OGH 11Os171/95

OGH11Os171/9512.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Dezember 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brunner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag.Hans Hellfried W***** und einen anderen wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mag.Hans Hellfried W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8. September 1995, GZ 26 Vr 1724/95-141, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag.Hans Hellfried W***** des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1, 161 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) zwischen 2.Mai und 8.Mai 1995 in Graz, Klagenfurt und Innsbruck den Landeshauptmann von Tirol, Dr.Wendelin W*****, durch die briefliche Drohung mit der bakteriellen Verseuchung Tiroler Trinkwasserspeicher und der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit hunderter Menschen und der Information aller deutschen Medien über die bakterielle Verseuchung des Tiroler Trinkwassers und die deshalb mit einem Tirol-Urlaub verbundene Gefahr, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Bereitstellung von 30 Mio S bis zum 5.Mai 1995 und Einzahlung eines Teilbetrages von 9 Mio S am 8.Mai 1995 auf ein Überbringersparbuch und Versendung des Sparbuches per Bahnexpress Kurier nach Wien, wo es auf dem Namen "Hubert Dreier" bahnlagernd zur Abholung bereit liegen sollte, wobei weitere Instruktionen hinsichtlich der restlichen 21 Mio S folgen würden, zu nötigen versucht, die das Land Tirol am Vermögen schädigen sollte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern;

(zu II) von Anfang Februar 1994 bis März 1995 in Völkermarkt als geschäftsführender Gesellschafter und sohin leitender Angestellter (§ 309) der Firma "The B*****", welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, deren Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt, insbesondere durch Gründung der Gesellschaft ohne Eigenkapital, unverhältnismäßige Kreditbenützung, falsche Einschätzung der zu erwartenden Umsätze und mangelhafte kaufmännische Fähigkeiten.

Rechtliche Beurteilung

Den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung.

Die Beschwerde behauptet zunächst, das Erstgericht habe bei seiner Strafbemessung hiefür maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt (Z 11 zweiter Fall), indem es lediglich kursorisch festgehalten habe, die Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren sei schuld- und tatangemessen, wobei auch hinsichtlich der Strafbemessung spezial- und generalpräventive Aspekte mitzuberücksichtigen seien. Abgesehen davon, daß sich das Erstgericht mit der Strafbemessungsproblematik ausführlich auseinandergesetzt hat (US 29, 30), wird damit keine unrichtige rechtliche Beurteilung eines im Urteil tatsächlich festgestellten, für die Strafbemessung ausschlaggebenden Sachverhaltes dargetan (RZ 1989/19; 13 Os 75/90). Eine hiefür maßgebende Tatsache ist nämlich nur dann unrichtig beurteilt, wenn ihre Annahme oder Nichtannahme dem Ermessen entzogen ist. Derartiges wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Der Umstand, daß das Erstgericht bei der Strafbemessung auch spezial- und generalpräventive Aspekte mitberücksichtigte (US 29 f), betrifft keine solche Strafbemessungstatsache.

Aber auch der von der Beschwerde behauptete unvertretbare Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (Z 11 dritter Fall) kann sich nur in einer Überschreitung des Ermessensspielraumes äußern (RZ 1989/65). Nichtigkeit im Sinne dieses Anwendungsfalles liegt vor, wenn das Gericht (nach den Urteilsgründen) für den Strafausspruch Kriterien herangezogen hat, die den im Gesetz normierten Strafbemessungsvorschriften (§§ 32 ff, insbesondere auch 40, 43 bis 46 StGB) in unvertretbarer Weise widersprechen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 11 E 3 und 4). Mit dem Einwand, es sei rechtlich unvertretbar, im Rahmen der Strafbemessung spezialpräventive Aspekte mitzuberücksichtigen, wird der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Z 11 dritter Fall StPO sohin nicht dargetan. Der Beschwerdeauffassung zuwider besteht für das erkennende Gericht nämlich innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ein Spielraum, der nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt wird, innerhalb dessen aber Präventionserwägungen berücksichtigt werden können (Leukauf/Steininger Komm3 § 32 RN 11).

Auch mit der (im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde zumindest implizit) reklamierten Annahme eines weiteren Milderungsgrundes (§ 34 Z 10 StGB) bringt der Beschwerdeführer den genannten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn er macht damit weder eine rechtsfehlerhafte Bewertung von festgestellten Strafbemessungstatsachen, noch einen Verstoß gegen allgemeine Strafbemessungsgründe, sondern bloß eine nicht sachgerechte Ermessensausübung des Erstgerichtes geltend.

Erfolglos bleiben muß die Strafzumessungsrüge aber auch, soweit der Angeklagte damit bemängelt, das Erstgericht habe "die Anwendbarkeit einer teilbedingten Strafnachsicht nach § 43 a Abs 4 StGB grundwegs abgelehnt".

Dem Einwand, ist zu erwidern, daß das Gericht mit fallbezogen konkreten Erwägungen der durch das Gesetz grundsätzlich gebotenen Beachtung der Erfordernisse der Spezial- und der Generalprävention bei Prüfung der Wirksamkeit strafrechtlicher Maßnahmen sowie des Erfordernisses der hohen Wahrscheinlichkeit, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (§ 43 a Abs 4 StGB), nachgekommen ist (US 30), ohne die Möglichkeit der Gewährung bedingter Strafnachsicht bei einer bestimmten Deliktsgruppe schlechthin auszuschließen. Das Erstgericht begründete die Nichtgewährung teilbedingter Strafnachsicht mit dem Hinweis auf den im konkreten Fall vorliegenden Mangel einer qualifiziert günstigen Prognose sowie mit generalpräventiven Gründen, demnach mit gerade jenen Kriterien, die für die Anwendung (oder Nichtanwendung) der §§ 43 und 43 a StGB von Bedeutung sind (Leukauf/Steininger Komm3 § 43 a RN 16). Dem Urteil ist somit auch in dieser Hinsicht ein mit den bezüglichen Gesetzesvorschriften nicht zu vereinbarender Strafbemessungsvorgang nicht zu entnehmen. Der Einwand der unrichtigen Beurteilung der Prognose betrifft erneut Strafbemessungstatsachen und somit abermals bloß den Vorwurf einer nicht sachgerechten Ermessensausübung des Erstgerichtes, deren Prüfung ausschließlich in den Bereich des Berufungsverfahrens fällt (RZ 1989/19; 11 Os 64/88, 14 Os 121/93; 11 Os 67/94).

Insgesamt beschäftigt sich die Beschwerde daher ausschließlich mit der in das Ermessen der Tatrichter gelegten Gewichtung von (gesetzeskonform herangezogenen) Strafbemessungsgründen und prognostischen Präventionsumständen. Alle Beschwerdeeinwände laufen demnach letztlich nur auf eine andere Beurteilung bzw. eine Ergänzung der Strafbemessungstatsachen, somit auf eine im Ermessensspielraum des Gerichtes liegende Entscheidung hinaus, die nur zum Gegenstand der Berufung gemacht werden kann, in deren Rahmen gemäß § 290 Abs 1 letzter Satz StPO im übrigen auch die in der Nichtigkeitsbeschwerde vorgetragenen Argumente zu berücksichtigen sein werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO).

Daraus folgt, daß über die Berufung das Oberlandesgericht Innsbruck zu erkennen haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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