften trifft heute häufig nicht mehr zu. Vielfach bearbeitet nur mehr ein Ehepaar allein mit Hilfe von Maschinen den Hof. Kinder und Seitenverwandte, aber oft auch ein Ehegatte gehen hauptberuflich anderen Erwerbstätigkeiten nach, Landarbeiter sind im Zuge der Mechanisierung selten geworden. Auch die Ertragsverhältnisse haben sich gewandelt.

Um der dadurch in den letzten Jahren - schleichend und ohne Gesetzesänderung - eingetretenen Einengung des Anwendungsbereiches des Anerbengesetzes entgegenzuwirken, muß der Begriff des Erbhofs neu gefaßt werden: Die für die Festlegung der Untergrenze des Anwendungsbereichs maßgebliche Zahl der Personen, auf deren Erhaltung es ankommt, soll gesenkt werden. Das Vielfache des Durchschnittsertrags ist dagegen zu erhöhen, um ein Absinken der Obergrenze zu vermeiden. Mit dieser Erhöhung wird der Geltungsbereich des Gesetzes geringfügig ausgedehnt" (RV 518, BlgNR 17. GP 5).

Den zitierten Erläuterungen kann zunächst entnommen werden, daß der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes dadurch erhalten wollte, daß nunmehr Höfe einzubeziehen sind, die infolge der in den letzten Jahrzehnten eingetretenen Einschränkung der Ertragsfähigkeit nach der alten Rechtslage nicht mehr als Erbhöfe hätten qualifiziert werden können. Früher mußte der Durchschnittsertrag zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen ausreichen. Der Gesetzgeber hat auf die stattgefundenen Änderungen reagiert und die untere Ertragsgrenze dahin definiert, daß der Durchschnittsertrag des Hofes zur angemessenen Erhaltung von nur mehr zwei erwachsenen Personen ausreichend sein muß. Nach der schon zitierten Regierungsvorlage ist eine noch weitergehende Herabsetzung der für die Untergrenze maßgeblichen Personenanzahl nicht geboten. Es diene weder dem öffentlichen Interesse an der Förderung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe noch den berechtigten Interessen der Miterben, wenn zuviele Kleinbetriebe der bäuerlichen Sondererbteilung unterworfen werden (RV aaO, 6). Der Gesetzgeber hat die geänderten Verhältnisse in der Landwirtschaft erkannt, darauf reagiert und ist bei der für die Anwendbarkeit des Sondererbrechtes maßgeblichen Untergrenze so weit gegangen, daß davon gesprochen werden kann, daß nicht mehr die im öffentlichen Interesse gelegene Erhaltung eines leistungsfähigen (im Sinne eines international wettbewerbsfähigen) mittleren Bauernstandes im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Erhaltung von Landwirtschaftsbetrieben schlechthin, also auch von kleineren Betrieben, jedoch unter Ausschluß von Kleinstbetrieben. Von einem Erbhof im Sinne des § 1 Abs 1 AnerbenG kann nur gesprochen werden, wenn der aus der Landwirtschaft selbst erzielte Ertrag die angemessene Erhaltung von zumindest zwei erwachsenen Personen gewährleistet.

Die Vorinstanzen haben die gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Erbhofes unter Hinweis auf den festgestellten Durchschnittsertrag von 31.926,90 S jährlich verneint. Dieser von den Sachverständigen zur Ermittlung des Übernahmspreises nach § 11 AnerbenG ermittelte Ertrag wird von der Rekurswerberein auch nicht bestritten. Sie verweist aber auf das Ausmaß der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und die gemäß § 19 AnerbenG eingeholte Beurteilung der Landwirtschaftskammer, welche die Erbhofeigenschaft des "im guten Durchschnitt der Vorarlberger Betriebe" liegenden Betriebes bejahte (ON 15). Es trifft zu, daß die Vorinstanzen sich mit dieser Begutachtung der Landwirtschaftskammer und mit dem Umstand, daß offensichtlich auch die beiden zur Ermittlung des Übernahmspreises beauftragten landwirtschaftlichen Sachverständigen der gleichen Meinung waren, nicht auseinandergesetzt haben und nur vom zitierten Jahresertrag ausgegangen sind. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne des § 1 AnerbenG vorliegen, ist vom Gericht von amtswegen zu prüfen. Der Durchschnittsertrag allein ist wegen der Besonderheit landwirtschaftlicher Unternehmen, daß der Betriebsführer (und seine Familie bzw die zweite vom Ertrag des Betriebes zu erhaltende Person) seine Lebenshaltung mehr oder weniger aus eigenen Produkten naturaliter bestreitet, noch nicht ausschlaggebend. Mitentscheidend ist der Selbstversorgungsgrad, der sich aufgrund der Produktpalette ergibt, die im zu beurteilenden Betrieb erwirtschaftet wird bzw erwirtschaftet werden kann. Dabei ist von objektiven Bewirtschaftungsmöglichkeiten nach den örtlichen Verhältnissen auszugehen (§ 1 Abs 3 AnerbenG). Wenn nach den gegebenen Verhältnissen im Betrieb nur wenige Produkte erzeugt werden können, liegt es auf der Hand, daß die Eigenversorgung keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, der Betriebsführer (und die zweite zu erhaltende Person) also vom Erlös der Produkte die Lebenserhaltungskosten bestreiten muß. In einem solchen Fall wäre die Meinung des Rekursgerichtes selbstverständlich zu teilen, daß mit einem jährlichen Nettoertrag von nur 31.926,90 S, also rund 2.600,-- S monatlich, zwei Personen nicht das Auslangen finden können. Ganz anders wäre aber der Fall zu beurteilen, wenn die Bedürfnisse im wesentlichen mit selbsterzeugten Produkten gedeckt werden können, sodaß nur ein entsprechend niedrigerer Geldbedarf besteht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß im Bereich der Landwirtschaft nur relativ geringe Kosten zur Deckung des Wohnbedürfnisses anfallen (Wohnen im eigenen Hof; Durchführung von Reparaturarbeiten in Eigenregie). Es ist also nicht ausgeschlossen, daß trotz des festgestellten niedrigen Nettoertrages wegen des hohen Eigenversorgungsgrades die Erbhofeigenschaft bejaht werden könnte. Die Vorinstanzen hätten daher die nach den örtlichen Verhältnissen maßgebliche Frage der Eigenversorgung und den daraus resultierenden, für die Lebenshaltung erforderlichen Geldbedarf mit den beiden landwirtschaftlichen Sachverständigen (die vorweg auch zur Beurteilung der Erbhofeigenschaft beizuziehen gewesen wären) zu erörtern gehabt. Im Zuge der erforderlichen Ergänzung des Verfahrens wird auch das Flächenausmaß (Eigengrund) des zu beurteilenden Hofes klarzustellen sein.

Schließlich werden auch - allenfalls nach Gutachtensergänzung - darüber Feststellungen zu treffen sein, ob nicht mit einer die Rentabilität des Betriebes erhöhenden Änderung der Bewirtschaftsungsart (etwa durch zumindest teilweise Umstellung auf Bioprodukte; Schafhaltung mit Käseerzeugung u.ä.) ein höherer Ertrag als bislang festgestellt erzielbar wäre (vgl dazu die Ausführungen in 6 Ob 16/91). Als Vorfrage müßte allerdings untersucht und klargestellt werden, daß die in Frage kommende Betriebsumstellung den örtlichen Verhältnissen entspricht (§ 1 Abs 3 AnerbenG) und die ins Auge gefaßte (hypothetische) Bewirtschaftungsart in der Umgebung des zu beurteilenden Hofes nicht geradezu unüblich ist. Erst nach Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn wird die gestellte Frage nach der Erbhofeigenschaft des Landwirtschaftsbetriebes verläßlich beurteilt werden können.

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