OGH 6Ob651/95(6Ob652/95)

OGH6Ob651/95(6Ob652/95)25.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Kellner, Dr.Schwarz und Dr.Prückner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Ing.Werner K*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Willibald Rath und Dr.Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Josef S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1,145.816,10 S sA und 169.111,20 S sA (Rekursinteresse 700.000 S), infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12.September 1995, GZ 5 R 89/95-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Handelsgerichtes vom 10.Februar 1995, GZ 18 Cg 321, 322/93p-46, teilweise aufgehoben und die verbundenen Rechtssachen teilweise an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 21.915 S (darin 3.652,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger stellte der Beklagten im Rahmen einer jahrelangen Geschäftsbeziehung Arbeitskräfte, Werkzeug und Arbeitsbehelfe zur Verfügung.

Mit seiner am 4.5.1990 beim Erstgericht eingelangten Klage (18 Cg 321/93p, früher 19 Cg 174/90) begehrte der Kläger 1,145.816,10 S sA für die Überlassung von Montagepersonal und für zur Verfügung gestelltes Hilfsmaterial im Zeitraum vom 1.1.1989 bis 28.2.1990. Ab 1987 sei eine Verrechnung in zwei Abschnitten vereinbart worden. Er habe zunächst die von der Beklagten bekanntgegebenen Pauschalsummen, dann aber die Differenz zu den tatsächlich erbrachten Leistungen verrechnen dürfen, beim Montagepersonal also nach Regiestunden.

Mit der ebenfalls am 4.5.1990 beim Erstgericht eingelangten Klage (18 Cg 322/93p, früher 19 Cg 173/90) begehrte der Kläger 169.111,20 S sA für die Bereitstellung von Montagepersonal und die Beistellung von Gerüsten.

Die beiden Verfahren wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5.7.1990 (zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung) verbunden (ON 5 des führenden Aktes 18 Cg 321/93p).

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagen. Zwischen den Parteien sei vereinbart worden, daß der Kläger von der Beklagten 90 % der von ihren Auftraggebern gezahlten Beträge erhalte. Die Beklagte habe dem Kläger die Schlußrechnungen der Auftraggeber übermittelt, wonach der Kläger den genannten Prozentsatz habe verrechnen können. Lediglich für den Fall der Erbringung von Zusatzleistungen an die Auftraggeber der Beklagten seien die Regiearbeiten nach Stunden zu verrechnen gewesen. Wenn die vom Kläger zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte nur Zustellungen durchgeführt hätten, sei zwischen den Parteien ein Zustellpauschale von 2,5 % des jeweiligen Lieferwertes vereinbart worden. Eine Abrechnung in zwei Abschnitten, wie sie der Kläger behaupte, sei nie vereinbart worden. Wenn eine solche Abrechnung vom Kläger mit dem Leiter einer Niederlassung der Beklagten in Graz vereinbart worden sein sollte, so sei der Filialleiter dazu nicht bevollmächtigt gewesen. Die Überschreitung der Vertretungsbefugnis sei dem für den Kläger handelnden Vertreter bewußt gewesen (Beklagtenvorbringen S 3 f zu ON 24).

Der Kläger replizierte, daß keine Beschränkung der Vertretungsvollmacht des Filialleiters der Beklagten gegeben oder bekannt gewesen sei (S 5 zu ON 24).

Die Höhe der Klageforderungen stellten die Parteien mit 700.000 S samt 5 % Zinsen seit 1.4.1990 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen für den Fall der Richtigkeit des Rechtsstandpunktes des Klägers außer Streit, für den gegenteiligen Fall wurde außer Streit gestellt, daß dem Kläger nichts mehr zustehe (S 22 und 23 zu ON 43).

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 700.000 S sA statt und wies das Mehrbegehren von 614.927,30 S sA (unangefochten) ab. Es traf die auf den S 7 bis 25 seiner Entscheidung ersichtlichen Feststellungen, von denen folgende hervorzuheben sind:

1985 habe der Kläger 70 Rechnungen gelegt. Bei einer Rechnung sei eine Pauschalverrechnung erfolgt, bei 59 Rechnungen seien Stundenverrechnungen vorgenommen worden, bei 4 Rechnungen sei eine "gemischte" Verrechnung erfolgt, bei 6 Rechnungen habe es sich um Gutschriften gehandelt. Der Leiter eines Filialbetriebes der Beklagten sei ungeachtet des Umstandes, daß er weder Prokurist noch Geschäftsführer der Beklagten gewesen sei, berechtigt gewesen, für die Beklagte Personalleasingverträge und damit im Zusammenhang stehende Vereinbarungen zu treffen (S 8 f in ON 46). Die Beklagte habe eine Umstellung der Regieabrechnungen auf Pauschalabrechnungen gewünscht. Der Filialleiter der Beklagten habe mit dem Vertreter des Klägers eine "Proformapauschalvereinbarung" getroffen, aber den Wunsch des Klägers nach einer Nachverrechnungsmöglichkeit akzeptiert. Für den Fall, daß die tatsächlich aufgewandten Stunden unter Zugrundelegung der bekannten Regiestundensätze im vereinbarten Pauschalbetrag keine Deckung fänden, sei vereinbart worden, daß durch den Kläger eine Nachverrechnung stattzufinden habe und daß nach den tatsächlich erbrachten Leistungen abzurechnen sei. Mit der Bedingung des Klägers auf Nachverrechnung sei die Beklagte einverstanden gewesen (S 14 in ON 46). 1988 habe der Kläger eine Nachzahlung gefordert, weil die Pauschalabrechnung nicht kostendeckend gewesen sei. Es sei zu einer Nachverrechnung im nicht feststellbaren Ausmaß zwischen 200.000 und 300.000 S gekommen. In den Jahren 1989 und 1990 habe der Kläger sowohl Pauschalverrechnungen als auch Stundenverrechnungen vorgenommen. Die Beklagte habe gegenüber ihren eigenen Kunden pauschal abgerechnet und dem Kläger unter Angabe der Namen der Kunden 90 % der Montagepauschalen bekanntgegeben, dem Kläger aber Rechnungen nicht übermittelt. Die Titulierung der Abrechnungen als "pauschal" sei über ausdrücklichen Wunsch des Filialleiters der Beklagten vorgenommen worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß zwischen den Parteien nur eine

"Proformapauschalabrechnungsvereinbarung" getroffen worden sei. Es könne keine Rede davon sein, daß nur vereinbart worden wäre, daß dann, wenn der Kläger mit den (von der Beklagten bekanntgegebenen) Pauschalen keine Kostendeckung finden sollte, über eine Nachverrechnung erst im Sinne einer unverbindlichen Verwendungszusage geredet hätte werden müssen. Der Filialleiter der Beklagten habe diese "rechtlich verpflichten" können. Es könne auch keine Rede davon sein, daß der Vertreter des Klägers von einer Beschränkung der Vertretungsmacht gewußt habe, weil ihm eine solche Beschränkung von der Beklagten bekanntgegeben worden wäre. Der Geschäftsführer der Beklagten habe die Berechtigung des Filialleiters zum Vertragsabschluß nicht bestritten (S 30 in ON 46).

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Urteil erster Instanz im stattgebenden Teil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, vermißte aber klare und ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu den von der Beklagten behaupteten, im Innenverhältnis gesetzten Grenzen der Vertretungsbefugnis ihres Filialleiters. Bei der Feststellung, daß "die Beklagte mit dieser Bedingung des Klägers deshalb einverstanden war, weil sie bis Ende 1987 nicht bzw über nicht genügende Arbeitskräfte mehr verfügte" (S 14 in ON 46), sei offen geblieben, ob die Beklagte durch ihr Organ oder aber nur durch ihren Filialleiter mit der Bedingung des Klägers nach einer Nachverrechnungsmöglichkeit einverstanden gewesen sei. Schließlich sei nicht festgestellt worden, ob der Vertreter des Klägers von der Beschränkung der Vollmacht des Filialleiters der Beklagten gewußt habe. Das Erstgericht werde ergänzende Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der Filialleiter der Beklagten beim Abschluß der Vereinbarung mit dem Kläger gegen allfällige interne Beschränkungen der Beklagten zuwidergehandelt habe, weiters ob sein Verhandlungspartner davon gewußt habe und ob aus den konkreten Umständen ein Vollmachtsmißbrauch für den Vertreter des Klägers zumindest erkennbar gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß ein Vollmachtsmißbrauch im Sinne eines Handelns im Rahmen der erteilten Vollmacht, aber unter Verstoß gegen eine Begrenzung, die im Innenverhältnis durch Auftrag, Ermächtigung oder Weisung erteilt worden sei, grundsätzlich die Wirksamkeit des Geschäftes mit einem Dritten nicht berühre, außer es läge ein Verstoß gegen die guten Sitten vor; dies sei dann der Fall, wenn der Dritte am vorsätzlichen Zuwiderhandeln gegen die interne Beschränkung einer Vollmacht teilgenommen habe. Schon die bloße Kenntnis des Dritten vom Vollmachtsmißbrauch wäre für die Unwirksamkeit des Geschäftes ausreichend.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil den mit dem Vollmachtsmißbrauch zusammenhängenden Fragen erhebliche Bedeutung zukomme.

Mit seinem Rekurs beantragt der Kläger, den Beschluß der zweiten Instanz aufzuheben und in der Sache dahin zu entscheiden, daß der Berufung der Beklagten nicht Folge gegeben und dem Kostenrekurs des Klägers stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zwecks neuerlicher Entscheidung über die Berufung der Beklagten und den Kostenrekurs des Klägers gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs des Klägers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ist bei seinen Rechtsausführungen zum Vollmachtsmißbrauch nicht von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen und hat dazu die in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Grundsätze richtig zitiert. Danach wird unter Vollmachtsmißbrauch ein Handeln des Vertreters im Rahmen seiner erteilten Vollmacht unter gleichzeitigem Verstoß gegen eine im Innenverhältnis wirksame Begrenzung (beispielsweise durch eine Weisung) verstanden. Der Vollmachtsmißbrauch führt dann zu einer Unwirksamkeit des mit einem Dritten abgeschlossenen Geschäftes, wenn dieser am vorsätzlichen Zuwiderhandeln des Vertreters gegen eine interne Beschränkung seiner Vollmacht teilnimmt (Strasser in Rummel ABGB2 I Rz 23 zu §§ 1016, 1017 mwN, insbesondere SZ 58/123; SZ 62/218). Für die Unwirksamkeit des Geschäftes reicht die Kenntnis oder die Erkennbarkeit des Vollmachtsmißbrauches beim Dritten aus (1 Ob 600/94).

Auf eine Überschreitung der Vollmacht ihres Filialleiters und eine Kenntnis des Klägers über diesen Umstand hat sich die Beklagte ausdrücklich berufen (S 3 f zu ON 24). Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, daß der Sachverhalt zu diesem Thema vom Erstgericht noch nicht genügend geklärt wurde, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten. Zweck des Rekurses nach § 519 ZPO ist die Überprüfung der Rechtsansichten des Gerichtes zweiter Instanz. Ist die im Aufhebungsbeschluß geäußerte Meinung zutreffend, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (SZ 43/167; JBl 1991, 580 uva; Kodek in Rechberger, ZPO § 519 Rz 5). Auf die Rekursausführungen, daß ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen worden seien und daß Spruchreife der Sache vorliege, ist daher nicht weiter einzugehen.

Der Rekurs ist deshalb mangels der Voraussetzungen des § 519 Abs 2 (iVm § 502) ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen hingewiesen.

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