OGH 3Ob2006/96p

OGH3Ob2006/96p21.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr.Ivo Greiter ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr.Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 107.559,93 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20.April 1995, GZ 2 R 76/95-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.Dezember 1994, GZ 13 Cg 159/93i-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.605,- (darin S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei beförderte im Auftrag der klagenden Partei, einem Spediteur, 23.070 kg Ravinil S 70 F in Pulverform als Schüttgut in einem Silo-Sattelaufliegerfahrzeug von einem Unternehmen in Ravenna in Italien zu einem Unternehmen in Wels. Ravinil dient zur Herstellung von Klarsichtfolien und ist sehr empfindlich gegen Verunreinigungen, weil diese zu Grauschlieren und unterschiedlich großen Löchern in der Folie führen. Die beklagte Partei hatte mit dem für die Beförderung verwendeten Silofahrzeug am Vortag eine Ladung von Plastikgranulat (Hostalen GM 5010 T 2) befördert. Danach hatte der Fahrer den Silo mit einem Schlauch ausgespritzt und ihn dabei gekippt, damit das Wasser abrinnen konnte. Darüber hinaus wurde eine Reinigung nicht vorgenommen. Nach der Reinigung blickte der Fahrer durch eine Öffnung am hinteren Ende des Fahrzeuges in den Innenraum des Silos, um zu kontrollieren, ob sich noch irgendwelche Reste im Fahrzeug befinden, er konnte aber mit freiem Auge keine Reste von Granulatkörnern feststellen. Der Silo mußte dabei nicht besonders ausgeleuchtet werden, weil durch fünf Öffnungen an der Oberseite und die Öffnung an der Rückseite genügend Licht eindringt. Die durchgeführte Form der Reinigung ist üblich und gewöhnlich ausreichend. Der Silo wurde mit dem Ravinilpulver durch einen Arbeitnehmer der Versenderin beladen. Der Arbeitnehmer der Versenderin überprüfte nach Öffnen der fünf Deckel an der Oberseite des Fahrzeuges die Sauberkeit des Silos in der Weise, daß er in den Silo hineinsah und mit der Hand an den Rand des Deckels griff. Es wäre zwar technisch möglich gewesen, in den Silo hineinzusteigen; damit wäre aber die Gefahr einer neuerlichen Verschmutzung verbunden gewesen. Die durch den Arbeitnehmer der Versenderin durchgeführte Überprüfung ist allgemein üblich. Nach der Ankunft des beförderten Guts in Wels wurde festgestellt, daß es mit Fremdkörpern verunreinigt war, deren Größe von Staubform (0,1 mm) bis zur Granulatkorngröße reichte. Diese Verunreinigung entstand aus Hostalenteilen, die aus dem Vortransport stammten. Die Empfängerin verweigerte hierauf die Annahme des beförderten Guts, weshalb dieses wieder zur Versenderin zurücktransportiert und dort gesiebt wurde.

Die klagende Partei begehrt den Ersatz des ihr infolge der Beschädigung des beförderten Gutes entstandenen Schadens in der im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittigen Höhe von S 107.559,93 sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Transportfahrzeug sei ordnungsgemäß gereinigt gewesen. Die Verunreinigung sei daher entweder vor der Beladung oder nach der Entladung eingetreten.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren unter Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens statt. Es folgerte aus dem wiedergegebenen Sachverhalt, daß die beklagte Partei für den gesamten der klagenden Partei entstandenen Schaden hafte.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil des Erstgerichtes infolge Berufung der beklagten Partei im stattgebenden Teil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Bei der Haftung nach dem hier maßgebenden Art 17 CMR handle es sich nach allgemeiner Auffassung um eine Gefährdungshaftung. Der Frachtführer hafte somit, soweit nicht ausdrücklich Haftungsausschlüsse normiert seien, für die typischen Transportgefahren, jedenfalls für solche, die er bei Einhaltung äußerster Sorgfalt vermeiden hätte können (Art 17 Abs 2 letzter Fall CMR). Die beklagte Partei habe nie behauptet, daß es ihr geradezu unmöglich gewesen wäre, den Silo so zu reinigen, daß auch die allerletzten Spuren des vorangegangenen Frachtgutes entfernt worden und Verunreinigungen eines später beförderten Gutes ausgeschlossen gewesen wären. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung sei es nicht Aufgabe des Absenders gewesen, diese gründliche Reinigung vorzunehmen, weil es nach Art 17 Abs 2 CMR Aufgabe des Frachtführers ist, eine "Beschädigung" des beförderten Gutes und damit auch eine Verunreinigung zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung zu verhindern. Die nicht vollständige Reinigung des Transportbehälters könne im übrigen auch analog als Mangel des für die Beförderung verwendeten Fahrzeugs im Sinn des Art 17 Abs 3 CMR betrachtet werden, der jeglichen Einwand des Frachtführers ausschließen würde. Die beklagte Partei sei bei der Beförderung von Gütern als Sachverständiger im Sinn des § 1299 ABGB anzusehen. Sie habe daher für alle Kenntnisse einzustehen, die erforderlich sind, um ein Gut ohne Beschädigung (Verunreinigung) befördern zu können. Wenn sie die Beförderung von Ravinil-Pulver übernehme, müsse ihr unterstellt werden, daß ihr die besondere Empfindlichkeit dieses Gutes gegen Verunreinigung bekannt sei, weshalb es ihre Aufgabe gewesen wäre, Vorkehrungen dagegen zu treffen. Der Versender habe darauf vertrauen können, weshalb die klagende Partei auch kein Mitverschulden zu verantworten habe. Da jede Verunreinigung eines Frachtguts potentiell eine Wertminderung desselben herbeiführen könne, könne sich die beklagte Partei nicht darauf berufen, es sei ihr die besondere Empfindlichkeit des beförderten Ravinil-Pulvers nicht bekannt gewesen. Nur wenn eine Wertminderung durch transportbedingte Verunreinigung auszuschließen gewesen wäre, wie etwa bei von vornherein minderwertigen Materialien, hätte die nicht vollständige Reinigung des Transportfahrzeuges ausgereicht.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehenden Frage, ob die Verunreinigung des für die Beförderung verwendeten Fahrzeugs einen Mangel im Sinn des Art 17 Abs 3 CMR bildet, fehlt; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Nicht bestritten und aus Art 1 Abs 1 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) BGBl 1961/138 abzuleiten ist, daß auf die Rechtsbeziehungen der Parteien dieses Übereinkommen anzuwenden ist. Die Frage der Haftung der beklagten Partei ist daher in erster Linie (vgl SZ 57/196) nach Art 17 dieses Übereinkommens zu beurteilen.

Gemäß Art 17 Abs 3 CMR kann sich der Frachtführer, um sich von seiner Haftung zu befreien, unter anderem nicht auf Mängel des für die Beförderung verwendeten Fahrzeuges berufen. Während es sich bei der Haftung nach dem Abs 1 dieser Bestimmung nach der nunmehr in Österreich herrschenden Auffassung nicht um eine Erfolgs- oder Gefährdungshaftung, sondern um eine vermutete Verschuldenshaftung mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab handelt (SZ 64/95; SZ 60/64; SZ 56/113 ua; Jesser, Frachtführerhaftung 49 ff; Schütz in Straube, HGB2 Rz 4 zu Art 17 CMR) - in diesem Punkt weicht die Entscheidung des Berufungsgerichtes demnach von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab -, ist die Haftung nach Art 17 Abs 3 CMR, also vor allem die Haftung für Mängel des für die Beförderung verwendeten Fahrzeugs, eine Gefährdungshaftung (Jesser aaO 51; Schütz aaO). Der Frachtführer kann, um sich von seiner Haftung zu befreien, dann nur das Fehlen der Kausalität einwenden; andere Einwendungen, insbesondere jene nach Art 17 Abs 2 und4 CMR, sind ihm verwehrt. Er kann daher dem Schadenersatzanspruch auch nicht entgegenhalten, daß die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges nicht zu vermeiden war (Koller, Transportrecht3 Rz 34 zu Art 17 CMR; Thume in Thume, CMR-Komm Rz 112 zu Art 17 mN aus der Rechtsprechung der BRD).

Der Begriff des Fahrzeugmangels ist weit auszulegen (Jesser aaO 52 mwN; Thume aaO Rz 113 zu Art 17). Es ist daher auch eine Verschmutzung des Fahrzeugs, die dieses zur Beförderung ungeeignet macht und daher einen Schaden an dem beförderten Gut verursacht, als Mangel des zur Beförderung verwendeten Fahrzeugs im Sinn des Art 17 Abs 3 CMR anzusehen (vgl Koller aaO; Thume aaO Rz 118 zu Art 17). Dabei kommt es entgegen der von der beklagten Partei in der Revision vertretenen Meinung nicht darauf an, ob das Fahrzeug trotz einer im Normalfall als ausreichend anzusehenden Reinigung verschmutzt war, weil der Frachtführer, wie bereits erwähnt, nicht einwenden kann, daß er den Mangel des Fahrzeugs nicht vermeiden konnte. Ebensowenig ist wesentlich, ob die für die beklagte Partei handelnden Personen wissen mußten, daß die vorgenommene Reinigung nicht ausreichend sein werde. Entscheidend für das Vorliegen eines Fahrzeugmangels ist, ob das Fahrzeug die vereinbarten Eigenschaften aufweist (Helm in HGB-GrK Anm 6 zu Art 17 CMR nach § 452; Koller aaO). Als vereinbart muß aber ein Zustand des Fahrzeugs gelten, der es im konkreten Fall zur Beförderung des zur Beförderung übernommenen Gutes geeignet macht. Weist das Fahrzeug aus welchen Gründen immer diesen Zustand nicht auf, liegt ein Mangel des Fahrzeugs im Sinn des Art 17 Abs 3 CMR vor. Soweit Koller (aaO) darauf abstellt, ob es für den Frachtführer erkennbar ist, daß die sichere Beförderung des Gutes eine bestimmte Eigenschaft des Gutes erfordert, kann ihm nicht gefolgt werden, weil es wie bereits dargelegt wurde und wie Koller (aaO) in der Folge selbst ausführt, nicht darauf ankommt, ob die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs zu vermeiden war.

Da feststeht, daß der von der klagenden Partei geltend gemachte Schaden durch die Verunreinigung des von der beklagten Partei zur Beförderung verwendeten Fahrzeugs verursacht wurde und diese Verunreinigung als Mangel dieses Fahrzeugs anzusehen ist, ergibt sich die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei somit schon auf Grund des Art 17 Abs 3 CMR. Hierauf darf entgegen der in der Revision vertretenen Meinung Bedacht genommen werden, weil es nicht notwendig war, daß sich die klagende Partei ausdrücklich auf die Haftung der beklagten Partei wegen eines Fahrzeugmangels berufen hat. Es genügte, daß sie den Sachverhalt vorbrachte, aus dem sich das Vorliegen eines Fahrzeugmangels ergab. Dies hat sie aber getan. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Haftung nach dem Abs 1 der angeführten Bestimmung gegeben ist, weshalb zu den hiezu in der Revision enthaltenen Ausführungen nicht Stellung genommen werden muß.

Die klagende Partei hat ein Mitverschulden nicht zu verantworten. Die Personen, deren Verhalten die klagende Partei zu verantworten hat, konnte darauf vertrauen, daß sich das Fahrzeug in dem vereinbarten, für die übernommene Beförderung geeigneten Zustand befinden werde. Auch wenn man im Sinn der vom Erstgericht im ersten Rechtsgang getroffenen Feststellung davon ausgeht, daß dem Arbeitnehmer des Versenders ein vom Fahrer der beklagten Partei unterschriebenes Formular übergeben wurde, aus dem hervorging, welche Ladung zuvor im Silo transportiert worden war, ändert dies nichts, weil daraus auch zu entnehmen war, daß der Silo gewaschen wurde. Der Arbeitnehmer des Versenders durfte aber davon ausgehen, daß dies in ausreichendem Maß geschehen war, zumal er bei der von ihm vorgenommenen Prüfung eine Verunreinigung nicht feststellen konnte. Für eine eingehendere Prüfung bestand ebensowenig ein Anlaß wie für einen Hinweis auf besondere Eigenschaften des zur Beförderung übergebenen Gutes. Aus dem Ausdruck "gewaschen", der in der dem Arbeitnehmer des Versenders übergebenen Urkunde verwendet wurde, mußte dieser Arbeitnehmer auch noch nicht darauf schließen, daß sich im Silo Rückstände vom vorher beförderten Gut befinden, die zu einer Beschädigung des zur Beförderung übergebenen Gutes führen können.

Die beklagte Partei hat somit der klagenden Partei den gesamten der Höhe nach nicht mehr strittigen, während der Beförderung des Gutes entstandenen und hiedurch verursachten Schaden zu ersetzen, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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