Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war in der Zeit vom 7.5. bis 1.10.1992 bei der Beklagten, die im wesentlichen Leuchtschilder und Beschriftungen herstellt, als Werkstättenleiter beschäftigt. Es kann nicht festgestellt werden, welches Ergebnis die anläßlich der Einstellungsgespräche über die Einstufung des Klägers als Angestellter oder Arbeiter geführten Verhandlungen hatten. Die Anmeldung des Klägers bei der Wiener Gebietskrankenkasse erfolgte als Arbeiter, wobei nicht festgestellt werden kann, ob ihm dieser Umstand zur Kenntnis gelangte. In der Werkstätte der Beklagten waren sechs bis acht Arbeiter beschäftigt, über die der Kläger die Aufsicht zu führen hatte. Sein Arbeitsplatz befand sich in der Werkstätte in einem abgegrenzten Raum und war mit Schreibtisch und Telefon ausgestattet. Anläßlich seines Eintrittes wurde dem Kläger eine Liste der Mitarbeiter samt deren Verwendung und Ausbildungsstand übergeben. Der Kläger war für die Qualitätskontrolle und Lieferterminüberwachung zuständig. In Absprache mit einem leitenden Mitarbeiter der Beklagten führte er die Arbeitseinteilung durch. Zu Anfragen von Kunden über die allfällige Durchführung von Aufträgen und die dafür notwendigen Überlegungen zur Kalkulation wurde der Kläger von diesem leitenden Mitarbeiter zugezogen. Notwendige Materialbestellungen konnte der Kläger selbständig durchführen. Kalkulationen erstellte er nicht. Bestandteil seiner Mitarbeiteraufsicht war die Durchführung der Arbeitseinteilung und die Zeitkontrolle. Mit der Aufnahme von neuen Mitarbeitern und der Beendigung von bestehenden Arbeitsverhältnissen war er jedoch nicht befaßt. Auch mit der Fakturierung hatte der Kläger nichts zu tun, jedoch waren die von ihm erstellten Zeiterfassungen, aus denen die Zuordnung von Mitarbeiterstunden zu den einzelnen Kundenaufträgen hervorging, zumindest zum Teil deren Grundlage. Die vom Kläger durchgeführten Warenbestellungen führten zu einer Vielzahl von Kundenkontakten. Wollte der Kläger Material auf Lager bestellen, mußte er mit der Geschäftsführung Kontakt aufnehmen. Der Kläger hatte auch die Arbeit seiner Mitarbeiter unmittelbar zu kontrollieren. Einzelne Tätigkeiten an Werkstücken wurden unter seiner direkten Anleitung durchgeführt, eine Qualitätskontrolle erfolgte durch ihn oder mit dem leitenden Mitarbeiter der Beklagten gemeinsam. Diese Qualitätskontrolle bestand insbesondere in der Überprüfung der Oberflächenbeschaffenheit der Lackierung, der Maßgenauigkeit sowie der Ordnungsgemäßheit der Schweißpunkte. Der Kläger war mit Außendienstarbeiten nicht befaßt, lediglich wenn andere Mitarbeiter nicht zur Verfügung standen, war er auch auswärts auf Montage. Ob dies mehr als einmal der Fall war, kann nicht festgestellt werden. Manuelle Tätigkeiten übte der Kläger insoferne aus, als er im Bereich der Kunststoffbearbeitung spezialisiert war und Arbeiten an der Acrylglasbearbeitungsmaschine durchführte. Insbesondere die Feinjustierung, Einstellung und Anpassung an Produktionserfordernisse und diverse Testabläufe wurden vom Kläger bewerkstelligt. Da sich die Tätigkeit des Klägers nicht gemäß den Erwartungen der Beklagten entwickelte, wurde das Dienstverhältnis durch Kündigung beendet.
Mit seiner am 28.12.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Zahlung von S 142.616,68 brutto sA. Er sei von der Beklagten als Werkstättenleiter mit einem Monatsgehalt von S 30.000 brutto beschäftigt gewesen. Bei seiner Einstellung sei ausdrücklich die Angestellteneigenschaft des Klägers vereinbart worden. Auch in seinen früheren Dienstverhältnissen sei der Kläger jeweils in leitender Position als Angestellter tätig gewesen. Er habe bei der Beklagten tatsächlich eine Angestelltentätigkeit ausgeübt. Er habe die Lagerverwaltung sowie Bestellungen durchgeführt, Kostenvoranschläge verfaßt, Preisverhandlungen geführt, Arbeitsvorbereitungen organisiert und die gesamte techniche Planung über gehabt. Eine manuelle Tätigkeit sei nur in Ausnahmefällen vorgesehen gewesen. Trotzdem sei das Arbeitsverhältnis von der Beklagten ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst worden. Es stehe ihm daher Kündigungsentschädigung einschließlich Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration, Urlaubsentschädigung sowie bisher nicht ausbezahlte Weihnachtsremuneration und Überstundenentgelt zu.
Die Beklagte wendete dagegen ein, daß der Kläger als Nachfolger des bis zum 31.7.1992 im Betrieb tätigen Werkstättenleiters als Arbeiter aufgenommen worden sei. Er habe auch tatsächlich Arbeitertätigkeit verrichtet. Der Kläger habe im Rahmen der Werkstätte die Zuschnitte durchzuführen und Material zu bestellen gehabt. Teilweise habe er auch in der Produktion mitgearbeitet. Es sei ihm die Beaufsichtigung von sechs bis acht Arbeitern der Werkstätte übertragen gewesen, Personalentscheidungen habe er jedoch nicht treffen dürfen. Auf das Dienstverhältnis des Klägers sei der Kollektivvertrag für das Maler-, Anstreicher-, Lackierer-, Schilderhersteller-, Vergolder-, Staffierer- und Industriemalergewerbe anzuwenden.
Das Erstgericht erkannte mit Teil- und Zwischenurteil die Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Kündigungs- und Urlaubsentschädigung als dem Grunde nach zu Recht bestehend und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger an Kündigungsentschädigung S 103.500 brutto zu bezahlen. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß sich die Tätigkeit des Klägers als die eines Angestellten qualifizieren lasse. Für diese Qualifikation komme es allein auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht etwa auf anderslautende Krankenkassenmeldungen oder stillschweigende oder ausdrückliche Vereinbarungen an. Mangels anderslautender vertraglicher Regelung komme für die Kündigung die Bestimmung des § 20 AngG zur Anwendung. Die fristverfehlende Kündigung durch die Beklagte löse Ansprüche des Klägers auf Kündigungs- und Urlaubsentschädigung aus.
Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das auf Zahlung von S 123.112,50 brutto sA gerichtete Klagebegehren mit Teilurteil abwies. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß aufgrund des festgestellten Tätigkeitsprofiles die Durchführung kaufmännischer Dienste durch den Kläger im Sinne des ersten Falles des § 1 Abs 1 AngG ausgeschlossen werden könne. Auch der zweite Fall der genannten Gesetzesstelle, nämlich die Leistung höherer nichtkaufmännischer Dienste sei aufgrund der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht verwirklicht. Aus der Tatsache allein, daß der Dienstnehmer eine Arbeitsgruppe von sechs bis zu acht Personen zu führen habe, könne die Angestellteneigenschaft nicht abgeleitet werden. Ins Gewicht falle hiebei, daß der Kläger keine Mitwirkungsbefugnis in Personalangelegenheiten gehabt habe. Seine Tätigkeit sei überwiegend eine typische Vorarbeitertätigkeit gewesen. Er habe, weil er auf den Bereich der Kunststoffbearbeitung spezialisiert gewesen sei, auch manuell mitgearbeitet. Einzelne Tätigkeiten an Werkstücken seien unter seiner direkten Anleitung durchgeführt worden. Dies sowie die vom Erstgericht festgestellte Qualitätskontrolle müsse von jedem Facharbeiter beherrscht werden. Auch die Führung von Zeitaufzeichnungen (als Grundlage der Rechnungserstellung) könne von jedem Facharbeiter erwartet werden. So sei es beispielsweise eine bekannte Tatsache, daß Handwerker, die außerhalb des Betriebes tätig werden, häufig an Ort und Stelle die geleisteten Arbeitsstunden verzeichnen, sich diese Aufzeichnungen vom Auftraggeber bestätigen lassen und diese sodann nach Rückkehr in den Betrieb dem Dienstgeber übergeben. Die Arbeitseinteilung habe der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes nicht völlig selbständig, sondern in Absprache mit dem leitenden Mitarbeiter der Beklagten durchgeführt. Zutreffend habe die Beklagte darauf hingewiesen, daß der nur für Arbeiter geltende Kollektivvertrag für Maler, Ansteicher und Lackierer im Punkt XVI C Z 2 die verantwortliche Führung einer Arbeitspartie (Einteilung der Arbeitskräfte, Materialbestellung) durch Arbeiter vorsehe und für solche Partieführer einen Lohnzuschlag gewähre. Daß der Kläger zu Kanzleiarbeiten im Sinne des dritten Falles des § 1 Abs 1 AngG herangezogen worden wäre, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Nach Punkt XVII. des Kollektivvertrages für Maler, Anstreicher und Lackierer könne das Dienstverhältnis bei einer Betriebszugehörigkeit bis zu 20 Jahren jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. Die Ansprüche auf Kündigungs- und Urlaubsentschädigung stünden daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß nicht zu. Im fortgesetzten Verfahren werde zu erörtern sein, ob der Kläger Anspruch auf Urlaubsabfindung gemäß § 10 UrlG habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhobenen Revision kommt keine Berechtigung zu.
Gemäß § 1 Abs 1 AngG gilt dieses Bundesgesetz für das Dienstverhältnis von Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung kaufmännischer (Handlungsgehilfen) oder höherer, nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten angestellt sind. Zu den kaufmännischen Diensten zählen im allgemeinen alle mit dem Ein- und Verkauf zusammenhängenden Tätigkeiten, die eine Anpassung des Arbeitnehmers an die Marktsituation zur Hebung des Umsatzes erfordern, wie insbesondere Kundenberatung, Preisfestsetzung, Lagerhaltung usw. Werden sowohl Tätigkeiten verrichtet, die sich als kaufmännische, als auch solche, die sich als untergeordnete Verrichtungen beurteilen lassen, dann entscheidet im allgemeinen das zeitliche Überwiegen; haben jedoch die höher qualifizierten Tätigkeiten für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung, so kommt es nicht auf das zeitliche Überwiegen an (ArbSlg 9749; 9090; 10.044; 9 Ob A 242/93). Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann ohne weiteres gesagt werden, daß die vom Kläger geleisteten Dienste nicht als kaufmännische zu qualifizieren sind. Selbst wenn derartige Tätigkeiten im Aufgabenbereich des Klägers enthalten gewesen sein sollten, könnte ihnen aus der Sicht des Arbeitgebers nur untergeordnete Bedeutung zukommen. Daß der Kläger Kanzleiarbeiten verrichtet hätte, wurde im Verfahren nicht behauptet und ist auch sonst nicht hervorgekommen. Es ist daher ausschließlich zu prüfen, ob die Tätigkeit des Klägers als höherer nichtkaufmännischer Dienst im Sinne des zweiten Falles des § 1 Abs 1 AngG zu qualifizieren ist:
Zur Qualifikation eines Arbeitnehmers als Angestellten bedarf es keiner besonderen Bestellung oder Einreihung. Ausschlaggebend ist ausschließlich die Art der geleisteten Dienste, wobei die Tätigkeit des Arbeitnehmers in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist (ArbSlg 7862; 8749; 9685; 9749; 9 Ob A 17/95). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeitsmerkmale des Kollektivvertrages für Angestellte des Gewerbes für die Zuerkennung der Angestellteneigenschaft als Definitionshilfe herangezogen werden können (verneinend Infas A 129/85), da es an deren Vorliegen hier schon deshalb mangelt, weil der Kläger nach den Feststellungen keine Angestelltengruppe führte und zudem - wie noch darzulegen sein wird - auch keine verantwortlich selbständige Arbeitsleistung vorlag, wie dies in der Verwendungsgruppe IV des Kollektivvertrages gefordert wird.
Als höhere Dienstleistung nichtkaufmännischer Art kommt eine Arbeit in Betracht, die in Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautsein mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangt, also nicht rein mechanisch ausgeübt wird und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden kann. Diese Arbeiten müssen zusätzlich wesentlich über den Durchschnitt einer Arbeiter- oder gar Hilfsarbeitertätigkeit hinausgehen. Angestelltentätigkeit wird unter anderem indiziert durch die über das durchschnittliche Ausmaß wesentlich hinausgehende größere Selbständigkeit, umfassendere Fachkenntnisse, Genauigkeit, Verläßlichkeit, Fähigkeit der Beurteilung der Arbeiten anderer, der Aufsichts- und Leitungsbefugnis und der Einsicht in den Produktionsprozeß (ArbSlg 8749; 10.932; 9 ObA 17/95). Allerdings bleibt immer die Art der ausgeübten Dienstleistung ausschlaggebend, früher verrichtete Tätigkeiten, besondere schulische oder sonstige Vorbildung allein vermögen kein Qualifikationskriterium darzustellen (Arb 8300; 10.932).
Der Oberste Gerichtshof hat unter anderem die Angestelltenqualifikation bejaht bei dem Leiter eines Pelzhauses mit angegliedertem gewerblichen Erzeugungsbetrieb, wo der dortige Kläger gegenüber der Gewerbebehörde die Verantwortung zu tragen hatte (ArbSlg 8300). Auch einem Polier wurde die Angestellteneigenschaft zuerkannt, der bis zu 40 Mann bei der Ausführung von Wildbachverbauten, an deren Projektierung er mitgewirkt hatte, zu beaufsichtigen hatte. Auch hatte er neben seiner sonstigen umfangreichen Tätigkeit wie Arbeitseinteilung und Führen von Aufzeichnungen zumindest gelegentlich die Genehmigung, Arbeiter aufzunehmen und zu entlassen (ArbSlg 8601). Schließlich wurde auch ein Kläger, der 70 % seiner Arbeitszeit auf die Abhaltung von Schulungskursen vewendete, als Angestellter angesehen (ArbSlg 9685).
Betrachtet man demgegenüber das Tätigkeitsprofil des Klägers, ergibt sich doch eine im Umfang wesentlich geringere selbständige und eigenverantwortliche Tätigkeit. Er hatte im wesentlichen unter der Leitung des verantwortlichen Mitarbeiters der Beklagten zu agieren und eine Aufsichtstätigkeit durchzuführen, wie sie auch von einem Facharbeiter erwartet werden kann. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers ergibt sich aus den erstgerichtlichen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger selbständig die für einen hereinzunehmenden Auftrag aufzuwendende Arbeitszeit kalkuliert hätte. Daß er bei derartigen Anfragen vom leitenden Angestellten der Beklagten beigezogen wurde, läßt keinen Rückschluß auf ein diesbezügliches selbständiges Tätigkeitsfeld zu. Ganz im Gegenteil hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger keine Kalkulationen durchgeführt habe. Damit ist aber die Tätigkeit des Klägers durchaus einer solchen eines Vorarbeiters vergleichbar, welcher ebenfalls die ihm unterstellten Arbeiter zu überwachen, die Arbeit einzuteilen und die erzeugten Produkte zu überprüfen hat (vgl Infas A 129/85). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof die Tätigkeit eines Oberkellners nicht als höher qualifiziert erachtet, der die ihm unterstellte Service-Crew einschulte, die Arbeitseinteilung vornahm, die Arbeitsweise und Arbeitszeiten überwachte und die Urlaube der Mitarbeiter koordinierte (9 ObA 17/95).
Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung fehlt der Tätigkeit des Klägers in der Gesamtheit betrachtet, mag sie auch Verantwortung erfordert haben, jenes höhere Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, welche sie über die Tätigkeit eines durch Berufserfahrung besonders qualifizierten Facharbeiters heben könnte.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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