OGH 10ObS268/95

OGH10ObS268/959.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Fendrich (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj Ricardo C*****, geboren am 26.August 1987, Volksschüler, ***** gesetzlich vertreten durch seine Mutter Isolde C*****, Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Dr.Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Land Niederösterreich, vertreten durch den Landeshauptmann, Dr.Erwin Pröll, 1010 Wien, Herrengasse 11-13, dieser vertreten durch Dr.Erich Hermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeldes infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 1995, GZ 8 Rs 108/95-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Februar 1995, GZ 17 Cgs 124/94a-8, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben; die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen und dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 563,52 S USt mit 3.381,12 S bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die einschließlich 676,48 S USt mit 4.058,88 S bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Begründung

Die schriftliche Ausfertigung des dem Klagebegehren stattgebenden Ersturteils wurde der nach § 20 Abs 1 Z 1 NÖ Pflegegeldgesetz für die Vollziehung und damit auch für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren zuständigen Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf am 23.3.1995, einem Donnerstag, zugestellt. Damit begann für den beklagten Pflegegeldträger die vierwöchige Berufungsfrist, die am 20.4.1995, einem Donnerstag, ablief (§ 2 Abs 1 ASGG iVm § 464 Abs 1 und 2 ZPO).

Die von der Beklagten zur Post gegebene Berufung langte am 24.4.1995 beim Erstgericht ein. Das Erstgericht wies die Berufung zunächst mit Beschluß vom 26.4.1995 ON 10 als verspätet zurück. Es nahm an, daß die Berufungsfrist am 21.4.1995 geendet habe und daß die Berufung am 22.4.1995 zur Post gegeben worden sei. Gegen die Zurückweisung ihrer Berufung erhob die Beklagte rechtzeitig Rekurs, dem das Erstgericht mit Beschluß vom 12.5.1995 ON 12 selbst stattgab (§ 522 Abs 1 ZPO), weil die Beklagte durch eine Photokopie des Rückscheines nachgewiesen hatte, daß die Berufung am 21.4.1995, einem Freitag, zur Post gegeben wurde. Die Beschlüsse ON 10 und ON 12 wurden nur der Beklagten zugestellt. Das Berufungsgericht und das Revisionsgericht sind an diese Beschlüsse nicht gebunden (§ 471 Z 2, § 474 Abs 2, § 495 ZPO).

Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das Berufungsurteil durch Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung; sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Aus Anlaß der nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässigen Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Berufungsurteil wegen eines im § 477 ZPO nicht bezeichneten Mangels nichtig ist. Das Berufungsgericht hat nämlich über die verspätete Berufung sachlich entschieden und sich damit über die Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung hinweggesetzt (JBl 1985, 630 mwN, Kodek in Rechberger, ZPO § 503 Rz 2).

Deshalb ist das Berufungsurteil als nichtig aufzuheben und die verspätete Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Klägers auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 (Kostenbemessungsgrundlage 50.000 S) ASGG, hinsichtlich der Beklagten auf Abs 1 Z 1 leg cit.

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