OGH 1Ob642/95

OGH1Ob642/9530.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Karl G*****, vertreten durch Dr.Heribert Schar, Dr.Andreas Oberhofer, Dr.Burghard Seyr und Dr.Bernd Schmidhammer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr.Josef Pfurtscheller und Dr.Markus Orgler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterfertigung einer Zustimmungserklärung (Streitwert S 140.000,- -) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichts vom 12.Oktober 1995, GZ 2 R 230/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21.Juni 1995, GZ 14 Cg 30/95-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es in seinem zweiten Absatz zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, ihre Zustimmung zu dem an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zur Zl. 2-N 1390/6-1994 gerichteten Antrag der klagenden Partei auf naturschutzrechtliche Bewilligung der Asphaltierung einer Restfläche von 700 m2 aus dem Grundstück 1039 der Liegenschaft EZ 67 II KG N***** vom 12.September 1994 zu erklären.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 7.605,-- (darin enthalten S 1.267,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 195 II KG N***** samt N***** See, die beklagte Partei ist Alleineigentümerin der EZ 67 II KG N*****, zu deren Gutsbestand auch das Grundstück 1039 gehört. Die beklagte Partei räumte dem Kläger mit Vertrag vom 12.5.1961 auf einer „Teilfläche des Teilwaldes auf Grundstück 1039 unentgeltlich die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines Parkplatzes für jede Art von Fahrzeugen“ ein. Die Benützung dieses Parkplatzes sollte nicht nur dem Kläger und seinen Angehörigen samt Dienstpersonal selbst, sondern allen Besuchern der dem Kläger gehörigen Liegenschaft (insbesondere auch der auf der Liegenschaft betriebenen Gastwirtschaft) gestattet sein. Die Dienstbarkeit ist verbüchert. Die Teilfläche dient tatsächlich als Parkplatz. Anfangs der Sechzigerjahre wurde die Straße in Richtung N***** See bis zum H*****weg von der Gemeinde N***** und etwa 1963 vom Kläger vom Ende des asphaltierten Teils bis zum See asphaltiert. Er ließ in der Folge noch eine zweite Fahrspur und unmittelbar daran anschließend etwa zwei Drittel des heute bestehenden Parkplatzes zusätzlich asphaltieren. Die beklagte Partei wurde hievon nicht informiert und äußerte sich zu diesem Vorhaben auch nicht. Anfangs 1980 wurde die Straße vom H*****weg bis zum Parkplatz von der Gemeinde neu angelegt. Die hiebei im Bereich des asphaltierten Teils des Parkplatzes aufgetretenen Schäden wurden von der Gemeinde behoben. Im Sommer 1993 ließ der Kläger den restlichen, bis dahin lehmigen und mit Rollsplitt geschotterten Teil des Parkplatzes im Ausmaß von etwa 700 m2 asphaltieren und Bodenmarkierungen anbringen. Auch zu dieser Maßnahme holte er die Zustimmung der beklagten Partei nicht ein. Im Sommer, bei starkem Badebetrieb, wird das Ein- und Ausparken durch Einweiser und Absperrungen geregelt.

Der Kläger wurde wegen der unterlassenen Einholung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung der Parkplatzasphaltierung bei der Bezirkshauptmannschaft I***** angezeigt. Daraufhin beantragte er diese Bewilligung zur Asphaltierung einer Restfläche (700 m2 des Parkplatzes N***** See). Im Zuge des darüber abgeführten Verfahrens erstattete die beklagte Partei eine schriftliche Stellungnahme dahin, daß sie ihre Zustimmung zur Asphaltierung des (Rest-)Parkplatzes nicht erteile, weil sie darin eine Erweiterung der Dienstbarkeit erblicke. Ob in Hinkunft eine Zustimmung in Betracht kommen werde, hänge von einem zufriedenstellenden Verlauf von Verhandlungen mit dem Kläger über Art und Höhe einer allfälligen Entschädigung ab. Die Behörde informierte daraufhin den Kläger, daß sein Antrag abgewiesen werde, falls er die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers nicht beibringe.

Der Kläger begehrt folgendes Urteil:

„Die beklagte Partei, vertreten durch ihren Obmann, ist verpflichtet, den Antrag auf naturschutzrechtliche Genehmigung vom 12.9.1994 an die BH I***** zur Zl. 2-N 1390/6-1994 zur Asphaltierung einer Restfläche von 700 m2 der Gp. 1039 aus der Liegenschaft in EZ 67/II KG N***** zu unterfertigen.“

Er brachte vor, die Asphaltierung stelle keine Ausdehnung der ihm eingeräumten Dienstbarkeit dar. Es entspreche dem heutigen Stand der Technik, Parkplätze zu asphaltieren. Durch die nur auf einer asphaltierten Fläche mögliche Anbringung von Bodenmarkierungen würden das ordnungsgemäße Abstellen der Fahrzeuge und geregelte Zu- bzw. Abfahrten gewährleistet. Eine Beeinträchtigung der Eigentümerin sei mit der Asphaltierung nicht verbunden. Der ablehnende Standpunkt der beklagten Partei resultiere offenbar aus dem schlechten persönlichen Einvernehmen zwischen deren Obmann und dem Kläger. Die Unterfertigung des Ansuchens um Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung sei aufgrund der „einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen“ nötig; die beklagte Partei sei hiezu verhalten, weil dies eine Nebenverpflichtung aus dem Dienstbarkeitsvertrag sei.

Die beklagte Partei wendete ein, die ohne ihre Zustimmung 1993 erfolgte Parkplatzasphaltierung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Substanz der dienstbaren Sache und damit in ihr Eigentumsrecht dar. Die Dienstbarkeit könne so wie bisher völlig unbehindert auf einen geschotterten Parkplatz ausgeübt werden. Darüber hinaus sei die Parkplatzfläche auch mit einem Holzbringungsrecht eines Teilwaldbesitzers belastet, was „zu Problemen führen könnte“.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Asphaltierung des Parkplatzes im Sommer 1993 sei zur Ausübung der Dienstbarkeit nicht notwendig gewesen. Die beklagte Partei könne nicht zur Unterfertigung eines Antrags auf naturschutzrechtliche Bewilligung verpflichtet werden, weil dies einem Tun im Sinne des § 482 ABGB gleichkäme und solches nicht zu den Pflichten eines mit einer Dienstbarkeit Belasteten gehöre. Die Änderung der Beschaffenheit des Parkplatzes stelle eine unzulässige Erweiterung der dem Kläger eingeräumten Dienstbarkeit dar.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Durch die Asphaltierung des restlichen Parkplatzteils im Sommer 1993 sei der fortgeschrittenen technischen Entwicklung Rechnung getragen worden. Zweck und Anlaß der Bestellung der Servitut sei die Schaffung einer Abstellmöglichkeit für Fahrzeuge jeder Art, die über das öffentliche Wegenetz zur bereits damals als Badesee samt dazugehöriger Gastwirtschaft genutzten und gewidmeten Liegenschaft des Klägers fuhren, gewesen. Schon aus Gründen der Verkehrssicherheit, aber auch der Verkehrssicherungspflicht des Klägers als Gastwirt und Badeseebetreiber sei es erforderlich, den ursprünglich lehmigen und mit Rollsplitt geschotterten Naturerdboden ausreichend zu befestigen. Die Asphaltierung sei durch den Vertrag gedeckt, weil dem Kläger das Recht der „Erhaltung und Benützung“ des Parkplatzes eingeräumt worden sei. Ob naturschutzrechtlichen Argumenten Rechnung zu tragen sei, sei im abzuführenden Verwaltungsverfahren zu prüfen. Die beklagte Partei habe nicht nachgewiesen, warum die Holzbringung eines Teilwaldbesitzers über den nunmehr asphaltierten Parkplatz des Klägers bewerkstelligt werden müsse. Es sei daher nicht zu erkennen, inwiefern das Holzbringungsrecht zu „rechtlichen Problemen“ für die beklagte Partei führen könne. Die vom Kläger bereits vorgenommene Asphaltierung, deren naturschutzrechtliche Bewilligung er nun im nachhinein beantragte, sei eine Erhaltungsmaßnahme, die keine unzumutbare Belastung des dienenden Gutes mit sich bringe und damit keine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinne des § 484 ABGB darstelle.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, eingeschränkt, also schonend ausgeübt werden. Diese Bestimmung stellt die Ausübung der Dienstbarkeit in das Belieben des Berechtigten, ordnet aber auch eine Beschränkung auf das nach Natur und Zweck der Bestellung nötige Maß an. Dieser Widerstreit ist durch einen billigen Interessenausgleich zu lösen. Das Ausmaß einer Servitut und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richtet sich nach dem Inhalt des Titels und bei dessen Auslegung insbesondere nach Natur und Zweck der Dienstbarkeit bei deren Einräumung. Nach den jeweiligen Verhältnissen soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie nur möglich geschadet werden. Bei „ungemessenen“ Dienstbarkeiten (eine solche liegt hier vor) sind im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten maßgebend (1 Ob 533/95; 1 Ob 15, 16/94; 4 Ob 527/93; JBl 1990, 584; SZ 60/160; 7 Ob 555/83; Miet 35.047; SZ 56/46; SZ 55/125; SZ 54/154 uva). Zweck der Bestellung der Dienstbarkeit der „Duldung der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines Parkplatzes für jede Art von Fahrzeugen“ war es, dem Kläger, seinen Angehörigen, seinem Dienstpersonal und allen Besuchern des N***** Sees und der dort betriebenen Gastwirtschaft des Klägers das Abstellen deren Fahrzeuge zu ermöglichen. Der beklagten Partei ist zwar zuzugestehen, daß eine solche Parkmöglichkeit auch auf geschottertem Untergrund - so wie zur Zeit der Einräumung der Dienstbarkeit im Jahre 1961 - gegeben wäre und es zweifellos auch bereits 1961 möglich war, die strittige Parkfläche zu asphaltieren, doch darf nicht übersehen werden, daß die Asphaltierung von Verkehrsflächen seither in erheblichem Ausmaß zugenommen hat, was unter anderem auf das Ansteigen der Motorisierung und auf steigende Ansprüche der Benützer von Kraftfahrzeugen zurückzuführen ist. Servituten dürfen zwar nicht ausgedehnt werden, sie sollen aber der fortschreitenden technischen Entwicklung angepaßt werden können (1 Ob 551/93; SZ 60/160; 7 Ob 555/83). Die vom Kläger vorgenommene Asphaltierung des restlichen Parkplatzes stellt auch keine erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernis für die beklagte Partei dar (vgl. dazu 4 Ob 527/93). Die Aufbringung des Asphaltbelags ist zwar ein Eingriff in das Eigentumsrecht des Klägers (vgl. 7 Ob 555/83), doch muß die beklagte Partei diese Anpassung der Nutzung an die zeitbedingten Erfordernisse hinnehmen, weil sie hiedurch keine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (SZ 60/160).

Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das Anbringen von Bodenmarkierungen, das auf einer beschotterten Fläche unmöglich ist, für die den Parkplatz Benutzenden einen bedeutenden Vorteil darstellt und die Verkehrssicherheit fördert. Es bedarf auch keiner weiteren Begründung, daß die mit einer Asphaltierung zwangsläufig verbundene weitgehende Staubfreimachung den Benützern des Parkplatzes und des angrenzenden Badesees zum Vorteil gereicht. Schließlich ist bei einer asphaltierten Fläche eine Nachschotterung nicht erforderlich, sodaß die Instandhaltung bzw. Reinigung des Parkplatzes wesentlich erleichtert wird. Die Interessen des dienstbarkeitsberechtigten Klägers werden durch die Asphaltierung somit ganz wesentlich gefördert. Demgegenüber werden die Interessen der mit der Dienstbarkeit belasteten beklagten Partei dadurch kaum beeinträchtigt. Die von ihr ins Treffen geführten naturschutzrechtlichen Aspekte sind im Verfahren zur Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zu prüfen, nicht aber beim Abwägen der widerstreitenden Interessen der Streitteile. Das weitere Vorbringen, aufgrund der Asphaltierung könnte ausgeflossenes Öl auf Nachbarliegenschaften gelangen und dadurch eine Haftung der beklagten Partei als Grundeigentümerin ausgelöst werden (S.5 der Revision), eine im Rechtsmittelverfahren unbeachtliche Neuerung: Die Parteienaussage des Obmanns der beklagten Partei kann entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen.

Selbst wenn unterstellt wird, daß einem Teilwaldbesitzer tatsächlich ein Holzbringungsrecht am gesamten Parkplatz für die Zeit vom 1.11. bis 15.3. eines jeden Jahres zustehe, kann auch darin kein Grund dafür gefunden werden, daß die Asphaltierung nicht vorgenommen werden dürfe. Die beklagte Partei unterließ es nämlich darzulegen, inwiefern das Holzbringungsrecht durch die Asphaltierung behindert sein sollte (vgl S.2 des Schriftsatzes der beklagten Partei vom 13.4.1995).

Wohl kann die beklagte Partei nicht verpflichtet werden, bei der Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung der Asphaltierung des Parkplatzes als Antragsteller aufzutreten, das strebt der Kläger aber in Wahrheit auch gar nicht an: Schon dem Rubrum der Klage ist zu entnehmen, daß die „Unterfertigung einer Zustimmung zur Antragstellung im naturschutzrechtlichen Verfahren“ begehrt wird. Der Kläger brachte dazu auch vor, im Verfahren zur naturschutzrechtlichen Bewilligung habe sich herausgestellt, daß nur die beklagte Partei antragsberechtigt sei bzw. den Antrag unterfertigen müsse. Das Urteilsbegehren ist demgemäß auch darauf gerichtet, daß die beklagte Partei verpflichtet sei, den Antrag zu unterfertigen, nicht aber den Antrag selbst zu stellen. Gemäß § 41 Abs.2 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl 1991/29, ist dem Antrag auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung dann, wenn der Antragsteller (hier: Kläger) nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen. Diese Zustimmungserklärung fordert der Kläger mit der vorliegenden Klage, sodaß dem Urteilsspruch lediglich eine klare, unmißverständliche Fassung, die sich aber mit dem Begehren des Klägers deckt, zu geben ist.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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